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Unabhängigkeitsreferendum im SudanWer ist aus dem Süden, und wer nicht?

Die Wählerregistrierung für Südsudans Unabhängigkeitsreferendum im Januar 2011 hat begonnen. Doch Norden und Süden streiten darüber, wer abstimmen darf.

Sie wollen unabhängig vom Norden sein: Südsudanesen demonstrieren. Bild: reuters

BERLIN taz | Wenige Wochen vor dem geplanten Unabhängigkeitsreferendum im Südsudan am 9. Januar 2011 verschärfen sich die Auseinandersetzungen über die Vorbereitung der Volksabstimmung. Sudans Regierungspartei NCP (Nationale Kongresspartei) von Präsident Omar Hassan al-Bashir drohte am Sonntag, das Ergebnis des Referendums nicht anzuerkennen.

Grund sei, dass die südsudanesische frühere Rebellenbewegung SPLM (Sudanesische Volksbefreiungsbewegung) die Wählerregistrierung in der Hauptstadt Khartum behindere. Aus SPLM-Kreisen wird Sudans Regierung vorgeworfen, in Teilen Südsudans Gewalt zu schüren, um die Registrierung dort zu stören.

Das Unabhängigkeitsreferendum für den Süden wurde am 9. Januar 2005 als Teil des Friedensabkommens vereinbart, mit dem Sudans Regierung und die im Südsudan kämpfenden Rebellen des bewaffneten SPLM-Flügels SPLA (Sudanesische Volksbefreiungsarmee) 21 Jahre Krieg mit mehreren Millionen Toten beendeten. Seitdem regiert die SPLM Südsudan als Autonomiegebiet.

Am 9. Januar 2011 stimmen die Südsudanesen darüber ab, ob sie Teil Sudans bleiben oder unabhängig werden. Die Möglichkeit einer Spaltung des Landes behagt Sudans Regierung überhaupt nicht, und die SPLM fürchtet daher, dass Khartum das Referendum verzögern oder manipulieren möchte. Denn nicht die Autonomieregierung in der südsudanesischen Hauptstadt Juba organisiert die Volksabstimmung, sondern Sudans Regierung in Khartum.

Während nach offizieller Darstellung der Termin des 9. Januar unerschütterlich feststeht, liegen die Vorbereitungen im Zeitplan zurück. Erst letzte Woche begann überhaupt die Registrierung der Wahlberechtigten. Sie soll am 1. Dezember enden. Zwar wurden im Sudan die Wähler schon vor einem Jahr einmal registriert, vor den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen von 2010, aber für das Südsudan-Referendum muss ein neues Wahlregister her. Alle Südsudanesen, egal wo sie leben, dürfen an der Abstimmung teilnehmen.

Manche Beobachter fürchten, dass Khartum zahlreiche "nichtsüdliche" Sudanesen auf die Listen setzen will, die dann entweder gegen eine Abspaltung stimmen oder gar nicht am Referendum teilnehmen, so dass die nötige Mindestbeteiligung für eine Gültigkeit der Abstimmung unter 60 Prozent sinkt. Schätzungen zufolge gibt es im Südsudan selbst rund 4,5 Millionen Wahlberechtigte, dazu jeweils eine halbe Million im Norden des Landes sowie im Exil, vorrangig in den Nachbarländern Äthiopien, Kenia und Uganda.

Allerdings ist unklar, wer genau als Südsudanese zu gelten hat, da viele Sudanesen aus Mischehen zwischen Arabern aus dem Norden und Schwarzafrikanern aus dem Süden stammen. Hier favorisiert die NCP eine losere Definition als die SPLM. Diese wiederum wirft der NCP vor, bei der Registrierung die Telefonnummern der Registrierten aufzuschreiben, um sie später einschüchtern zu können. Außerdem seien im Südsudan nicht genügend Materialien für eine vollständige Registrierung eingetroffen.

Die Wählerregistrierung ist nicht der einzige Streitpunkt zwischen den beiden Konfliktparteien, der bis zum Referendum geklärt sein sollte. Ungeklärt sind unter anderem auch die genauen Grenzen zwischen Nord und Süd, der zukünftige Umgang mit dem über Nordsudan exportierten Erdöl Südsudans und mit den Staatseinnahmen daraus sowie die Frage der Staatsbürgerschaft für Südsudanesen im Nordsudan nach einer möglichen Spaltung des Landes. Die SPLM hat außerdem die UNO aufgefordert, eine Pufferzone in sensiblen Grenzzonen zwischen Nord und Süd einzurichten.

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3 Kommentare

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  • S
    Sanatso

    Ich gebe Titanic aber recht. Der Westen, die Vereinten Nationen und im Grunde die weiße priviligierte Erdbevölkerung bekam ihr Versagen anhand 800.000 Toten in Ruanda 1994 vorgeführt. Allein dies sollte Antrieb genug sein, nun mobil zu machen gegen die kommende Katastrophe. Stattdessen sitzen wir gelähmt in unseren Sesseln und werden, sofern nichts passiert, bald vollkommen selbstverständlich Toteszahlen ähnlicher Dimensionen mitgeteilt bekommen.

    Vielleicht ist nicht nur die "Politik" Bashirs rassistisch, sondern unsere innerste Grundeinstellung gegenüber den Menschen anderer Länder, in diesem Fall einer weitentfernten und weitesgehend unbekannten Region der Erde.

    Was man aber nicht leugnen kann ist, dass wir gehörig daran teilnehmen, wie sich diese Ungerechtigkeiten vorantreiben. Und letzendlich sind es Ungerechtigkeiten, die Konflikte schüren.

    China liefert die Waffen in den Sudan, China ist unser Technikliferant No.1, vielleicht sollte man auch auf diesem Wege agieren?

  • N
    Nico

    Du hast ja recht, was dort geschieht ist grausam und es ist in der Tat ein kolossales Armutszeugnis, dass bis heute sich dort nichts wesentlich gebessert hat.

     

    Aber glaubst du doch nicht, dass sich Frieden in Darfur über die Kommentarspalte auf taz.de herstellen lässt. Diskutieren kann mensch nur dort, wo er auf Grundlagen zurückgreifen kann. Die gibt es beim Thema Darfur leider nur sehr spärlich.

     

    Das Thema muss in die Öffentlichkeit, das geschieht nicht per Kommentar auf taz.de.

     

    SAVE-DARFUR.ORG

    DARFUR-HILFE.ORG

  • T
    titanic

    Null Kommentare bisher.

     

    Das ist irgendwie sehr bezeichnend, finde ich.

     

    Afrika steht unmittelbar vor dem nächsten verheerenden bewaffneten Großkonflikt und einem erneuten Genozid (ausgelöst durch das sudaneisch-islamistische Völkermordregime Bashirs, dass bereits den Genozid in Darfur zu verantworten hat).

     

    Wo waren und wo sind all die edlen linken "Friedensfreunde" hier im Westen, wenn es um die Solidarität mit den Opfern des völkermordenden Bashir-Regimes geht, dass sich gerade dazu anschickt, den schwarzafrikanischen und mehrheitlich christlichen und animistischen Süden ebenso mit Genozid zu überziehen, wie die Provinz Darfur?

     

    Niemand scheint sich hier darüber zu empören, dass der mit internationalem Haftbefehl gesuchte Völkermörder Bashir problemlos durch die islamischen Länder reisen kann, wo er überall als gefeierter Staatsgast empangen wird, und wo ihm weitere Finanzielle und militärische Hilfen für seine islamistisch-rassistische Auslöschungsagenda zur Verfügung gestellt werden.

     

    Was für ein jämmerliches Armutszeugnis, für unsere angeblichen "Friedensfreunde"!

     

    Ich danke der taz dafür, dass sie dennoch versucht, mit gutem Journalismus auf das Thema aufmerksam zu machen.