Die Art und Weise der Diskussion ist unsinnig und politisch kontraproduktiv!
Mit dem gesundem Menschenverstand eines Bürgers sind die Diskussionsbeiträge einiger der sogenannten Spitzenpolitiker kaum mehr nachvollziehbar! Auch jetzt wird wieder deutlich wie wenig fokussiert auf die eigentlichen Ursachen, die Diskussion in der Sache politisch geführt wird:
Gäbe es für alle Erwerbstätigen in diesem Land ein angemessenes Lohnniveau; gäbe es für jeden Arbeitslosen und Arbeitssuchenden in diesem Land einen Arbeitsplatz, würden wir diese Diskussion nicht führen müssen!
Würde sich die Politik endlich mit den Ursachen für die Notwendigkeit für Hartz IV befassen und konsequenterweise für ein "angemessenes Lohnniveau" über gesetzliche flächendeckende Mindestlöhne in diesem Land sorgen und durch aktive Beschäftigungspolitik die "Schaffung von Arbeitsplätzen" sicherstellen, wäre es für die Politik nicht notwendig Arbeitslosigkeit vornehmlich verwalten zu müssen!
Statt nun folgerichtig, dieses Hartz IV Urteil als Chance zu begreifen - nunmehr das Thema von den Ursachen anzugehen - verläuft man sich in eine derzeit absolut unnötige öffentliche Diskussion über die evtl. neue Höhe der Hartz IV Regelsätze!
Das der eine oder andere Politiker selbst dabei auch noch über das Ziel hinausschießt, kann mag eigentlich nur noch einer vermutlich nicht ausreichenden Befähigung für ein politisches Amt zuschreiben!?
Und offensichtlich ist der "Diskussionsbeitrag" einiger Spitzenpolitiker der FDP ausschließlich der Tatsache geschuldet, dass die FDP eine Sichtweise auf das Gesamtproblem in der Öffentlichkeit durchzusetzen versucht, nach dem die Regelsätze der Grundsicherung gesenkt werden können! Dieses erscheint nicht uneigennützig! Denn es wäre die geeignete Basis für die Gegenfinanzierung der von der FDP angestrebten Steuersenkung!
Nur, damit wird das eigentliche Problem, das hinter Hartz IV steht, nicht gelöst
Insoweit gilt es nun das Thema der Hartz IV nicht isoliert zu diskutieren, sondern - mit der gebotenen Sachlichkeit - aus einem beschäftigungspolitischen Ansatz heraus!
Hierbei ist zwingend, die längst überfällige Diskussion und Entscheidung über einen gesetzlichen flächendeckenden Mindestlohn zu führen!
Denn solange das die Angemessenheit der Bezahlung von Arbeit in diesem Land nicht in einem gesellschaftspolitischen Konsens tragfähig für die Zukunft geklärt ist, wird es keine sachliche Diskussion über die Höhe der Regelsätze der Grundsicherung nach dem SGB geben können! (Im Übrigen, auch wenn darüber das Bundesverfassungsgericht nicht implizit entschieden hat; wir reden hierbei auch über die Höhe der Grundsicherung derer, die im Alter zwingend auf soziale Transfers angewiesen sein werden!)
Zur Abrundung des Gesagten, als konstruktiven Beitrag zur Diskussion, nachfolgend eine umfängliche Würdigung der gesamtwirtschaftlichen Effekte, die ein gesetzlicher flächendeckender Mindestlohns von auf 9,00 Euro brutto/Std. bewirken würde:
Derzeit sind 6,5 Millionen Menschen in Deutschland dem Niedriglohnbereich zu zuordnen. (Als Niedriglöhner werden (statistisch) alle die Mitbürger in diesem Land bezeichnet, die ungeachtet ihrer Qualifikation für Stundenlöhne unterhalb der Niedriglohnschwelle von 9,62 Euro in Westdeutschland und 7,18 Euro in Ostdeutschland arbeiten müssen.).
Lt. dem IAQ-Report 2009-05 (Institut Arbeit und Qualifikation Fakultät der Gesellschaftswissenschaften Universität Duisburg-Essen) wird ausgewiesen, dass die gesamtdeutsche Niedriglohnquote, d.h. der Anteil der Beschäftigten im Niedriglohnbereich, ist zwischen 1998 und 2007 von 14,2 auf 21,5% gestiegen ist Auch wird darauf verwiesen, dass knapp ein Drittel der Niedriglöhner für einen Bruttostundenlohn von weniger als 6 Euro arbeitete.
Erschreckend hierbei, Zitat aus der o.a. Studie: "Knapp ein Viertel der Be-schäftigten, die weniger als 5 Euro pro Stunde verdienen, sind in Vollzeit tätig. Dies bedeutet, dass sie trotz voller Arbeitszeit im Monat nicht mehr als rund 800 ? brutto verdienen. Unter den Beschäftigten, die weniger als 7 Euro pro Stunde erhalten, stellen Vollzeitbeschäftigte mit gut 45% schon fast die Hälfte der Betroffenen."
Die zwingende Handlungsempfehlung die sich aus diesen Zahlen für die Politik ableiten läßt ist eigentlich eindeutig!
Würde man unterstellen, dass von einer durchschnittlichen Erhöhung des Lohnniveaus um 300 Euro, auf 9,00 Euro brutto/Std. rund 3,25 Millionen ArbeitnehmerInnen partizipieren würden, bedeutet das ein Mehr an Arbeitnehmereinkommen von rund 11,7 Milliarden Euro p.a. für die Gruppe der Niedriglöhner. Aus diesem Mehr an Arbeitnehmereinkommen würden sich weitere positive gesamtwirtschaftliche Effekte ableiten lassen:
1. Diese Steigerung der Arbeitnehmereinkommen führt zu einem zusätzlichen Beitragsaufkommen bei den Krankenversicherung in Höhe von mindestens 1,8135 Milliarden Euro p.a. (Beitragsatz aktuell 15,5 % von Bruttoeinkommen), bei der Pflegeversicherung zu einem Plus von ca. 0,33 Milliarden Euro (Beitragsatz aktuell 2,8 % von Bruttoeinkommen), bei der Arbeitslosenversicherung zu einem Plus von ca. 0,23 Milliarden Euro p.a. (Beitragsatz aktuell 1,95 % von Bruttoeinkommen).
Mithin würden rund 2,4 Milliarden Euro p.a. den Sozialkassen zusätzlich, über anteilige Beiträge aus einem gesetzlichen flächendeckenden Mindestlohn in Höhe von 9,00 Euro, zugeführt!
2. Bei einem Beitragssatz von aktuell 19,9 % vom Bruttoeinkommen, würden zusätzlich mindestens 2,33 Milliarden Euro p.a., aus einem gesetzlichen flächendeckenden Mindestlohn von 9,00 Euro brutto/Std., in die Rentenversicherung fließen!
3. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass ein Teil der Niedriglöhner als Aufstocker Hartz IV erhält, dürfte davon ausgegangen werden können, das eine Entlastung der Bundesagentur für Arbeit aus dem Wegfall der Leistungen aus sozialen Transfers entsteht, die (Annahme!) bei mindestens 2, 5 Milliarden Euro p.a. liegen dürfte!
4. Es kann davon ausgegangen werden, dass ein mehr an verfügbaren Nettoeinkommen, bei der Gruppe der Niedriglöhner zwangsläufig dem Konsum zugeführt wird.- Unter Berücksichtigung der anteiligen Beiträge an die Sozialkassen, der Belastung durch anteilige Lohn-/Einkommenssteuer dürften daher rund 75 % der
Erhöhung des Arbeitseinkommens, aus einem gesetzlichen flächendeckenden Mindestlohn von 9,00 Euro brutto/Std., direkt dem Konsum zufließen und einen Wachstumsbeitrag leisten!
5. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass ein Teil des Nettoeinkommens bisher erhaltene soziale Transfers ablöst, erbringt ein gesetzlicher flächendeckender Mindestlohn von 9,00 Euro brutto/Std. - in Abhängigkeit der jeweiligen Steuersätze -
ein Umsatzsteuerplus von bis zu 1,0 Milliarden Euro p.a..
6. Direkt entsteht über einen gesetzlichen flächendeckenden Mindestlohn eine Absicherung der Renten, über die höheren der Rentenversicherung zufließenden Beiträge; indirekt eine Anpassung der Renten (Rentenformel), über das durch den Mindestlohn erhöhte Durchschnittseinkommen der ArbeitnehmerInnen.
Mithin ist davon auszugehen, dass die Erhöhung der Lohnkosten zwar zu Belastungen der Arbeitgeber führt, die bislang in der Höhe eines unangemessen Lohnniveaus ihre ArbeitnehmerInnen entlohnt haben; diese werden aber mit großer Wahrscheinlichkeit von der Option Gebrauch machen, diese Lohnanpassungen über angemessen Preisanpassungen an den Markt weiterzugeben oder durch Gewinnverzicht auszugleichen!
Daraus folgt auch, dass durch die Tatsache der Anpassung der Lohnhöhe, ein Mehr an Arbeitszeit notwendig wird, somit die Notwendigkeit besteht die Anzahl der Arbeitsplätze oder deren Kapazitäten gem. dem vorhandenen Arbeitsvolumen auszubauen.
Am Beispiel geringfügig Beschäftigter (Anmerkung: mit einer Lohnobergrenze von max. 400 monatlich): Ein Arbeitnehmer der heute als geringfügig Beschäftigter 5,00 Euro Std./brutto erhält, arbeitet für 400 Euro pro Monat 20 Stunden pro Woche, 80 Stunden pro Monat.
Somit können, aus Sicht eines Arbeitgebers - auf dem derzeitigen gesetzlich ungeregelten Lohnniveau - ohne weiteres zwei geringfügig Beschäftigte, eine vollzeitbeschäftigte Arbeitskraft ersetzen. (Was im Übrigen auch in der Praxis passiert und in den letzten Jahren zu einem boom von geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen und Teilzeitbeschäftigungsverhältnissen geführt hat!).
Ein geringfügig Beschäftigter auf einem Lohnniveau von 9,00 Euro brutto/Std. und einer Lohnobergrenze von max. 400 monatlich, kann damit auch nur noch 11,1 Stunden pro Woche bzw. max. 44,4 Stunden im Monat arbeiten. Zwei geringfügig Beschäftigte somit zusammen nur noch max. 88,88 Stunden pro Monat!
D.h. allein durch die Tatsache, dass sich durch die Erhöhung auf eine gesetzliche flächendeckende Mindestlohnhöhe von 9,00 Euro/Std. brutto die Stundezahl innerhalb der geringfügigen Beschäftigung verringert, bedarf es ein Mehr an geringfügig Beschäftigten ArbeitnehmerInnen oder adäquat einem Mehr an Teilzeit- oder Vollzeitbeschäftigten.
Die Erfahrung in den anderen europäischen Länder zeigt deutlich, dass das von der schwarz/gelben Koalition propagierte Schreckensszenario des Arbeitsplatzverlustes durch die Einführung von Mindestlohn nicht gilt !
D.h. in den 22 europäischen Ländern, die den Mindestlohn eingeführt haben, sind eben keine Arbeitplätze verloren gegangen. Und wenn man sich die Branchen in Deutschland anschaut in denen der Mindestlohn eingeführt wurde, lässt sich auch dort kein Arbeitsplatzverlust durch Mindestlohn ausmachen!
Im Übrigen wird immer gerne unerwähnt gelassen, dass inzwischen auch in den USA ein gesetzlicher Mindestlohn gilt!
Ich darf ergänzend alle Interessierten auf das von ver.di beauftrage Gutachten "Was bringt ein gesetzlicher Mindestlohn für Deutschland?" aufmerksam machen, das in einer Modellrechung davon ausgeht, dass die stufenweise Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns auf der Basis 9,00 Euro, bis zu 600.000 zusätzliche Arbeitsplätze schafft.
Ich halte diese Zahl für realistisch und einen objektiven Ansatz die Diskussion über die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn aufzugreifen und endlich mit der gebotenen Sachlichkeit parteiübergreifend zu führen!
Es ist an der Zeit in Deutschland wieder mit sachgerechter zukunftsfähiger Politik zu beginnen.- Mit dem "Versagen der Politik" und den "Versagern in der Politik", muss endlich Schluss sein in diesem Land!
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