piwik no script img

Umstrittener AutobahnausbauLinke bereitet den Abschied von der A 100 vor

Parteitag soll über die Verlängerung der Autobahn vom Dreieck Neukölln zum Treptower Park abstimmen. SPD hat den Bau bereits abgelehnt. CDU und FDP fordern ein Machtwort des Regierenden für den Ausbau. Auch die zuständige Senatorin hält daran fest

Der Druck auf die SPD-Verkehrssenatorin Ingeborg Junge-Reyer steigt weiter: Jetzt bereitet auch die Linkspartei einen Parteitagsbeschluss vor, um sich von der Verlängerung der Autobahn 100 vom Dreieck Neukölln zum Treptower Park zu distanzieren. Im Koalitionsvertrag mit der SPD sei zwar im Jahr 2006 der Weiterbau vereinbart worden, doch die Lage habe sich "dadurch geändert, dass die SPD davon inzwischen abgerückt ist", sagte Linkspartei-Sprecher Thomas Barthel am Montag.

Der nächste Landesparteitag der Linken ist am 24. April. Ein Antrag für den Parteitag wird derzeit von der verkehrspolitischen Sprecherin der Fraktion, der A-100-Kritikerin Jutta Matuschek, mit vorbereitet. Sie hatte am Wochenende auf einem Verkehrskongress der Partei gesagt, Berlin stehe vor einer "folgenschweren Strukturentscheidung". Im Fall einer falschen Wahl drohe die "radikale Abwertung frisch sanierter und beliebter Altbaugebiete in Treptow, Friedrichshain und Pankow". Die Verkehrsbelastung könnte dagegen sinken, "wenn durch eine kluge, systematisch angelegte Verkehrspolitik der öffentliche Nahverkehr, der Fuß- und Radverkehr weiter gestärkt" würden und es keine weiteren Anreize gäbe, auf das Auto umzusteigen.

Der Bau der 3,2 Kilometer langen Verlängerung soll 450 Millionen Euro kosten, das meiste davon zahlt der Bund.

Im Mai vergangenen Jahres hatte sich ein Landesparteitag der SPD mit einer knappen Mehrheit gegen den Weiterbau ausgesprochen. Auch Umwelt- und Bürgerinitiativen sowie die Grünen hatten sich gegen die Autobahn geäußert. Die Entscheidung der Parteitage von SPD und Linkspartei ist allerdings nicht verbindlich - am Ende kommt es darauf an, was die Abgeordneten und Senatoren dieser Parteien entscheiden. SPD-Verkehrssenatorin Junge-Reyer hält bis heute an den Plänen für den Bau fest.

Der CDU-Chef Frank Henkel rief am Montag die "höchste Alarmstufe" aus. Er erwarte nun von dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) "ein eindeutiges Bekenntnis zum Ausbau". Die Autobahn lenke den Durchgangsverkehr von den Wohngebieten weg auf die neue Trasse. Auch die Bauunternehmen würden profitieren. "Vor allem dürfen tausende Arbeitsplätze beim Ausbau nicht länger durch immer neue Wendemanöver von Rot-Rot infrage gestellt werden", so Henkel.

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christoph Meyer sagte: "Wenn Rot-Rot sich nicht einmal an die eigenen Vereinbarungen hält, ist der Vertrauensverlust gegenüber dem Bund und aber auch gegenüber potenziellen Investoren immens."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

3 Kommentare

 / 
  • K
    kay

    Nachdem Herr Henkel sich bekanntlich lieber in Bayern als in Berlin aufhält, ist ihm offenbar auch die Lage des geplanten 16. BA der A100 nicht so vertraut. Denn diese Stummelautobahn mit dem modrigen Mief der 40er Jahre leitet keinen Verkehr AUS der Innenstadt oder um sie herum, sondern sie lenkt eine Menge Verkehr an einen innerstädtischen und kleinräumigen Knotenpunkt, der als Autobahnende so ungeeignet ist wie es sich sogar der Teppichhändler vorstellen können sollte.

    In den Unterlagen des 16. BA heißt es, dass die volle Entlastungswirkung erst nach Fertigstellung des 17. BA zur Frankfurter Allee kommt. Der 17. BA aber ist, aus rechtlichen, finanziellen und planunstechnischen Gründen im 21. Jahrhundert ungefähr so realistisch wie eine Landung der Marsmännchen zu Ostern.

    Der 16. BA allein schafft bestenfalls kurzfristig der Baulobby volle Auftragsbücher. Warum die FDP gemeinsam mit der CDU dennoch uneingeschränkt dafür ist -? Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

    Mehr als die Hälfte der Berliner Haushalte haben kein Auto, der Autoverkehr nimmt laut Prognose 2025 langfristig ab, die Bedürfnisse nach Lärm- und Schadstoffredzierung nehmen zu - aber Herr Henkel, und seine CDU, die FDP und leider auch Frau Junge-Reyer können offenbar die Zeichen der Zeit ebensowenig entziffern wie die Planungsunterlagen der A100. Oder sind sie wirklich so naiv?

  • D
    dirk

    Beim Autobahnbau geht es also primär um die Arbeitsplätze, die beim Weiterbau entstehen. War das nicht auch die Absicht beim Autobahnbau unter Hitler?

    Also ehrlich gesagt, kann man mit der Kohle sinnvollere und dauerhaftere Arbeitsplätze schaffen.

  • J
    Jobberin

    "Im Fall einer falschen Wahl drohe die "radikale Abwertung frisch sanierter und beliebter Altbaugebiete in Treptow, Friedrichshain und Pankow"."

     

    Autobahnen gegen Yuppies, ich war eigentlich dagegen weil ich dachte es führe zur aufwertung im größerern maßstab (und natürlich die ökologischen belange)? Als Nahverkehrsnutzerin hab ich lieber Verkehrschaos als mich wegen Yuppies und Reichen spießern aus dem Stadtteil verdrängen zu lassen.

     

    Eigentlich seht pikant das Zitat, sarkastisch könnte man es ja übersetzen in "oh nein, die ganzen MittelschichtlerInnen und reichen Bürgerkinder verziehen sich dann wieder, die ganze Verdrängung umsonst, und wieder nur Unterschicht und HartzIV, was für eine spätrömische Dekandenz"