Umweltkatastrophe in Italien: Eine Million Liter Öl eingesammelt

Noch immer weiß niemand, wie viel Öl in Italien in Lambro und Po gelaufen ist und wer die Verantwortung trägt. Ferrara droht eine Trinkwasserkatastrophe.

Mit wurstartigen Rollen wird das Öl absorbiert - wie hier in San Zenone. Bild: ap

Es sind die unschönen Bilder einer Ölpest: Kormorane, die mit ihrem verklebten Gefieder im Unterholz des Flussufers hängen bleiben, unnatürlich schwarz glänzende Enten, die von Helfern eingesammelt werden, dazu von einer dicken Ölschicht bedeckte Uferböschungen und ein Fluss, durch dessen grüngraues Wasser sich über Dutzende Kilometer die schwarzen Petroleumschlieren ziehen.

Italien erlebt in diesen Tagen ein wahres Umweltdesaster, doch am Freitagmittag gab sich Guido Bertolaso, Chef des italienischen Zivilschutzes, mal wieder optimistisch. Vertrauenerweckend in die Kameras lächelnd, erklärte er, die am Donnerstag bei einem Wasserkraftwerk in der Nähe von Piacenza errichtete Barriere gegen die Ölpest auf dem Po halte offenbar stand - die Gefahr einer Verseuchung auch des unteren Flusslaufs sei jetzt wohl gebannt. Dann aber setzte er gleich nach mit der Auskunft, zugleich würden zwei weitere Barrieren in Richtung Ferrara, und Richtung Po-Delta errichtet. Allzu sehr traute er selbst wohl seinem Zweckoptimismus nicht.

Ob der Zivilschutzchef richtigliegt, wird Italien am Samstag wissen - an dem Tag, an dem tausende Kubikmeter des klebrigen, schwarzen Breis, der seit Dienstag erst in den Lambro und dann in den Po geflossen war, bei Ferrara erwartet werden. Für die Renaissancestadt Ferrara wäre das eine mittlere Katastrophe: Die 140.000-Einwohner-Kommune gewinnt ihr Trinkwasser aus dem Po.

Eine mittlere Katastrophe droht auch dem Po-Delta, wenn der Ölflut nicht vorher Einhalt geboten wird: Das Po-Delta ist eines der größten Feuchtgebiete Europas - und es ist eine zentrale Drehscheibe für die Zugvögel auf ihrem Weg von Afrika nach Nordeuropa.

Überall am Po saugen jetzt Pumpen das Öl ab, das durch Barrieren mehr schlecht als recht aufgehalten wird. Und ganz so, als würde hier der Wettlauf zwischen Hase und Igel neu gegeben, sind die Zivilschützer und Feuerwehrleute flussabwärts unterwegs mit ihren Gerätschaften, mit ihren wurstartigen Rollen, die das Öl absorbieren sollen. "Lediglich 5 bis 10 Prozent" des giftigen Zeugs - so meint Zivilschutzchef Bertolaso - werden am Ende noch in den Flüssen bleiben, ganz so, als wäre das ein Klacks.

Doch in Italien weiß immer noch niemand: 5 Prozent wovon eigentlich? Die einen reden von "gerade mal" 600.000 Litern, die anderen von bis zu 10 Millionen Litern, die da am Dienstag aus den Öltanks der ehemaligen Raffinerie bei Monza, nordöstlich von Mailand, geflossen sind. Bisher schon ist allerdings angeblich 1 Million Liter wieder eingesammelt worden.

So unsicher die Menge ist, so sicher ist der Grund der Katastrophe: Italien erlebte ein Umweltverbrechen. Gleich mehrere Tanks leckten plötzlich am frühen Dienstagmorgen; jemand muss die Ventile mutwillig beschädigt haben.

Damit wurde das Augenmerk der Öffentlichkeit auch auf den sorglosen Umgang der Betreiber mit ihrer Anlage gerichtet: Der einzige Nachtwächter hatte wie immer um 3.30 Uhr das große Raffineriegelände verlassen - und erst um 8.30 Uhr entdeckten die Arbeiter bei ihrem Schichtbeginn die Sauerei.

Eine Sauerei, die die Behörden anfangs offenbar völlig unterschätzten. Weitere wertvolle Stunden vergingen, bevor überhaupt der Zivilschutz und die Präfekturen alarmiert wurden. Bezeichnend die Worte des Präsidenten der an Monza angrenzenden Provinz Lodi, den die Tageszeitung il manifesto zitiert: "Erst am Nachmittag wurden wir überhaupt benachrichtigt, und auch nur von einem ,Ölaustritt' in den Fluss Lambro, nicht von einer Umweltkatastrophe."

Völlig im Dunklen liegt bisher, wer hinter dem Verbrechen steckt. Auf dem Raffineriegelände ist - ausgerechnet - eine sogenannte Ecocity geplant. Dort sollen schon binnen weniger Jahre hunderte Menschen in nach ökologischen Maßstäben errichteten Wohnungen leben.

"Wir gehören doch zu den Geschädigten", weist die Investorenfamilie den Verdacht zurück, da werde ein Projekt auf kriminelle Weise beschleunigt. Doch die Spekulationen richten sich auf gierige Subunternehmer, die nicht abwarten können, oder auf Mafiosi aus der kalabrischen Ndrangheta, die auch im Großraum Mailand aktiv sind - und die angeblich an dem 500-Millionen-Euro-Projekt mitverdienen möchten.

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