Umstrittenes Waldgesetz in Brasilien: Amnestie für Urwaldzerstörer gefordert

Brasilien will über ein Waldgesetz abstimmen. Die Agrarlobby drängt auf eine Amnestie für Urwaldzerstörer und auf die Freigabe von Landbau-Schutzgebieten.

Globale Gier nach Fleisch und Soja tötet den Urwald in Rekordtempo. Bild: dpa

PORTO ALEGRE taz | Brasiliens Agrobusiness samt Polizei tritt zum Fußballspiel gegen die Kleinbauern an - ein ungleicher Kampf. Und wenn sich die Politik in Form des Schiedsrichters auch noch auf die Seite des Stärkeren schlägt, ist die dicke Großgrundbesitzerin nicht mehr zu bremsen. "Tooor - das neue Waldgesetz", brüllt der Reporter.

Im Zentrum der südbrasilianischen Stadt Porto Alegre wird der Konflikt in Form eines Straßentheaters inszeniert. Daneben klären Landlose und Umweltgruppen auf. "Wenn die Agrarlobby ihr Waldgesetz in der geplanten Form durchbringt, ist das eine Katastrophe", sagt Clarissa Abreu von Friends of the Earth.

Am Dienstag steht die mehrfach verschobene Abstimmung über ein neues Waldgesetz auf der Tagesordnung des Abgeordnetenhauses in Brasília. Durch die neuesten Entwaldungszahlen aus dem Amazonasgebiet hat die Debatte eine dramatische Note erhalten: Seit ein paar Monaten schreitet die Zerstörung des Regenwaldes wieder rasant voran. Allein in den Monaten März und April wurde nach Angaben des staatlichen Instituts für Weltraumforschung fast fünfmal so viel abgeholzt wie in den Vergleichsmonaten 2010.

"Diese Zunahme während der Regenzeit ist absolut unüblich", sagte Umweltministerin Izabella Teixeira. Die Ministerin kündigte den Einsatz von 500 Inspektoren in Amazonien an.

Urwald muss dem Soja-Anbau weichen

In Mato Grosso wurden demnach in zwei Monaten mindestens 480 Quadratkilometer Wald zerstört. Der westliche Bundesstaat ist die Hochburg des Soja-Anbaus. Die tatsächlichen Gesamtzahlen für das brasilianische Amazonasgebiet dürften noch weitaus höher liegen, vor allem für den benachbarten Bundesstaat Pará sind die Satellitenaufnahmen wegen der Regenzeit kaum aussagekräftig. Erfahrungsgemäß kommt es in den besonders trockenen Monaten Juni bis Oktober zu den größten Verwüstungen.

Nicht nur Umweltschützer machen die derzeitige Debatte über ein neues Waldgesetz, in der die Agrarlobby auf eine weitreichende Amnestie für Urwaldzerstörer drängt, für die Zunahme bei den Rodungen mitverantwortlich. Selbst Senatorin Kátia Abreu, eine der exponiertesten Sprecherinnen der Großgrundbesitzer, hält das für möglich. Das seien aber nur Einzelfälle, beteuerte sie.

Die Rodungen sind für rund zwei Drittel der brasilianischen Emissionen des Treibhausgases Kohlendioxid verantwortlich. Die Regierung befürchtet vor allem einen Imageverlust im Ausland, hatte sie sie sich doch auf den vergangenen Klimakonferenzen recht erfolgreich als Umweltgroßmacht inszeniert. Doch nun scheint es ihr nicht zu gelingen, ihre strengeren Pläne im Parlament durchzusetzen.

Opposition und Agrarlobbyisten in der sehr heterogenen Regierungskoalition wollen 420.000 Quadratkilometer Land in Schutzgebieten an Flussufern und Hängen für den Landbau freigeben. Mit der Reform des Waldgesetzes aus dem Jahr 1965 haben sie es so eilig, weil ohne die Novelle ab 11. Juni rund 90 Prozent aller Landwirte illegal wirtschaften würden. Dann nämlich läuft die Übergangsfrist ab, die ihnen 2008 der damalige Präsident Lula da Silva gegeben hatte, um die gesetzlich vorgeschriebenen Schutzgebiete auf ihren Grundstücken wiederaufzuforsten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.