: Umweltengel für die Großbanken?
29 Großbanken legen eine Umweltdeklaration vor/ Das Umwelthaftungsrecht dürfte die Öko-Erkenntnisse beschleunigt haben/ Geschäftspraxis ist weit entfernt von ökologischem Handeln ■ Von Nicola Liebert
Vom Müsliriegel über phosphatfreie Waschmittel bis hin zu den Rüsselsheimer Autos — bald gibt es kein Produkt mehr, das sich nicht als umweltfreundlich ausgibt. Dem wollen die Banken nun nicht länger nachstehen: 29 Banken aus 22 Ländern unterzeichneten eine „Erklärung der Banken zu Umwelt und langfristig tragfähiger Entwicklung“, die auf dem Umweltgipfel in Rio vorgelegt werden soll. Die einflußreichsten Banken der Welt, aus den USA und Japan, sind übrigens nicht dabei — sie müßten sich noch intern abstimmen, heißt es. Bekommt nun die Ökobank Konkurrenz?
Wohl kaum. Selbst eine Sprecherin der Deutschen Bank, die maßgeblich an der Ausarbeitung der Erklärung beteiligt war, gab zu, daß man sich nur auf einen ganz kleinen Nenner geeinigt habe, damit sich möglichst viele Banken anschließen könnten. Die Formulierungen sind entsprechend schwammig.
Wirtschaftswachstum und nachhaltige Wirtschaftsweise, heißt es, seien grundsätzlich miteinander vereinbar. Umweltschutzmaßnahmen seien am ehesten im Rahmen von Marktmechanismen zu erzielen, womit staatlichen Eingriffen eine Absage erteilt wird. Eine langfristige tragfähige Entwicklung ist nach der Erklärung eine wesentliche Komponente erfolgreicher Unternehmensführung, wobei den Finanzinstituten eine wichtige Rolle zukomme. Am konkretesten werden die Ausführungen, wo die Aufnahme von möglichen Umweltrisiken in die Kreditrisikobewertung und die Durchführung von Umweltverträglichkeitsstudien zu diesem Zwecke empfohlen wird. Daß die Kreditnehmer geltende Umweltauflagen erfüllen sollten, kann jedoch als Selbstverständlichkeit gelten. Ob Kredite gestrichen werden, wenn dies nicht der Fall ist, bleibt dahingestellt. Immerhin wollen die Banken weiter an ihrer Rolle in der Umweltpolitik arbeiten. Unter der Ägide der UN-Umweltorganisation (UNEP) sollen weitere Gespräche darüber geführt werden, wie die Empfehlungen implementiert werden können.
Der wesentliche Grund für das plötzliche Interesse für Umweltschutz dürfte bei den Banken weniger die Einsicht in ökologische Notwendigkeit sein. Vielmehr ist es die Erkenntnis, daß Kreditnehmer, die Umweltschutzaspekte vernachlässigen, in ökonomische Schwierigkeiten geraten können und damit auch die Kreditgeber in Mitleidenschaft ziehen. Darüber hinaus befürchten die Banken, daß sie selbst eines Tages in die finanzielle Mitverantwortung für Umweltschäden gezogen werden können. In den USA, wo das Umwelthaftungsrecht schon immer strenger gehandhabt wurde als hierzulande, ist es bereits so weit. So manche Bank mußte für Umweltsanierungsmaßnahmen in Betrieben oder auf Grundstücken aufkommen, die sie als Sicherheit für Kredite angenommen hatte. Auch wenn ein Schuldner bankrott geht, müssen die Gläubigerbanken für Umweltschäden geradestehen. Der Kreditzufluß in umweltschädigende Industrie hat sich in den USA dementsprechend deutlich verringert.
Fragt sich nun, ob sich etwas ändern wird, wenn sich eine Bank der Erklärung anschließt. Das sei doch im Falle der deutschen Banken gar nicht nötig, wehrt die Deutsche- Bank-Sprecherin ab. Hierzulande seien die in der Erklärung genannten Empfehlungen doch schon selbstverständlich.
Das sehen die Kritischen Aktionäre der Deutschen Bank anders. Auf der Aktionärshauptversammlung letzte Woche in München wiesen Mitglieder dieser Organisation darauf hin, daß die Bank durch ihre Politik mitschuldig ist an der Umweltzerstörung in der sogenannten Dritten Welt. Vehement stemmt sich das größte deutsche Geldinstitut gegen einen umfangreichen Schuldenerlaß für diese Länder, obwohl ihr das finanziell nichts mehr anhaben könnte. Rund 85 Prozent der „notleidend“ genannten Kredite sind nämlich bereits abgeschrieben. Die immer weiter wachsende Verschuldung führt die betroffenen Länder zur rücksichtslosen Ausbeutung ihrer natürlichen Reichtümer, zum Export von Rohstoffen ohne jede Rücksicht auf die Natur.
Daß Armut und Umweltzerstörung unmittelbar zusammenhängen, hat neuerdings sogar die Weltbank begriffen, die ihre Politik künftig stärker auf Armutsbekämpfung ausrichten will. Die Großbanken tun jedoch bis auf wenige Ausnahmen nichts, um Armut und Elend ein wenig zu mildern, obwohl sie dadurch einen ungleich größeren Beitrag für die Umwelt leisten würden als durch die Verabschiedung schwammiger Deklarationen.
Auch ganz direkte Beteiligung an umweltzerstörenden Projekten kann den Banken nachgewiesen werden. Johanna Vinnemann von den Kritischen Aktionären nennt als Beispiel die teilweise Finanzierung der Ok- Tedi-Kupfermine in Papua-Neuguinea durch die Deutsche Bank. Im offenen Tagebau wird dort Kupfer gefördert, unter anderem durch deutsche Unternehmen, an denen die Großbanken Anteile halten. Der Kupferabbau führt zur Umweltkatastrophe: Im Ok-Tedi-Fluß gibt es aufgrund der Schwermetallbelastung fast keine Fische mehr, Ackerland und Regenwald sind so stark belastet, daß der Bevölkerung ihre Lebensgrundlagen entzogen werden.
Auf der Hauptversammlung äußerte sich der Vorstand der Deutschen Bank dazu nur ausweichend. Wann immer irgendwo ein großes, umweltgefährdendes Projekt entsteht, sind Großbanken mit ziemlicher Sicherheit an der Finanzierung beteiligt. Zum Beispiel in der Atomwirtschaft: Die Deutsche Bank finanzierte etwa das AKW Mühlheim- Kärlich. Bei den Stromkonzernen RWE und Veba, denen fast alle bundesdeutschen Atomkraftwerke gehören, hält die Deutsche Bank zehn Prozent der Anteile und stellt jeweils den Aufsichtsratvorsitzenden. Wenn sich die Deutsche Bank an die Umwelt-Deklaration wirklich halten wollte, müßte sie nun eigentlich bei den Elektrizitätsversorgern auf umweltfreundliche Energiegewinnung hinwirken und die Finanzierung von ökologisch unvertretbaren Großkraftwerken und AKWs einstellen.
Daß dies nicht sonderlich wahrscheinlich ist, und daß die Deutsche Bank der von ihr selbst miterarbeiteten Deklaration nicht allzu viel Bedeutung beimißt, zeigte sich auf der Hauptversammlung. Da wurden die neuen Öko-Absichten nur mit einem Satz ganz am Ende des Berichts an die Aktionäre erwähnt.
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