Umweltbundesamt schlägt Alarm: Gift in Gummistiefeln
Das Umweltbundesamt rät, Badeartikel, Sommerlatschen oder Taschenlampen zu meiden, die streng nach Gummi riechen. In ihnen steckt oft ein Krebsgift.
Das kennt jeder: Man hat neue Gummistiefel gekauft und verbannt sie erst mal auf den Balkon, weil sie stinken. Die Luftmatratze landet zum Lüften in der Garage. Nun schlägt das Umweltbundesamt Alarm. Denn Produkte, die nach dem Auspacken stark vor sich hin dünsten, können giftig sein. Andreas Troge ist Präsident der Behörde, die dem Umweltbundesministerium untersteht. Er sagte der taz: "Die Waren können mit gefährlichen PAK belastet sein."
PAK - das steht für Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe. Diese Giftmoleküle können Krebs in Lunge und Haut erzeugen, das Erbgut verändern und die Hormone durcheinander bringen. Sie sind im Tabakrauch enthalten. Sie entstehen auch beim Grillen. Und sie stecken in billigem Kunststoffen und Gummi, die mit Teerölen versetzt werden. Das sind Abfälle aus der Kohle- und Erdölindustrie, die das Material biegsamer machen.
Für das Öl, das Autoreifen weich machen soll, hat die EU bereits einen PAK-Grenzwert festgelegt - zehn Milligramm pro Kilogramm. Denn die Schadstoffe gelangen mit dem Abrieb auf die Straße, in den Boden und in das Grundwasser. Das Limit gilt ab 2010. Für Reifen in Spielzeugautos gibt es das nicht. Für Badelatschen oder Luftmatratzen, für Bodenbeläge oder Fahrradgriffe auch nicht. Das Bundesinstitut für Risikobewertung fordert nur , dass "PAK in verbrauchernahen Produkten so weit wie möglich minimiert werden sollten".
Das Umweltbundesamt schickt nun Gebrauchsgegenstände ins Labor. Chemiker sollen in den nächsten zwei Jahren untersuchen, ob sich die Industrie an die Empfehlung hält - und wie häufig die Krebsgifte auftauchen. Schon beim ersten Test staunten die Analytiker: In Badelatschen aus einem Berliner Warenhaus fanden sie extrem hohe Schadstoffwerte - 550 Milligramm pro Kilogramm. Den Namen des Herstellers will das Amt allerdings nicht nennen, er hat sein gefährliches Vier-Euro-Produkt aus den Regalen genommen.
Die PAK lösen sich beim Kontakt mit der Haut. Die Belastung ist freilich umso größer, je öfter man die Latschen trägt und je stärker die Füße schwitzen. Doch spielt die Dosis für die Chemieexpertin des Umweltbundesamtes, Johanna Wurbs, keine Rolle. - "Die Stoffe sind so gefährlich, sie sollten schlicht nicht drin sein."
Das PAK-Problem ist nicht neu. Die Stiftung Warentest hat das Gift schon 2005 in Werkzeugen und Elektrokabeln nachgewiesen, die in Baumärkten und Discountern angeboten wurden. Handelsketten wie Aldi reagierten damals prompt. Fortan forderten sie von ihren Lieferanten PAK-freie Werkzeuge.
Holger Brackemann von der Stiftung Warentest sagt: " In Stichproben von dem Discounter finden wir heute nur noch selten etwas." Andere, ungiftige Stoffe könnten Kunststoff und Gummi auch geschmeidig machen. Diese Alternativen sind zwar teurer. Aber: Es geht ohne PAK. Das sieht die Kunststoffindustrie hierzulande auch so. Kurt Stepping vom Verband Plastics Europe sagt: "PAK müssen weg, entsprechende Produkte vom Markt." Immerhin versprechen Hersteller, die das GS-Zeichen für "geprüfte Sicherheit" auf ihre Produkte kleben, seit April diesen Jahres auch einen PAK-Grenzwert einzuhalten.
Gebannt ist die Gefahr darum aber noch lange nicht. Warentester Brackemann: "Manche Branchen kümmern sich gar nicht." Viele Produzenten kauften die belasteten Materialien in Asien ein. Besonders verdächtig seien Abflusspümpel, Fensterwischer oder Taschenlampen: "alles, was schwarz, weich, billig ist."
Chemieexpertin Wurbs rät: "Gehen Sie der Nase nach!" Neues riecht nach strengem und etwas verbranntem Gummi, wenn es PAK enthält. Die Gewerbeaufsicht kontrolliert die Belastungen nicht automatisch. Das Umweltbundesamt sucht nun Chemiedetektive: Wem Produkte sehr suspekt vorkommen, der kann sich melden und eine E-Mail schicken an cmr-projekt@uba.de.
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