KOMMENTAR: Unästhetische Öffnung
■ Das Brandenburger Tor fällt für die Autoindustrie
Rot-weiß gestreifte Polizeigitter stehen auf dem Pariser Platz und auf der Straße Unter den Linden. Der Asphalt ist von weißen Markierungen gezeichnet, die aufgemalte Fahrspur verengt sich zum Tor hin und zerschneidet Straße und Platz in zwei Hälften. Die Absperrung, die die Menschen vom Verkehr trennen soll, scheint für Fußgänger unüberwindlich wie eine Demarkationslinie. Es ist häßlich geworden vor und hinter dem Brandenburger Tor. Nirgendwo sonst in dieser Stadt könnte Verkehrssenator Haase besser vorführen, wie unästhetisch Verkehr sein kann.
Das Bild am Brandenburger Tor ist kein Zufall. Natürlich sollen nur Busse und Taxen das Denkmal passieren — für privaten Autoverkehr bleibt die Ost-West-Verbindung gesperrt. Die symbolische Nachricht ist aber eine andere: Mit dem Auto kommt man in dieser Stadt überall hin — auch wenn das Blech auf vier Rädern beige lackiert ist, und ein gelbes Schild auf dem Dach hat. Man kann sich die Werbung eines bestimmten Autoherstellers schon vorstellen: Sein Taximodell fährt oder steht zwischen den Säulen des Langhans-Denkmals. Für Autofahrer gibt es keine Grenzen. Im politischen Krieg um jeden Meter Asphalt hat die Autoindustrie einen neuen Sieg davongetragen. Das Bild am Brandenburger Tor ist ein Bild der Eroberung.
Gestern fehlten bei der geplanten feierlichen Eröffnungsveranstaltung allerdings die wahren Sieger: Das rote Band zwischen den Säulen hätten die Manager der Autoindustrie zerschneiden müssen. Daß Haase die Schere persönlich führen wollte, verrät, wie er sich mit den eigentlichen Gewinnern identifiziert. Nur kam es nicht zu dem Schnappschuß mit dem Senator in Siegerpose, denn ein kleines Detail störte die gestrige Inszenierung. Die Grünen hatten dem Verkehrssenator die Schere faktisch aus der Hand gerissen. Dirk Wildt
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