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Umstrittene StammzelltherapieTod in der Klinik

Ein italienisches Kleinkind starb in Düsseldorf an den Folgen einer umstrittenen Stammzelltherapie. Jetzt ermittelt der Staatsanwalt gegen die zuständige Ärztin.

Stammzellen werden in einem Labor vorbereitet. Bild: ap

BERLIN taz | Ein Kleinkind ist nach einer umstrittenen Stammzelltherapie an der Düsseldorfer Privatklinik XCell-Center gestorben. Bei zwei weiteren Kindern waren Komplikationen aufgetreten, sie konnten aber gerettet werden. Gegen die Ärztin werde jetzt wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung ermittelt, gab ein Sprecher der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft bekannt. Nach eigenen Angaben hat die Klinik die Zusammenarbeit mit der Neurochirurgin beendet. Besonders betont wird von dem XCell-Center, dass die Ermittlungen sich nur gegen die Ärztin richten, jedoch nicht gegen die Klinik.

Im August hatte die Neurochirurgin einem schwerbehinderten zweieinhalbjährigen Jungen Stammzellen ins Gehirn gespritzt, sagte Staatsanwalt Christoph Kumpa. Danach traten bei dem Kind aus Italien schwere Blutungen auf. Das Kind wurde dann in einem anderen Krankenhaus, in Krefeld, behandelt, es starb dort jedoch. Die Stammzelltherapie sei zwar höchst umstritten, rechtlich aber zulässig, sagte Kumpa. Den Jungen, die unter frühkindlichen Hirnschäden litten, wurden Stammzellen aus dem Hüftknochen entnommen und ins Gehirn gespritzt.

Die Klinik wirbt mit dem angeblich "heilenden Potenzial der Stammzellen". Angeboten werden Stammzelltherapien für mehrere Krankheiten, unter anderem Alzheimer, Parkinson, multiple Sklerose, Diabetes und Rückenmarkverletzungen. Über 100 "neurochirurgische Eingriffe", sollen bereits am XCell-Center durchgeführt worden sein.

In den meisten europäischen Staaten ist dieses in Düsseldorf praktizierte Verfahren nicht zugelassen. In Deutschland besteht hier noch eine Gesetzeslücke. Erst ab 2012 ist für die Behandlung mit Stammzellen eine Lizenz vorgeschrieben.

Das XCell-Center steht deshalb schon seit längerem in der Kritik. Vor zwei Jahren bereits warnte der Bundesverband der Deutschen Multiplen Sklerose Gesellschaft (DMSG): Die Versprechungen "sind nicht dokumentiert und nachvollziehbar". Auch die Deutsche Parkinson Gesellschaft warnte vor dem fehlenden Nutzen und den Gesundheitsrisiken.

Die Kosten in Höhe von mehreren tausend Euro müssen die Patienten oder deren - oftmals verzweifelte - Eltern selbst aufbringen. Für sie ist das umstrittene Angebot des XCell-Centers häufig der "letzte Strohhalm" um ihren schwerkranken Kinder doch noch helfen zu können.

Nach dem Tod des Kindes hatte das XCell-Center diese Behandlungsmethode gestoppt - aber nur vorübergehend. Am Mittwoch erklärte das XCell-Center, dass dieser "Durchführungsstopp" nach angeblich "positiver Prüfung durch die zuständigen Behörden wieder aufgehoben" wurde.

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5 Kommentare

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  • E
    euforce

    Wenn man gesund ist kann man leicht sagen das XCell nicht weiterarbeiten soll. Es gibt genügend Krankheiten wo man wahrscheinlich nur durch die Hilfe von Firmen wie XCell irgendwann in der Zukunft diese Krankheiten heilen kann. Ich finde es auch nicht gut das XCell die gesammte Schuld an die Chirurgin weitergibt. Wichtig ist das Experten also Ärzte die sich mit dieser Thematik auskennen überprüfen was da passiert ist. Leider ist es schwierig auch zu entscheiden wer die Experten sind die über das Schicksal von XCell entscheiden sollen. Ich vermute das wir noch sehr weit entfernt sind um eine einfache Antwort zu bekommen ob die Therapie mit adulten Stammzellen Sinn macht.

     

    Es tut mir leid für das Kind das gestorben ist und für den Arzt der den Eingriff gemacht hat. Ich hoffe das der Arzt versucht hat dem Kind zu helfen und das es ein unbeabsichtigter Fehler war der den Tod eines Patienten zur Folge haben können.

     

    Ich hoffe das man mehr Geld in die Forschung steckt damit es für schwierige Krankheiten irgendwann eine Therapie gibt.

     

    Leider leben wir in einem Land wo es mitlerweile keine Therapie mehr für alle gibt. Sinnvolle Zahnarztbehandlungen wie Professionelle Reinigung , Wurzelbehandlung müssen privat bezahlt werden. Wenn man eine künstliche Befruchtung machen muss um ein Kind zu bekommen dann muss man einen großen Teil dieser Behandlung privat bezahlen wenn man die Changen erhöhen möchte ein Kind zu bekommen. Wenn man eine Krankheit hat die schwierig ist dann wird man alleine gelassen von der Gesellschaft. Mann kann froh sein wenn die Familie sich um einen kümmert. Leider ist das wichtigste in der Welt in der ich lebe das Geld. Der Mensch wird nicht mehr respektiert bei der Arbeit wird das Wort Mensch durch den Begriff Resource ersetzt. Dadurch das für viele Menschen der Mensch eine Resource geworden ist hat das auch zur Folge das es keine Solidarität untereinander mehr gibt. Es ist wichtig das wir diesen Wahnsinn beenden. Kein Mensch soll 100 mal mehr verdienen als ein anderer. Im Durschnitt verdient ein Deutscher 30000 EURO Brutto im Jahr. Warum soll ein Leistungsträger 3000000 EURO im Jahr verdienen. Ich respektiere die Leistungsträger und ich bin auch einverstanden das sie meinetwegen 10 mal mehr verdienen als der normale Mensch sind 300000 EURO zu wenig? Für uns alle muss es eine bezahlbare Medizinversorgung geben. Wenn jemmand bei XCell eine Therapie machen möchte muss er tausende EURO selber bezahlen. Ich empfinde es als ungerecht das man für eine Therapie bezahlen muss die mit hoher Wahrscheinlichkeit einem Menschen hilft seine Krankheit zu überwinden. Und wenn es wirklich eine Therapie ist die keinen Sinn macht dann müssen Experten entscheiden das diese Therapien verboten wird.

     

    Ich hoffe das unsere Entscheidungsträger in Deutschland die richtigen Entscheidungen treffen damit wir die Information bekommen ob die Therapie mit adulten Stammzellen Sinn macht oder nicht. Wenn diese Therapie Sinn macht dann hoffe ich das die Therapie mit adulten Stammzellen für alle Menschen genutzt wird und nicht nur für die reichen Menschen.

  • UL
    Ute Lehmann

    Die XCell Klinik sollte per Gericht gezwungen werden, ihre Behandlungsverläufe und Todesfälle in ihr Infomaterial anonymisiert reinzuschreiben, und zwar wahrheitsgemäß.

    Auch auf deren Homepage, falls die eine haben, müssen die Behandlungsverläufe und auch die Todesfälle veröffentlicht werden. Schlimm ist aber auch der immense gesellschaftliche Druck, dass ein Kind um jeden Preis gesund zu sein hat!Und eben die Ausgrenzung von Menschen und Kindern mit Behinderungen--so gehören Sonderschulen abgeschafft, die Sonderschulen vermitteln nichteinmal einen Schulabschluss.

    Dieses "werhatdasintelligentesteKind" VErhalten der Gesellschaft samt der Aussortier-"Pädagogik" ist schlimm---und genau das verführt Eltern zu solch haarsträubenden "Operationen"

  • L
    LotharDupick

    Es existiert ein Sicherheitsbericht über 1500 Lumbalpunktionen von denen mindestens 400 bei Kindern durchgeführt wurden. Bis zum jetzigen Zeitpunkt hat keiner dieser Patienten über schwerwiegende Komplikationen berichtet. Abgesehen von Kopfschmerzen, Übelkeit und Rückenschmerzen (typische Symptome nach einer Lumbalpunktion), die vorübergehend auftauchen, traten keine weiteren nachteiligen Reaktionen auf.

     

    So die Mitteilund des XCell Centers.

    Das ist nicht richtig.Im März 2008 hoffte auch ich auf Hilfe. Abgesehen davon das es nicht geholfen hat,war ja mein Risiko, war ich nach der Lumbalpunktion fünf Monate krankgeschrieben wegen eines schweren Unterducksyndroms und einer Hirnhautreizung(das habe ich seinerzeit auch telefonisch mitgeteilt). Also passt die obige Information von XCell ja wohl nicht.Behandelt wurde ich an den Folgen von anderen Ärzten und Krankenhäusern.

  • FN
    Floda Nashir

    Nun haltet den Ball mal schön flach. XCell ist ein Privat-Unternehmen, und niemand wird gezwungen, dort eine Behandlung vornehmen zu lassen. Und in Extremsituationen wird man zuletzt auch riskante Therapien probieren, um sein Kind zu retten.

  • P
    Peter

    Es wäre gut, wenn der Tod des bedauernwerten Jungen ENDLICH mal das Signal wäre, die Machenschaften von XCell zu stoppen. Ohne jegliche wissenschaftliche Evidenz laborieren diese Typen herum und streichen dickes Geld ein, "money for nothing". Seriöse Stammzellforscher (ja, die gibt es!) warnen schon seit längerem vor solchen Firmen, darunter explizit vor XCell. Es ist nicht einmal bewiesen, daß es tatsächlich Stammzellen sind, die da injiziert werden. Außerdem brauchen Stammzellen, damit sie sich zu dem gewünschten Zelltyp ausdifferenzieren, eine fein abgestimmte Stimulierung durch Wachstumsfaktoren und Zytokine, deren Details oft noch nicht klar sind. Es darf mit ruhigem Gewissen bezweifelt werden, daß XCell diese fein abgestimmte Stimulierung beherrscht.

    Na ja, aber "dank" der "Gesetzeslücke" werden solche Geschäftemacher weitermachen können wie bisher.