: Unangenehme Wahrheiten
■ betr.: „Befreiung der Hamsterin nen“ von Ute Scheub, taz vom 1./2.11. 97
Es sind Artikel wie diese, die in postfeministischen Zeiten wie diesen noch neue Akzente setzen, indem sie unangenehme Wahrheiten aussprechen. Frauen machen sich vor allem dadurch mitschuldig, daß sie dem Männerkult huldigen, und das vermutlich weltweit. Es ist in der Tat eine unangenehme Wahrheit. Andererseits ist die Bezeichnung „Männerkult“ nichts anderes als das Spiegelbild einer bestimmten Sichtweise.
Der „Kultfigur“ des deutschen Nazis wird hier die „Witzfigur“ der deutschen „Mutti“ gegenübergestellt. Eine deutsche Frau gehört in die Küche. Wie damals, so heute. Doch ist nicht auch diese „Mutti“ eine Kultfigur? Besteht ein weiterer Kult nicht auch in der Idealisierung weiblicher Rundungen, dem Postulat von der „schöneren“ Frau?
Eine „Witzfigur“ bleibt sie fraglos, „die Mutti“. Um einiges witziger jedoch ist die Hysterikerin, die wild um sich schlägt, Beruhigungsmittel einnimmt, um ihrer Mißbrauchshysterie Herr zu werden. Wir alle wissen, daß weder Mussolini noch der Führer an Hysterie erkrankt waren, und es ist beruhigend, dies zu wissen. Es ist genauso beruhigend wie das Wissen um Gut und Böse.
Die Revolte beginnt im Bewußtsein. Schuld und gerechte Bestrafung beginnen dort, wo die Frau sündigt: ihre Unschuld vor der Zeit verliert, die Notwendigkeit ihrer Unterordnung nicht begreifen will, die Einsicht in ihre biologisch bedingt untaugliche Konstitution genauso verweigert wie die Auffassung von ihrer genetisch bedingten schwächeren Leistungsfähigkeit. Die Revolte beginnt nicht zuletzt beim Zweifel an einem unlängst diagnostizierten, physiologisch bedingten Schwachsinn.
Das Abwenden einer privaten finanziellen Abhängigkeit funktioniert nur über die berufliche finanzielle Abhängigkeit. Um den Arbeitsplatz zu erhalten, wird die Frau, ähnlich dem Manne, zur Täterin, zur Mitläuferin in welchem System auch immer, das sie umgibt. Andererseits wird sie, schon unähnlicher, zum Opfer meist unbezahlter Überstunden, 610-DM- Jobs, Attributen wie „überqualifiziert“, „gutaussehend“, „blond“; die Maße einer Politikerin sind im Gegensatz zu denjenigen ihrer Kollegen nur wenig tabu, statt dessen existieren ja genügend andere Tabuthemen, die ignoriert werden müssen.
Die „passive Akzeptanz“ solcher Arbeitsbedingungen ist aus der Not geboren, um dem zu entrinnen, was gemeinhin als „Rolle der Hausfrau“ bezeichnet wird, um eine Titulierung als „Sklavin“ schonungsvoll zu umgehen. Schnell verloren ist noch der miserabelste Job, wenn an der friedfertigen Hingabe der Frau der geringste Zweifel entsteht. Deutschland ist ganz offensichtlich eine „Männergesellschaft“, ganz offensichtlich im frappanten Gegensatz zu zahllosen anderen Klassengesellschaften.
Passivität ist nicht immer nur Unschuld. Gerade in der Passivität bestehen viele Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Strukturen sind „vorgegeben“, „Grammatiken“ bereits geschrieben, Strapazen von Geburt an verteilt, Gut und Böse früh ersichtlich aus Märchen und Redensarten. Wem drohte da nicht ein „Blackout“?
Das Böse ist das „aktive“ Verbrechen, das Gute liegt in der „Passivität“ begründet. Schuld bewegt sich im Rahmen der „Gut und Böse“-Thematik, die durch Paragraphen, Religionen, Philosophien und Ideologien hinreichend genug Beachtung findet, als daß die entsprechenden Konzeptionen durch nutzlose politische oder weniger politische Diskussionen zusätzlich kompliziert werden müßten.
Es gibt viele Käfige – mehr oder weniger goldene, mehr oder weniger sichtbare. Nur wer sie sprengt, kann in der Wildnis bestehen. Carola Schuler, Berlin
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen