Umweltschutz in der Praxis: Druck machen für das Klima
Energieverbrauch, Papieraufwand, Farbabfälle: Das Bedrucken von Papier ist nicht besonders umweltverträglich. Doch einige Unternehmen steuern dagegen - und bieten klimaneutrales Drucken an.
BERLIN taz | Wenn die Klimadelegierten in Kopenhagen tagen, machen allerhand Papiere die Runde: Strategie-Blätter, Pressemitteilungen, am Ende womöglich ein neues Klimaschutzabkommen. Doch hinter jeder bedruckten Seite steckt ein aufwändiger Produktionsprozess, verbunden mit jeder Menge Kohlenstoffdioxid-Emissionen.
CO2 , Staub, Lärm, Farbreste, Aluminiumabfälle - eine Druckerei produziert vieles, was für die Umwelt wenig verträglich ist. Die gravierendsten Auswirkungen jedoch sind mit der grundlegenden Ressource des Gewerbes verbunden: Papier. "Fast 80 Prozent der Emissionen entfallen auf die Papierherstellung", weiß der Bereichsleiter Umwelt des Druckhauses Berlin-Mitte, Dieter Ebert. 4.550 Tonnen Papier hat sein Unternehmen im Jahr 2008 für den Druck von Büchern, Broschüren oder Kalendern verbraucht, so steht es in der diesjährigen Umwelterklärung des Unternehmens.
Eine solche muss veröffentlichen, wer sein Umweltmanagement-System nach dem "Eco Management and Audit Scheme" (EMAS) der EU zertifizieren lässt. "Für klein- und mittelständische Unternehmen wie uns ist das eine ganz schöne Kraftanstrengung, denn wir können uns nicht wie die Großen eine eigene Umwelt-Abteilung leisten", sagt Ebert. Er selbst koordiniert nicht nur die Umweltpolitik des Druckhauses Berlin-Mitte, sondern ist auch für Qualitätsmanagement, Personal und Öffentlichkeitsarbeit zuständig.
Um das Unternehmen grün auszurichten, brauchte es die Bereitschaft zur Umgewöhnung unter den 94 MitarbeiterInnen und 13 Azubis des Druckhauses: Bei der Umstellung auf ein neues "Paper-Management" brauchte es ein Jahr bis zum reibungslosen Ablauf. Nach Schweizer Vorbild hält die Druckerei nun nicht mehr riesige Mengen an Papier in einem eigenen Lager bereit, sondern ordert jeden Morgen den Bedarf für die nächsten 24 Stunden. Wenn der Händler dann nachmittags liefert, nimmt er überschüssiges Material gleich wieder mit. "Jetzt geht der Drucker bewusster mit dem Material um, denn er hat ja keine Chance, aus dem Lager nachzufassen. Damit sparen wir jede Menge Kosten", sagt Ebert.
Und Papier. Das freut auch Stefan Seum vom Berliner Büro des Öko-Instituts: "Je weniger Flächen für den Anbau von Bäumen für Papier genutzt wird, desto mehr gibt es für nachwachsende Rohstoffe zur Energie-Erzeugung." So könnten fossile Energieträger mehr und mehr verdrängt werden. Am besten sei deswegen die Verwendung von recyceltem Papier. "Technisch ist es möglich, ein Druckerzeugnis aus 100 Prozent Altpapier herzustellen", so Seum. Doch auf welchem Papier gedruckt wird, das bestimmt der Kunde. "Es erfordert viel Aufklärungsarbeit, einen Kunden von der geringeren Umweltbelastung durch Recyclingpapier oder Erzeugnissen aus nachhaltiger Forstwirtschaft zu überzeugen", erzählt Martin Lind, beim Druckhaus Berlin-Mitte für den Vertrieb zuständig.
Doch in vielen anderen Bereichen kann die Druckerei selbst entscheiden: Etwa durch die Verwendung von Ökofarben, deren Bindemittel nicht mehr aus Mineralöl, sondern aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen. Oder durch den Wechsel zu einem Ökostrom-Anbieter, durch den der Hauptsitz inmitten des Zeitungsviertels an der Schützenstraße sowie das Werk im brandenburgischen Großbeeren ausschließlich mit Wasserkraft versorgt werden. Zudem bietet die Druckerei ihren Kunden seit über einem Jahr die Option "klimaneutrales Drucken" an.
Die hat auch die Druckerei Oktoberdruck in Friedrichshain im Portfolio. Doch wie beim Druckhaus Mitte, so führt sie auch hier noch ein "absolutes Nischendasein", meint Martina Fuchs aus dem Vorstand des selbst verwalteten Unternehmens. Auf "höchstens ein Prozent" schätzt sie den Anteil der AuftraggeberInnen, die sich für die Klimaneutralisierung entscheiden. Wer das tut, dem wird zunächst vorgerechnet, was sein Auftrag an CO2 -Emissionen verursacht, diese können dann durch eine Zusatzzahlung ausgeglichen werden.
Emissions-Ausmaß und Ausgleichsbedarf eines Druck-Erzeugnisses hängt von vielen verschiedenen Parametern ab; der Bundesverband Druck und Medien etwa rechnet auf seiner Internetseite mit Treibhausgasemissionen in Höhe von 1,9 Tonnen CO2 -Äquivalenten beim Druck einer achtseitigen, farbigen Broschüre mit einer Auflage von 10.000 Stück. Pro Tonne berechnet die Agentur Climate Partner 12 Euro, die dann etwa in ein Wasserkraftwerk in Guatemala oder ein Waldschutzprojekt im Kongo fließen. "Wenn da für einen Druckauftrag nur ein oder zwei Euro rauskommen, sind viele richtiggehend enttäuscht", berichtet Fuchs. "Denen kann man nur empfehlen, sich grundsätzlicher mit dem Thema Klimaschutz zu beschäftigen und andere Bereiche ihres Lebens zu finden, in denen sie etwas machen können."
Oktoberdruck ist seit der Gründung im Jahr 1973 im Besitz der aktuellen und ehemaligen MitarbeiterInnen, 2001 zog das Unternehmen vom Kreuzberger Paul-Lincke-Ufer an die Oberbaumbrücke. Schon Mitte der Neunziger unterzog sich das Kollektiv der EMAS-Prüfung, "zu einer Zeit, in der das wirklich gar keinen interessiert hat und im Vertrieb eher noch verschwiegen wurde, um nicht in die Öko-Ecke gestellt zu werden", erinnert sich Fuchs.
Doch auch unter der Belegschaft war die Umweltmanagement-Zertifizierung einst heftig umstritten: "Viele haben es sehr kritisch gesehen, sich der Berater-Kaste anheimzugeben und sich darüber enorme Aufwände und Kosten aufzubürden." Inzwischen habe man die Vorteile eines kontinuierlichen Blicks von außen auf die Entwicklungen in Umweltschutz, Qualität und Arbeitssicherheit schätzen gelernt.
Und auch in Kundenkreisen stößt der nachhaltige Ansatz auf ein immer größeres Echo: "Wir haben einerseits eine gewachsene Kundenstruktur, die seit vielen Jahren Wert auf unsere Art der Geschäftspolitik legt, aber noch nie ein Label wollte. Jetzt kommen zunehmend auch Leute, die für ihre Außendarstellung Zertifikate für nachhaltige Waldbewirtschaftung oder Klimaneutralität brauchen", so Fuchs.
Nur ein großer Auftraggeber der Branche scheint die Zeichen der Zeit noch nicht erkannt zu haben. "Bewerbungen auf Ausschreibungen öffentlicher Verwaltungen sind für uns erfahrungsgemäß nicht erfolgreich: Dabei wird meist der genommen, der billiger ist", so Fuchs nüchtern. Dass staatliche Stellen bei ihrer Auftragsvergabe etwa ein Umweltmanagement-System verlangen, gehöre zu den absoluten Ausnahmen. Wenn, dann haben Anbieter wie Oktoberdruck gleich gute Karten: Den Auslagentisch mit eigenen Produkten von Oktoberdruck zieren auch Broschüren der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung.
"Einige wenige unter den öffentlichen Auftraggebern haben eine Leuchtturm-Funktion", bestätigt Martin Lind vom Druckhaus Berlin-Mitte. Aber insgesamt würden ökologische Kriterien sträflich vernachlässigt, egal ob es um kommunale Behörden, Landes- oder Bundeseinrichtungen gehe. "Ich habe mal die letzten vier Monate auf einem entsprechenden Portal alle Ausschreibungen nach umweltrelevanten Begriffen gefiltert - da gab es maximal eine Ausschreibung für den Einkauf von Recycling-Kopierpapier, mehr nicht. Aber wenn ich die Emissionen reduzieren will, dann muss ich doch diese Anreize setzen!"
Tatsächlich hatte das Abgeordnetenhaus bereits im Jahr 2008 beschlossen, dass der Senat, alle Landesbehörden und die Bezirke bei ihren Ausschreibungen auch ökologische Zuschlagskriterien anwenden sollen. Der Beschluss, der formal nicht bindend ist, wird von der Landesregierung jedoch weitgehend ignoriert. Im kommenden Jahr sollen die Vorgaben in ein Gesetz gefasst werden. Welche konkreten Auswirkungen das auf die Bestellungen bei Druckereien hat, ist noch unklar.
Linds Kollege, der Umweltbeauftragte Dieter Ebert, hat vor sich Unterlagen ausgebreitet: Statistiken von Gesamt- und Pro-Kopf-Ausstößen, Diagramme über Temperaturanstiegs-Szenarien und Prognosen zur Entwicklung der Weltbevölkerung. "Wir sind an einem richtigen Scheideweg, das muss in die Köpfe rein!", ruft er.
Auf etwa 200 schätzt Ebert die Zahl der Druckereien in Deutschland, die Ökologie und Nachhaltigkeit ins Zentrum ihres Unternehmens gerückt haben. Damit es mehr werden, gründen sie beim Druckhaus Berlin-Mitte im kommenden Jahr ein Informationszentrum für Nachhaltigkeit in der Druckindustrie. "Wenn ein Mitbewerber mit der gleichen Philosophie dann einen Auftrag kriegt, bin ich doch zufrieden", sagt Ebert. "Dann hat doch einer von uns den Job bekommen!"
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs