: Unangemessen und schädlich
■ Auszüge des Protokolls der Ausführungen von Christian Lochte, Leiter des Hamburger Landesamtes für Verfassungsschutz, vor dem Rechtsausschuß des Bundestages
(...) Durch die geplante Erweiterung des § 129a StGB werden Dinge miteinander verquickt, die nicht zusammengehören. Unter dem gemeinsamen Begriff terroristische Vereinigung würden so unterschiedliche politische Bereiche wie die terroristische RAF, die schwerste Straftaten bis hin zu Morden und Entführungen begeht, und militante Anarchisten und Autonome, deren überwiegende Straftaten aus Sachbeschädigungen bestehen, miteinander verknüpft. Dadurch wird ein Sachverhalt vorgetäuscht, der in der Praxis nicht gegeben ist. Weder arbeiten RAF und militante Autonome und Anarchisten im Sinne eines abgestimmten, gemeinsamen politischen Kampfes zusammen, noch rekrutiert die RAF Mitglieder aus diesem Bereich. Militante Linksextremisten sind keine Terroristen. Sie werden jedoch durch den Rechtsbegriff terroristische Vereinigung dazu hochstilisiert. Die willkürliche Ausdehnung des Begriffes Terrorist kann zu einer Radikalisierung und einer verstärkten Solidarisierung der Betroffenen mit der RAF führen. Durch eine dadurch bewirkte Durchlöcherung ihrer Isolierung könnte eine Stärkung der RAF eintreten. Diese negative Wirkung kann durch vermeintliche Vorteile der geplanten Gesetzesregelung nicht ausgeglichen werden. Die militanten Autonomen und Anarchisten bilden ein diffuses, schwer durchdringliches Erscheinungsbild. Ihre abgeschotteten Kleinstgruppen bieten kaum Ansätze für Fahndungserfolge, wie die Vergangenheit gezeigt hat. Die Anwendungsmöglichkeiten des § 129a StGB auf diese Personenkreise werden gering bleiben. Zudem sind Teile des § 129a StGB, wie etwa die Rädelsführerschaft, auf militante Linksextremisten nicht anwendbar, da derartige Strukturen bei ihnen fehlen. Unangemessen erscheint auch die Zusammenfassung so unterschiedlicher Straftaten wie Sachbeschädigung durch das Werfen eines Kabels auf eine Oberleitung der Bundesbahn oder mehrfacher Mord. Die Einführung der Erweiterung des § 129a StGB würde schwerwiegende Nachteile für die Bekämpfung des Terrorismus und eine Verschärfung der Aktivitäten des militanten Bereich des Linksextremismus bewirken. Mit der Ausweitung des § 129a StGB auf das sogenannte Mastumlegen würden nicht nur Aktionsformen militanter Autonomer erfaßt, sondern auch Widerstandsformen von bisher nicht linksextremistisch strukturierten Bürgerinitiativen. Für den Bereich der Anti–AKW–Arbeit gilt das Umlegen oder Umsägen von Strommasten als eine von mehreren Formen gewaltfreien Widerstandes. Von den rund 90 Anschlägen gegen Strommasten wurden lediglich 12 mit schriftlichen Bekennungen begleitet, von denen nur 10 überhaupt eine politische Zuordnung in Richtung des militanten Autonomen–Spektrums erlauben. Die niedrige Quote einer politischen Begleitung des sogenannten Mastumlegens bestätigt die Aussage, daß es sich hierbei um eine Aktionsform auch bürgerlicher Anti–AKW–Gegner handelt, die den demokratischen Staat nicht grundsätzlich in Frage stellen wollen.
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