Umstrittenes Maulkorbgesetz: Politiker will Twitter-Freiheit retten
Ein Gerücht über Fußballspieler Ryan Giggs wurde trotz Maulkorbgesetz per Twitter öffentlich. Abgeordneter John Hemming setzte sich nun für die verklagten Twitterer ein.
BERLIN taz | John Hemming, liberaler Abgeordneter im britischen Unterhaus, sagte am Montag, was vielen anderen gerichtlich verboten war: "Etwa 75.000 Menschen haben Ryan Giggs auf Twitter benannt," fasste er das Geschehen der letzten Tage beim Kurznachrichtendienst zusammen. "Offensichtlich ist es kaum möglich, sie alle ins Gefängnis zu stecken." Es geht um Sex, es geht um Ehebruch, es geht ums Internet und angeblich um Erpressung, und ja, es geht um die Freiheit, seine Meinung sagen zu dürfen. Auch wenn die das Privatleben prominenter Menschen betrifft.
Giggs, der 37-jährige Fußballer von Manchester United, verheiratet mit Stacey, Vater von zwei Kindern, soll der große Unbekannte sein, zu dessen Gunsten der "Supermaulkorb" funktionierte – eine harsche einstweilige Verfügung, über die das ganze Land in Wallung geriet. Mit seiner Aussage sorgte der Abgeordnete, der schon häufiger solche Maulkörbe umging, indem er im Parlament das Unsagbare im Schutze seiner Immunität sagte, nicht nur für Wirbel in den Boulevardmedien. Er beförderte auch die Einsicht der Regierung, dass die derzeitigen Gesetze unhaltbar und unfair – so Premierminister David Cameron – seien.
Bis Montag nämlich war in denen nicht als zimperlich geltenden Zeitungen Großbritanniens von einer Posse zu lesen, in der es um Imogen Thomas, 28, ehemalige Big-Brother-Teilnehmerin ging, die nicht aus dem Nähkästchen plaudern durfte. Sie habe eine Affäre mit einem verheirateten Mann gehabt, behauptete sie. Besagter Mann war prominent, weitere Details durften nicht in der Boulevardzeitung The Sun erscheinen. Ein Urteil des Obersten Gerichtshofs verbat es zum Schutz der Privatsphäre des Klägers. Mit der aber war es nicht weit gekommen, das Gerücht, wer dieser Mann doch sei, verbreitete sich im Laufe der Tage auf Twitter.
Der Anwalt des superberühmten und zunehmend ungeheimen Mannes (ob er nun wirklich den ehelichen Treueschwur gebrochen hatte oder nicht, scheint nun nichts mehr zur Sache zu tun) wollte sowohl den Kurznachrichtendienst als auch alle User verklagen, die den Namen seines Mandanten nannten. Schließlich gab es ja die gerichtliche Anordnung, und diese verbat eben auch das digitale Lästern.
Es ist anzunehmen, dass Thomas durch den Wegfall der Story finanzielle Einbußen zu erleiden hatte, eine Bumsgeschichte mit Topfußballern läßt sich immer gut verkaufen. Doch Thomas kämpft nun gegen Gerüchte, laut denen sie versucht habe, Giggs mit der Affäre zu erpressen. Der Betroffene selbst hat laut Daily Mail schon 150.000 Pfund an Anwaltsgebühren gezahlt. Darüber, was wirklich geschehen sein mag, kann das ganze Land nun öffentlich diskutieren. Nur die Betroffene nicht. Sie nämlich unterliegt weiterhin der einstweiligen Verfügung und darf niemandem sagen, mit wem sie eine Affäre hatte.
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