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Umwelt & Wirtschaft-Topthemen 2010 Teil 2Kampf um 60 Milliarden Agrargeld

Wie werden die Subventionen in der Landwirtschaft verteilt, wird der Genmais MON 810 wieder erlaubt und wie müssen Verbraucher informiert werden? Das klärt sich nächstes Jahr.

Aktion der Nichtregierungsorganisation Campact gegen MON 810. Bild: ap

BERLIN taz | Die Landwirtschaft kassiert EU-weit pro Jahr fast 60 Milliarden Euro Subventionen, besetzt die meisten Flächen Deutschlands und ernährt uns - es steht eine Menge auf dem Spiel, wenn die Debatte um die Verteilung der Agrarmilliarden im kommenden Jahr an Fahrt gewinnen wird. Die EU-Kommission will im Herbst Vorschläge für die Zeit ab 2013 machen.

"Wir wollen, dass der Staat umweltfreundliche Betriebe belohnt", sagt Ulrich Jasper, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). Das könnte zum Beispiel mehr Geld für Biobauern bedeuten, die auf klimaschädlichen Mineraldünger verzichten. "Anreize für Produktionssteigerungen ohne Rücksicht auf die Umwelt sollten dagegen gestrichen werden."

Der Kampf umweltfreundlicher Bauernbetriebe gegen die laut AbL umweltschädliche Agrarindustrie wird 2010 auch auf den Feldern mit gentechnisch veränderten Pflanzen ausgetragen. Der Chemiekonzern BASF wird ab dem Frühjahr wieder seine Gen-Kartoffel Amflora auf Versuchsäckern anbauen - Proteste sind garantiert. Die Aktivisten wollen auch verhindern, dass das deutsche Verbot des Genmaises MON 810 nach zunehmenden Druck des US-Herstellers Monsanto fällt. Sie fürchten, dass Gensaaten etwa Monokulturen fördern.

taz-Serie Topthemen 2010

Die Wirtschaft kämpft sich aus der Krise, die Klimaretter mühen sich ab. Aber was passiert sonst noch im kommenden Jahr? Was sind die großen Themen 2010 im Naturschutz, beim Verkehr, dem Verbraucherschutz, der Landwirtschaft, bei Atomkraft und Energie? Was steht auf der politischen Agenda - und was wollen die Verbände erst noch auf diese Agenda heben? Die taz gibt in den nächsten Tagen an dieser Stelle mit der Serie "Topthemen 2010" Antworten auf diese Fragen, damit Sie im neuen Jahr mitreden können.

Heute Teil 2: Lebensmittel

Bisher erschienen: Verkehrspolitik

Der grundlegende Konflikt zeigt sich auch in der Milchpolitik. Der Deutsche Bauernverband (DBV), der nach eigenen Angaben 380.000 Landwirte vertritt, lehnt eine Regulierung der Milchmenge am Markt als nicht durchsetzbar ab. Diese fordert indes der DBV-Konkurrenzverband, der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter. Er glaubt, so würden die Milchpreise wieder steigen. DBV-Sprecher Michael Lohse dagegen erklärt: "Die Milchbauern müssen auch im nächsten Jahr die Kosten reduzieren." Wer die Anpassung an den Markt nicht schnell genug allein schafft, dem solle der Staat mit Sondersubventionen helfen.

Der DBV will auch Analogkäse, Schummelschinken und andere Produktimitate thematisieren. "Die Kennzeichnung in Restaurants zum Beispiel muss deutlicher werden", sagt Lohse.

Die Verbraucherorganisation Foodwatch hat vor allem zwei Termine auf der Agenda: Im März und Mai fallen im Europäischen Parlament Entscheidungen zur Kennzeichnung von Nährwerten mit Ampelfarben. Foodwatch-Sprecher Martin Rücker hofft, dass die Abgeordneten die Lebensmittel-Ampel vorschreiben oder zumindest den einzelnen EU-Mitgliedsländern diese Möglichkeit für sich einräumen. So sollen die Verbraucher zum Beispiel Lebensmittel mit hohem Zuckergehalt leichter erkennen können.

Der Spitzenverband der deutschen Lebensmittelindustrie, BLL, allerdings lehnt auch eine "nationale Öffnungsklausel" ab. Das würde die Einheitlichkeit in Europa gefährden, meint BLL-Geschäftsführer Peter Loosen. "Es kommt auch nicht auf einzelne Lebensmittel, sondern die gesamte Ernährung an."

Ähnlich verlaufen die Fronten bei der angekündigten Reform des Verbraucherinformationsgesetzes. Foodwatch fordert, automatisch die Ergebnisse aller Lebensmittelkontrollen zu veröffentlichen. Das hält Rücker für effektiver als schwer zu verhängende Strafen etwa für Hygieneverstöße. Der BLL will nur endgültig festgestellte Verstöße veröffentlicht wissen. Alles andere käme seiner Meinung nach einer Vorverurteilung der betroffenen Unternehmer gleich.

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