Umstrittener Radsport-Präsident: Bauernopfer der Funktionärskaste
Pat McQuaid, Präsident des Radsport-Weltverbands, wurde von seinem Landesverband nicht für die Wiederwahl nominiert. Jetzt hat er nur noch eine Chance.
Die Botschaft war eindeutig. 91 Mitglieder des irischen Radsportverbands stimmten gegen eine Nominierung ihres Landsmanns Pat McQuaid als Präsidentschaftskandidat für die Wahlen des Weltverbands (UCI) im Herbst. Lediglich 74 anwesende Mitglieder dieser außerordentlich einberufenen Generalversammlung stimmten für eine erneute Kandidatur des umstrittenen Funktionärs, der dem UCI bereits seit 2005 vorsteht.
Dies ist umso bemerkenswerter, weil sich einige nationale Helden für McQuaid stark gemacht hatten. Stephen Roche, der einstigen Weltmeister, Tour- und Giro-Sieger, bezeichnete ihn als „starke Führungspersönlichkeit“. Und kurioserweise forderte er: „Zeigt mir einen Besseren als ihn, einen, der sich mehr engagiert.“ Der einstige Vuelta-Sieger und fünfmalige Gewinner des grünen Trikots bei der Tour, Sean Kelly, beklagte, dass McQuaids „Verdienste um den Radsport zu wenig gewürdigt“ würden. Dieser leide darunter, „dass die letzten Jahre für den Radsport sehr schwer waren“.
Fragt sich nur, wer für die „schweren Jahre des Radsports“ verantwortlich zu machen ist, wenn nicht der Vormann der Branchenorganisation? Irlands Radsportbasis ließ sich nicht beirren. Sie hatte sich das Votum überhaupt erst erstritten, weil bei der Abstimmung der Verbandsspitze – 5:1 für McQuaid – Unregelmäßigkeiten aufgetreten waren.
Dass es an der Basis rumort, wurde bereits im letzten Winter deutlich. Emma O’Reilly, einst als Masseurin Vertrauensfrau von Lance Armstrong, hatte sich bei einer Konferenz der Rebellenorganisation „Change Cycling Now“ in London bitter darüber beklagt, dass Landsmann McQuaid ihre Hinweise auf das Doping von Armstrong niemals anhören wollte.
Schweizer Beschwerden
Auch in der Schweiz nimmt der Widerstand gegen McQuaid zu. Dort hatte er sich zunächst ein Nominierungsticket für die Weltverbandswahlen über seinen Wohnsitz in Aigle gesichert. Wie Suisse-Cycling-Sprecherin Selina Knüpfer jüngst aber mitteilte, sei eine „Beschwerde von drei Mitgliedern unseres Verbands“ gegen die Entscheidung eingegangen. Für den Branchendienst Cyclingnews stellt sich ohnehin „das Problem der Gültigkeit einer Rücknahme einer demokratisch legitimierten Entscheidung des irischen Verbandes durch die Schweizer“.
Unter Beschuss gerät McQuaid nun sogar von einstigen Funktionärsgetreuen. Mike Plant, Mitglied des UCI Management Committees, des höchsten Organs des Weltverbands, legte diesem Gremium vergangene Woche ein „Dossier McQuaid“ vor und kündigte öffentlich das Ende seiner Unterstützung McQuaids an. Er rief zu einer „glaubwürdigen Verbandsführung“ auf.
Plant, in der Armstrong-Ära Präsident des US-amerikanischen Radsportverbands, einst auch Rennveranstalter sowie Aktienbesitzer einer Bergbaufirma des langjährigen Armstrong-Sprechers Paul Sherwen, erklärte leider nicht, warum er vor noch nicht einmal einem Jahr hinter den Kulissen versucht hatte, der Usada die Zuständigkeit beim Dopingverfahren gegen Armstrong & Co. abzusprechen. Der kritischen Radsportgemeinde in den USA gilt Plant als Steigbügelhalter des Armstrong-Clans.
Es zeigt natürlich die Risse im Machtgefüge der UCI, wenn solch ein Mann auf Distanz zu McQuaid geht. Nicht jeder, der den Iren jetzt unter Beschuss nimmt, dürfte dies jedoch aus uneigennützigen Motiven tun. Neben dem zarten Leuchten eines Neuanfangs zeichnet sich das Szenario eines Personalwechsels ohne Politikwechsel ab. McQuaid könnte zum Bauernopfer einer sich selbst erhalten wollenden Funktionärskaste werden. Die Radsportbasis muss weiter den Aufstand proben gegen die Pats und Mikes der alten Zeit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!