: Unabhängigkeit allein reicht nicht
Mehrere Bücher erinnern an den „Herero-Aufstand“ vor 100 Jahren in Deutsch-Südwestafrika
Ein Ereignis, das genau hundert Jahre zurückliegt, erlangt manchmal eine gewisse Aufmerksamkeit in den Medien, die es sonst als eher nicht so wichtig einschätzen. Etwa der Kampf der Afrikaner gegen die deutsche Kolonialmacht in der damaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia. Er begann vor gut hundert Jahren, am 12. Januar 1904, und war bis heute weitgehend in Vergessenheit geraten. Inzwischen hat aufgrund der Jahrestagsberichte fast jeder schon mal etwas gehört von diesem Krieg, der bei uns als „Herero-Aufstand“ in die Geschichte eingegangen ist.
Wer sich, neugierig geworden, etwas ausführlicher über dieses Thema informieren will, dem sei der von Jürgen Zimmerer und Joachim Zeller herausgegebene Sammelband „Völkermord in Deutsch-Südwestafrika“ empfohlen. Er bietet solides Basiswissen auf dem neuesten Stand der Forschung. Und er befasst sich mit den Kontinuitäten dieses Krieges im deutschen „Mutterland“. Vieles, was die Nazis wenige Jahrzehnte später in Deutschland zur Perfektion brachten, wurde erstmals in Deutsch-Südwestafrika erprobt. So der Gebrauch des „Konzentrationslagers“ – man nannte es auch damals schon so. Tausende von Kindern, Frauen und Männern wurden damals interniert und dem Tod durch Hunger und Zwangsarbeit ausgeliefert, einzig und allein weil sie einer bestimmten „Rasse“ angehörten. Man schätzt, dass in diesem Krieg und der darauf folgenden Gefangenschaft 80 Prozent der Herero-Bevölkerung und 50 Prozent der Nama ihr Leben verloren. Historiker sprechen daher von einem Völkermord.
Mit dem Ruf „Wem gehört Herero-Land? – Uns gehört Herero-Land!“ sollen 1904 die Herero-Frauen ihre kämpfenden Männer angefeuert haben. Und so lautet auch der Titel eines sehr lesenswerten Arbeitsbuchs, in dem die Ereignisse von 1904 für den Unterricht aufbereitet sind und das vor allem für LehrerInnen interessant sein dürfte. Der Band enthält einen ausführlichen Materialteil mit zeitgenössischen Originaltexten und eine Einführung in die aktuelle historische, juristische und theologische Diskussion. Letztere beschäftigt sich u. a. mit der widersprüchlichen Rolle, die die Mission bei diesem Kampf gespielt hat. Im Anhang gibt es eine umfangreiche Literaturliste für Interessierte zum Weiterlesen.
Mit dem heutigen Namibia befasst sich der von Henning Melber herausgegebene Band „Namibia. Grenzen nachkolonialer Emanzipation“. Hier kommen Autoren zu Wort, die die einstige Befreiungsbewegung und heutige Regierungspartei Swapo jahrelang unterstützt haben. Nun wagen sie eine erste Zwischenbilanz – solidarisch, doch kritisch. „Diejenigen, die eine staatliche Unabhängigkeit und das Selbstbestimmungsrecht der Menschen Namibias aktiv erkämpft oder wohlwollend unterstützt haben, sollten damit die Geschichte nicht für erledigt erklären“, schreibt Melber im Vorwort. Gerade jetzt, nach Erlangung der Unabhängigkeit, sei die „hartnäckige Einforderung und Anmahnung“ nicht eingelöster emanzipatorischer Zielvorstellungen notwendig. URSULA TRÜPER
Jürgen Zimmerer, Joachim Zeller (Hg.): „Völkermord in Deutsch-Südwestafrika. Der Kolonialkrieg (1904–1908)“. Ch. Links Verlag, Berlin 2003, 276 Seiten, 22,90 Euro Hanns Lessing u. a. (Hg.): „ ‚Uns gehört Hereroland‘. Namibia 1904–2004“. Materialsammlung, Ökumenische Werkstatt, Wuppertal 2003. 185 Seiten + Multimedia-CD, 10 Euro Henning Melber (Hg.): „Namibia. Grenzen nachkolonialer Emanzipation“. Brandes & Apsel, Frankfurt am Main 2003, 224 Seiten, 16,90 Euro