Umweltgipfel "Grenelle": Frankreich entdeckt den Umweltschutz
Mehr Biolandwirtschaft, besser isolierte Häuser, Förderung der Bahn - Regierungsvertreter und gesellschaftliche Gruppen schnüren ein Öko-Paket. Unangetastet bleibt die Atomkraft.
PARIS taz Frankreich plant wieder eine Revolution - diesmal eine "grüne". Staatspräsident Nicolas Sarkozy kündigte am Donnerstag zum Ende des französischen Umweltgipfel "Grenelle" zahlreiche Umweltschutzmaßnahmen an. Der Pesitizideinsatz in der Landwirtschaft soll um 50 Prozent sinken, der Anbau von genmanipuliertem Mais im Freiland soll ausgesetzt, die Flächen für biologische Landwirtschaft bis 2012 verdreifacht werden. Zudem sollen die französischen Häuser besser isoliert und das Eisenbahnnetz ausgebaut werden. Die von UmweltschützerInnen erhobene Forderung nach einer CO2-Steuer blieb hingegen bis zum letzten Moment umstritten. Und das Thema Atomenergie hatte es gar nicht erst auf die Tagesordnung des "Grenelle"-Gipfels geschafft.
Bereits im Wahlkampf hat Nicholas Sarkozy die Umweltpolitik als Thema entdeckt und - wie alle anderen KandidatInnen auch - den "Umweltpakt" des Journalisten Nicolas Hulot unterzeichnet. Die im Juli begonnenen Debatten zwischen MinisterInnen sämtlicher Ressorts, Gewerkschaften, Unternehmerverbände und Umweltschutzinitiativen endeten gestern mit einem Umweltgipfel.
Dessen Bezeichnung "Grenelle" verweist nicht nur auf eine Adresse in Paris. In Grenelle sind 1968 nach einem wochenlangen Streik auch die größten sozialen Fortschritte der Nachkriegsjahrzehnte für Frankreichs Beschäftigte ausgehandelt worden.
Die Ergebnisse des neuen "Grenelle"-Gipfels lösten überwiegend positive Reaktionen aus. Greenpeace-Sprecher Yannick Jadot äußerte sich "global zufrieden". Vor allem wegen der Absicht, den Energieverbrauch und die Schadstoffabgaben vom Kfz- und LKW-Verkehr zu verringern und den Wohnraum besser zu isolieren. Zugleich nannte er es "schade", daß der Atomsektor, der in Frankreich 85 Prozent der Energie produziert, nicht zur Sprache gekommen ist.
Für den Unternehmerverband Medef, erklärte Alain Campas, die meisten bei dem Grenelle beschlossenen Maßnahmen bringen "neue Aufträge und neue Arbeitsplätze, wir können daher nicht dagegen sein". Der grüne Parlamentsabgeordnete Noëel Mamère hingegen nannte den Gipfel eine "Marketingoperation". Unter anderem wies er darauf hin, daß Frankreich die Schließung von zahlreichen Güterverladeplätzen auf die Schiene plant. Obwohl der Gipfel eine Abkehr vom Straßengüterverkehr empfiehlt.
Skeptisch bis zum Schluß war auch der die mächtige Bauernvereinigung FNSEA. "Wir werden nicht alles schlucken", sagte Jean-Michel Lemetayer zu dem geplanten Verbot von 47 Molekülen, die in Pestiziden verwandt werden. Ähnliche äußerte sich auch der Vertreter der Fuhrunternehmer. Sie wollen zusätzliche Öko-Abgaben für LKWs, mit denen der Ausbau des Schienennetzes finanziert werden soll, nur hinnehmen, wenn gleichzeitig die Lohnnebenkosten sinken.
Die einzelnen Maßnahmen sollen bis Mitte Dezember konkretisiert und dann in Gesetzestexte gefaßt werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich