Umweltschutz in postsowietischen Länden: Die Regierung als Feind der Umwelt

Warum Um­welt­ak­ti­vis­t:in­nen in postsowjetischen Ländern oft zur älteren Generation gehören und die junge Menschen dort nicht aktiv werden.

Alexandra Koroleva aus Uzbekistan, Luisa Neubauer und weiter Klimaaktivistinnen.

Aktivistin Alexandra Koroleva (mitte) setzt sich nun in anderen Ländern für Klimaschutz ein Foto: Björn Kietzmann/dpa

Von TIGRAN PETROSYAN

Auf Usbekisch heißt „Fridays for Future“ „Kelajak uchun juma“. Auch für viele Us­be­k:in­nen hat der Freitag eine besondere Bedeutung: Er gilt als Tag des gemeinsamen Gebets. Klimastreik und Umweltschutz dagegen sind Fremdwörter in dem postsowjetischen Land in Zentralasien. „Die Mehrheit der Bevölkerung in Usbekistan hat eine konsumierende Einstellung zur Natur“, sagt Farida Sharifullina. Sie ist 61 Jahre alt und Umweltaktivistin in der Hauptstadt Taschkent.

Sie erzählt von Menschen, die jedes freie Grundstück beackern, um landwirtschaftliche Erträge zu erzielen, und Wälder für Brennholz zerstören. Außerdem achtet kaum jemand darauf, Wasser zu sparen – weder in der Land­wirtschaft noch im eigenen Haushalt.

„Doch der größte Feind der Umwelt ist die Regierung“, sagt sie. Die Behörden genehmigen umweltschädliche Bauprojekte, die Parks, ja ganze Stadtteile mit eigener Grünzone und eigenem Mikroklima zerstören. Im Gegenzug entstehen Wohnhochhäuser und Geschäftszentren, errichtet von Firmen, die hochrangigen Beamten gehören.

„Wer sich für den Umweltschutz in Usbekistan einsetzt, der sollte gegen die Regierung kämpfen“, sagt Sharifullina. Die Regierung verbietet jegliche Demonstrationen, die Organisatoren können schwer bestraft werden. Deshalb gibt es in Usbekistan auch faktisch keine Kundgebungen oder Mahnwachen zur Verteidigung irgendeines Parks.

"In den Schulen in Kaliningrad weiß man allenfalls, dass der Eisbär seine letzte Eisscholle bald verlieren könnte."

Alexandra Korolewa, Leiterin der Umweltorganisation Ecodefense

Umweltaktivistin stellt Antrag auf politisches Asyl

„Es ist praktisch unmöglich, NGOs für den Umweltschutz zu registrieren“, sagt sie. Aktivismus für die Umwelt findet vor allem in den sozialen Netzwerken statt. Dort diskutieren Use­r:in­nen in unterschiedlichen Gruppen über umweltschädliche Bauvorhaben und das Recyceln von Müll.

Die meisten Um­welt­­ak­ti­vis­t:in­nen in Usbekistan gehören zur älteren Generation. So auch die Philologin und Dolmetscherin Sharifullina selbst. Sie schreibt Texte, verfasst Petitionen und klärt ihre Landsleute auf Facebook über die Folge der Klimakatastrophe auf.

Warum interessiert sich die jüngere Generation hier nicht wie anderswo für die Umwelt? „Schüler:innen und Stu­den­t:in­nen stehen dauerhaft unter Duck: „Sie sollen sich der Staatsmacht vollkommen unterordnen“, sagt Sharifullina ,„und wer das nicht machen will, verlässt das Land dauerhaft.“

Alexandra Korolewa hat ihr Land verlassen, aber nicht dauerhaft. Das, hofft sie zumindest. Die 66-jährige Biologin und Umweltaktivistin aus Kaliningrad hat im Jahr 2019 in Deutschland einen Antrag auf politisches Asyl gestellt.

Der Stellenwert der Klimaproblematik ist niedrig

1993 stieß sie zu „Ecodefense“ – der ältesten russischen Nichtregierungsorganisation für Umweltschutz und wurde später dortige Leiterin. Anfang Juni 2019 erhielt Korolewa Post von der Staatsanwaltschaft, dass gegen sie ein Strafverfahren eingeleitet worden sei. Sie weigerte sich, eine verhängte Geldstrafe zu bezahlen, was in Russland mit mehreren Jahren Haft geahndet werden kann.

taz-lab-Tickets

Der Ticketverkauf für das digitale taz lab am 24. April erfolgt über unser Ticketportal.

Wie immer greift unser solidarisches Modell mit Preisen zu 40€ (Normalpreis), 20€ (ermäßigter Preis) und 60€ (politischer Preis).

Die Tickets des taz lab 2020 gelten auch für das Jahr 2021. Kontaktieren Sie uns unter tazlab@taz.de oder warten Sie auf unsere E-Mail zur Übermittlung der digitalen Zugänge.

Das Programm für das digitale taz lab 2021 finden sie hier.

Wie andere Nichtregierungsorganisationen, die finanzielle Mittel aus dem Ausland erhalten, wurde auch Ecodefense seit 2014 als „ausländischer Agent“ geführt. Korolewa entzog sich bereits ihrer ersten Vernehmung und flüchtete nach Deutschland. Genau wie ihre Kollegin aus Usbekistan kann auch sie bisher nur davon träumen, dass für Fridays for Future in Russland mehr als fünf Personen auf die Straße gehen. Der Grund dafür: die Klimaproblematik besitzt einfach keinen hohen Stellenwert.

„In den Schulen in Kaliningrad weiß man allenfalls, dass der Eisbär seine letzte Eisscholle bald verlieren könnte“, sagt sie. Einmal ist das Tier tatsächlich schon vor Kaliningrad aufgetaucht. Das Schulsystem allein ist aber nicht ­daran schuld, weiß Alexandra Korolewa: „Es genügt, das Wort Klima­streik in den Mund nehmen, und schon ist man in Konflikt mit der Polizei“, sagt sie.

Die Um­welt­ak­ti­vis­tin­nen Farida Sharifullina und Alexandra Korolewa kommen zum digitalen taz lab und berichten.