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Umwandlungsterror: „Nun ist die Maklerseuche da“

■ „Spekulationsobjekt“ Bismarckstraße / MieterInnen fühlen sich tyrannisiert

Ihre Wohnungen sollen verkauft werden. Als Abschreibungsobjekt für private Anleger. Doch die MieterInnen in der Bismarckstraße 63 - 67b wehren sich dagegen, daß ihre Wohnungen, in denen sie zum Teil schon 40 Jahre leben, als Spekulationsobjekt mißbraucht werden. Und haben deswegen einiges zu erdulden. Eine Mieterin: „Wir werden tyrannisiert, um unseren Widerstand zu brechen.“ An einem Balkon haben die MieterInnen deshalb ein Transparent angebracht, auf dem zu lesen steht: „Nach Typhus, Pest & Cholera ist nun die Maklerseuche da“.

Seit Wochen werden die Wohnungen in der Bismarckstraße von der Firma „idee immobilien GmbH“ per Zeitungsannonce zum Verkauf feilgeboten. Rund 20 sollen nach Recherchen der BewohnerInnen bereits verkauft worden sein. Eine Mieterin: „Täglich finden Besichtigungen statt - mit Vorliebe in den späten Abendstunden. Dann werden auch schon mal so richtig laut die Türen geknallt.“ Nächtliche Anrufe, in denen den BewohnerInnen der Verkauf ihrer Wohnungen angekündigt wird, sind nach Angaben der MieterInnen ebenso keine Seltenheit wie telefonische Drohungen der Sorte „In fünf Jahren haben wir Sie aus Ihrer Wohnung raus.“

„Rund 15 Makler sind hier bereits durch die Häuser gelaufen“, berichtet ein Mieter. Den Aufforderungen der BewohnerInnen, sich auszuweisen, kamen die Damen und Herren nicht nach. „Zum Teil ziehen sie sich Kapuzen über den Kopf, um nicht erkannt zu werden“, erzählt eine Mieterin.

Doch damit nicht genug: So berichten mehrere Mieter davon, daß das ganze Haus Ende Juni ganztägig aus einem Auto heraus observiert, mehrere BewohnerInnen später beim Betreten und Verlassen des Hauses von Unbekannten ohne Einwilligung fotografiert wurden. Ohne Voranmeldung wurde die Hausfassade mit Sandstrahl „gereinigt“. „Meine Tomatenzucht wurde vernichtet, der Balkon total versaut, den Dreck mußte ich mit dem Rasiermesser vom Fenster abkratzen“, erinnert sich eine Mieterin.

Die Protest-Plakate, die die BewohnerInnen des Eimsbüttler Häuserblocks an den Außenwänden und im Hausflur anbringen, um potentielle KäuferInnen abzuschrecken, werden immer wieder - meist über Nacht - abgekratzt. Michael Hahn, Geschäftsführer der im Taunus beheimateten Gesellschaft für Immobilienverwaltung, der die Häuser offiziell erst ab kommendem Oktober gehören, kündigte den MieterInnen bereits schriftlich an, er werde „die Kosten der Säuberung der Fassade ... auf Ihre Betriebskosten umlegen.“

In ihrer Not wandten sich die BewohnerInnen der 74 Wohnungen des in den fünfziger Jahren entstandenen Häuserblocks an die Eimsbüttler Bezirksamtsleiterin Ingrid Nümann-Seidewinkel. Erfolglos. Eine Mieterin klagt: „Wir haben nicht mal eine Antwort bekommen.“

Auf das Bezirksamt sind die HausbewohnerInnen ohnehin schlecht zu sprechen. So erteilten sie die für eine Wohnungsumwandlung notwendige „Abgeschlossenheitserklärung“ nach Aktenlage - ohne vorherige Besichtigung der meisten Wohnungen. Ein Mieter: „Dabei sind die Grundrisse längst überholt, Wohnungen wurden zusammengelegt oder neu aufgeteilt, Mauern versetzt.“ Besonders sauer stieß den MieterInnen aber auf, daß sie vom Bezirksamt nicht einmal darüber informiert wurden, daß dieses die begehren Umwandlungs-Freibriefe erteilt hat.

Zwar wollen sich die meisten BewohnerInnen der Häuser weiter gegen die Umwandlungs-Spekulation wehren, doch nicht alle sind dem damit verbundenen Dauerstreß gewachsen. „Eine Mieterin hat vor wenigen Tagen einen Schlaganfall bekommen“, berichten die Bismarkstraßen-BewohnerInnen: „Sie hat die Aufregung wohl einfach nicht mehr verkraftet“. Thomas Koch

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