Umweltbundesamt-Chef: "Weniger Fleisch essen hilft"
Wird die Landwirtschaft klimafreundlicher, wenn Kühe auf Hochleistung getrimmt werden? Nicht automatisch, warnt Umweltbundesamt-Chef Jochen Flasbarth.
taz: Herr Flasbarth, müssen wir weniger Fleisch essen, weil beispielsweise bei der Rindermast viel Treibhausgas entsteht?
Jochen Flasbarth: Der Umfang des Fleischkonsums entzieht sich definitiv staatlicher Regulierung, das muss jede und jeder selbst entscheiden. Aber gleichzeitig steht fest: Wer weniger Fleisch isst, lebt gesünder und hat ja nicht weniger Lebensqualität. Also, insofern würde ich es SO sagen: Wenn man weniger Fleisch isst, tut man etwas für die Umwelt. Der Fleischkonsum ist in Deutschland übrigens bereits leicht rückläufig.
Aber der Staat könnte doch durch Steuern Fleisch verteuern.
Ich glaube, dass das nicht der richtige Ansatz ist. Die entscheidende Frage ist: Wie wird die Viehhaltung betrieben? Da gibt es verschiedene Instrumente, wie man an die Klimaemissionen herankommen kann, etwa die Effizienz der Fütterung zu verbessern oder Gülle erst in die Biogasanlage zu geben und die Gärrückstände als Dünger zu verwenden. Wir im Umweltbundesamt prüfen darüber hinaus, die intensive Tierhaltung in das Klimaschutzregime, etwa den Emissionshandel, einzubeziehen. Dann müssten die Betreiber dafür zahlen, Treibhausgase zu produzieren.
Ein Problem sind Kühe, die das Treibhausgas Methan ausstoßen. Agrarministerin Ilse Aigner (CSU) will das durch Kühe lösen, die Hochleistung bringen und mehr Milch liefern. Was halten Sie von dieser Strategie?
Am Ende ist aus Umweltsicht nicht die erzeugte Menge entscheidend, sondern ob umweltverträglich produziert wird. Da kann man sicherlich einiges mit Effizienz machen. Man muss die Frage dann aber auch von allen Seiten betrachten: Eine Hochleistungskuh emittiert weniger Methan je Liter Milch, muss aber mit Kraftfutter, eventuell Soja von ehemaligen Regenwaldflächen, gefüttert werden. Außerdem lebt sie kürzer als eine leistungsschwächere Kuh. Man muss auch die Umweltwirkungen der Viehhaltung "von der Wiege bis zur Bahre" durchrechnen, wenn man einen vollständigen Vergleich anstellen will.
Aigner gibt den Anteil der Landwirtschaft am deutschen Treibhausgasausstoß mit nur 6 Prozent an und lehnt weitere gesetzliche Klimaschutzauflagen ab. Überrascht Sie das?
Die 6 Prozent treffen dann zu, wenn man einen engen Begriff der Landwirtschaft nimmt, der nur die Methanemissionen aus der Viehhaltung und die Lachgasemissionen aus Böden als Folge der Stickstoffdüngung berücksichtigt. Wenn man die gesamte Landwirtschaft, einschließlich der Düngemittel, des Spritverbrauchs der Trecker und Maschinen, umgebrochenes Grünland und entwässerte Moore betrachtet, dann kommt man auf etwa 13 Prozent.
Aber auch der Weltklimarat schlägt etwa die Emissionen bei der Herstellung von Dünger nicht der Landwirtschaft zu.
Braucht man den Dünger, weil die chemische Industrie ihn herstellt, oder braucht man ihn, weil die Landwirtschaft ihn verwendet? Rechnerisch ist das letztendlich eine Vereinbarungssache. International vereinbart wurde eben, die Emissionen dort zuzuordnen, wo sie entstehen, also bei der Düngemittelherstellung der chemischen Industrie. Fakt ist aber, dass die Landwirtschaft direkt und indirekt einen erheblichen Anteil an den Treibhausgasemissionen hat und deshalb auch ihre Klimaschutzminderung ernst nehmen muss.
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