■ Umweltminister Trittin hilft der Atomindustrie aus der Klemme: Für die Grünen läuft die Zeit ab
„Atomausstieg – nur mit uns“ war das Motto, mit dem die Grünen vor einem Jahr antraten. Bisher ist es ihnen nicht gelungen, die Stilllegung der Reaktoren zu organisieren. Das liegt nicht allein am Umweltminister, auch nicht an seiner Partei. Eher schon am Koalitionspartner. Aber es ist eine Tatsache.
Nun aber muss Jürgen Trittin bald entscheiden, was er will. Und mit ihm die Grünen. Denn es geht ans Eingemachte: Die Atomstromer wollen Erfolge – umgesetzt von grünen Protagonisten. Der Minister hat angekündigt, dass im Januar der Transportstopp aufgehoben wird. Das wird was werden: Castor von Neckarwestheim nach Ahaus, genehmigt vom grünen Präsidenten des Bundesamts für Strahlenschutz, durchgesetzt vom grünen Polizeipräsidenten von Münster und gerechtfertigt vom grünen Umweltminister. Und das kurz vor den NRW-Wahlen.
Es kommt noch dicker. Sechs AKWs gehen bald vom Netz, weil kein Platz für den Atommüll mehr bleibt, zuerst Stade. Eigentlich! Doch letzten Freitag kommt Trittin fröhlich vom Treffen mit den Strombossen und berichtet: „Diese Probleme werden wir lösen. Es gibt durchaus Möglichkeiten, den Termin für die Stilllegung hinauszuschieben.“ Das war – freundlich ausgedrückt – nicht unbedingt das, was seine WählerInnen von Trittin erwartet haben.
Die sich anbahnende „Verstopfung“ der Reaktoren, ausgelöst durch den Transportestopp anlässlich des Kontaminationsskandals, ist die bisher existenziellste Krise der Atomwirtschaft. Die AKW-Betreiber stehen am Rande des Abgrunds. Wenn Jürgen Trittin in dieser Situation nichts anderes einfällt, als intensiv darüber nachzudenken, wie er sie vor dem Absturz retten kann, dann läuft was falsch. Sehr falsch! Es bleibt kaum noch Zeit. Wenn Anfang nächsten Jahres der Castor wieder rollt und wenn Stade im Februar nicht vom Netz geht, dann ist sie abgelaufen. Dann kann Trittin gehen. Und mit ihm seine Partei.
Jochen Stay
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