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Umstrittener VolksentscheidKläger wollen Schulgesetz stoppen

CDU, SPD, GAL und Linke einigen sich auf neues Schulgesetz. Verabschiedet werden soll es nur, wenn es keine einstweilige Verfügung gibt

Geht alles wieder von vorne los? Bild: dpa

Die Fraktionen CDU, SPD, GAL und Linke haben gestern angekündigt, das neue Schulgesetz ohne vorherige Anhörung am 15. September in erster und zweiter Lesung zu verabschieden - aber nur, "sofern das Verfassungsgericht Hamburg nicht eine einstweilige Verfügung erlässt".

Damit spielt das Parlament den Ball ans Gericht weiter. Wie berichtet, hatte der Heidelberger Jurist Uwe Lipinski die Fraktions-Chefs am Freitag darum gebeten, mit dem Schulgesetz abzuwarten, bis über die Klage gegen die Rechtmäßigkeit des Volksentscheids zur Primarschule entschieden ist. Andernfalls würden seine Mandanten den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragen. Damit ist nach der Reaktion des Parlaments heute zu rechnen.

Unterdessen hat das Verfassungsgericht die Ende August eingereichte Klageschrift an Bürgerschaft, Senat und Volksinitiative verschickt, mit Bitte um Stellungnahme bis zum 5. November. Der Antrag der drei Kläger, in diesen Kopien ihre Namen zu schwärzen, wurde abgelehnt. Das führte dazu, dass die drei gestern von Journalisten kontaktiert wurden. Sie wollen aber nur über ihren Anwalt kommunizieren. Die drei kommen aus dem Umfeld der Initiative "Pro Schulreform", betonen aber, es gehe ihnen unabhängig vom Inhalt um Klärung der verfassungsrechtlichen Fragen.

Im Kern dreht es sich um die Frage, ob die Option des doppelten "Ja" Kreuzes auf den Stimmzetteln korrekt war. Da es mehr Ja-Stimmen als abgegebene Stimmzettel gab, ist sicher, dass diese Option auch genutzt wurde. Aus Sicht der Kläger wurde es dadurch zu leicht, das Quorum von einem Fünftel der Stimmberechtigten zu erfüllen.

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7 Kommentare

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  • K
    Klamann

    Ehrlich gesagt, ich kann das Wort "Schulfrieden" nicht mehr hören. Immer wenn es darum geht, die deutschen Schulverhältnisse auf dem Stand des 18. Jahrhunderts zu lassen, ist von "Schulfrieden" die Rede und jede Reform wird als "Experiment" gegeißelt. Wenn aber auch mal die deutsche Schule lernbereit ist, dann ist den gleichen Leuten jedes Mittel recht, auch nur die kleinste Veränderung zu verhindern. Die Leute, die den Volksentscheid jetzt gerichtlich überprüfen lassen wollen sind also "schlechte Verlierer" und das Nachkarten von Schill - Pardon Scheuerl (Klage gegen den Elternwillen in Sachen Starterschule) kennzeichnet den "guten Gewinner"?

  • H4
    Holger 40

    Liebe Reformgegner, bitte gehen Sie mit @Charlotte nicht zu hart ins Gericht. Immerhin hat sie den gemeinen Bildungsbürger nicht als Elbvorortler, SUV-Fahrer oder als Angehörigen der Gucci-Fraktion tituliert. „Unverbesserliche Hanseln“ ist doch schon ein Fortschritt, wenn ich auch nicht weiß, in welche Richtung. Daß die Sachkenntnis von den Reformbefürwortern gepachtet ist, wird mittlerweile von allen akzeptiert. Evil to him who evil thinks, wie der Lateiner sagt.

    Apropos repräsentative Demokratie. Bei ihr ging die Macht ja ursprünglich vom Volke aus, um dann nie wieder zu ihm zurückzukehren. Warum also überhaupt noch Wahlen? Der Zyniker in mir fordert: Alle Macht den Lobbyisten!

  • C
    Charlotte

    "Umstrittener Volksentscheid" ist schon richtig; man darf wohl zurecht fragen, ob es vernünftig ist, in einem ansonsten vollständig auf repräsentative Demokratie aufgebauten System 250.000 unverbesserlichen Hanseln das Recht einzuräumen, einstimmige Entscheidungen von Verfassungsorganen zu kippen und über Wohl und Wehe von ca. 1,8 Millionen Bürgern nach Gutdünken zu entscheiden. Ohne Sachkenntnis, ohne sich Gedanken über die Folgen zu machen, einfach nur so.

  • GM
    genervte Mutter

    Ich finde,Schüler und Eltern haben nun Schulfrieden und Ruhe verdient. Und die Schulen sind sowieso schon völlig überfordert mit den von der Schulbehörde nur (freundlich ausgedrückt) rudimentär ausgearbeiteten Neuerungen. Ich bin auch erschüttert darüber, dass es offenbar unter den Schulreformbefürwortern schlechte Verlierer gibt; die Abstimmungsvorlage war schließlich deren Idee! Man kann nur hoffen, dass das Gericht vernünftig entscheidet und Frau Götsch sich an das Abstimmungsergebnis hält. Ansonsten ist es sicher mit dem Frieden in Hamburgs Schullandschaft endgültig vorbei!

  • B
    Berti

    Ich versuch mir gerade vorzustellen, was passieren würde, wenn das Verfassungsgericht wider Erwarten den drei Klägern Recht gibt. Damit stünde der Senat dann komplett blamiert da. Und bei einer neuerlichen Abstimung dürfte die Mehrheit dann noch deutlicher ausfallen!

  • H4
    Holger 40

    Zum Beitrag von Carsten Bittner noch folgende Ergänzung:

    ...“betonen aber, es gehe ihnen unabhängig vom Inhalt um Klärung der verfassungsrechtlichen Fragen.“ Die drei Kläger aus dem Dunstkreis von „Pro Schulreform“ hätten also auch in Falle ihres Obsiegens die Rechtmäßigkeit des Volksentscheids angefochten?

    Da man mir nachsagt, ein höflicher Mensch zu sein, beschränkte ich mich darauf, diese Äußerung der Kläger als Schutzbehauptung zu werten. Anderenfalls müßten sie ja eingestehen, daß der Volksentscheid und insbesondere das von den Blockflöten modifizierte Abstimmungsverfahren von den „Vereinigten Schulverbesserern“ versemmelt worden ist.

    Dumme Gedanken hat jeder, nur der Weise verschweigt sie.(Wilhelm Busch)

  • CB
    Carsten Bittner

    "Umstrittener Volksentscheid"? - da war wohl der Wunsch Vater des Gedankens. Die Verfassungsklage von Herrn Lipinski ist eindeutig ein Windei. Von gut 492.000 abgegebenen Wahlzetteln enthielten gut 276.000 ein Ja für die Volksinitiative und nur ca. 217.000 ein Ja für den Antrag der Bürgerschaft. Die Schnittmenge der Stimmzettel mit einem doppelten Ja ist also bei realistischer Betrachtung (d.h. wenn man den Hamburger Wählern nicht unterstellen will, dass Zehntausende mit Doppel-Ja und dann ebensoviele mit Doppel-Nein abgestimmt haben) mit ca. 1.000 Stimmen verschwindend gering und hat auf die Erreichung des für die Volksinitiative geltenden Quorums von gut 247.000 Stimmen keinen Einfluss gehabt. D.h. selbst wenn die Möglichkeit des "Doppel-Ja" unzulässig war (- und bitteschön: Wessen Idee war das denn noch gleich? Richtig! Die der Primarschulbefürworter!) dann hat dieser Fehler auf das Ergebnis der Abstimmung keinen Einfluss gehabt und ist daher unbeachtlich. Die Verfassungsklage von Herrn Lipinski ist damit nichts anderes als ein Rückzugsgeplänkel schlechter Verlierer und darf die schnelle Umsetzung des Volksentscheides nicht aufhalten.