: Umsetzung der Autonomie verzögert
■ Entlassung von Palästinensern aus israelischer Haft unterbrochen
Tel Aviv (taz) – Bereits bei den ersten, relativ einfachen Schritten zur Umsetzung des Autonomie- Abkommens für die Westbank hakt es. Wegen Kontroversen und Verfahrensunklarheiten wurde gestern die Freilassung palästinensischer Gefangener durch die israelischen Behörden zunächst wieder gestoppt, nachdem rund hundert „kriminelle“ Häftlinge entlassen worden worden.
Gemäß dem kürzlich in Washington unterzeichneten sogenannten Oslo-II-Abkommen zwischen Israel und der palästinensischen Autonomie-Behörde (PNA) sollten zu Beginn der Umsetzung des Vertrages 1.200 von insgesamt etwa 5.500 männlichen Gefangenen aus der Haft entlassen werden. Einige hundert Gefangene, die zur Kategorie der „Kriminellen“ gehören, sollten samt ihrer Personalakten an die palästinensischen Behörden übergeben werden. Nach Angaben von PNA- Sprechern in Gaza hat Israel die ersten „Kriminellen“ jedoch auf freien Fuß gesetzt, ohne sich an diese Abmachung zu halten. Außerdem hätten nach dem Vertrag zuerst die politischen und dann die kriminellen Gefangenen entlassen werden sollen. Bei den politischen Gefangenen handelt es sich meistens um junge Palästinenser, die bei gewaltsamen antiisraelischen Demonstrationen festgenommen wurden.
Haschem Abed al-Rezek, der für die Gefangenen verantwortliche PNA-Sprecher, erklärte gestern, daß angesichts des israelischen Vertragsbruchs nun wahrscheinlich keiner der palästinensischen Gefangenen bereit sein wird, seine Entlassung zu akzeptieren. „Wir bestehen darauf, daß die Abkommen eingehalten werden“, sagte Rezek. Israel habe sich zudem verpflichtet, zuerst alle palästinensischen Frauen aus dem Gefängnis zu entlassen. Auch das sei nicht geschehen.
Die Freilassung der Palästinenserinnen aus israelischer Haft war am Sonntag an innerisraelischen Verfahrensfragen gescheitert. Von den vier Frauen, die entgegen dem Abkommen zunächst nicht freigelassen werden sollten, sind zwei wegen der Ermordung von Israelis in Haft. Präsident Ezer Weizman weigerte sich, die beiden zu begnadigen. Die Entlassung der beiden anderen Frauen wurde von der Armee abgelehnt. Daraufhin weigerten sich die übrigen 22 Frauen, die freigelassen werden sollten, das Scharon-Gefängnis nördlich von Tel Aviv zu verlassen, solange nicht auch die vier anderen freikämen. Nur eine Frau, Bashayer Abu Laban, die in einem anderen Gefängnis einsaß, hatte am Sonntag in Unkenntnis der Situation ihrer Freilassung zugestimmt.
Auch bei der Umgruppierung der israelischen Streitkräfte in der Westbank kommt es zu Verzögerungen. Eigentlich hätte der Rückzug der Soldaten im Sektor der Stadt Jenin im Norden der Westbank bereits am vergangenen Wochenende beginnen sollen. Der Abzug aus Jenin wurde jedoch verschoben. Bislang werden lediglich Zeremonien zur Schließung von lokalen Büros der israelischen Zivilverwaltung in vier Dörfern abgehalten.
Unterdessen hat Israel die Abriegelung des Gaza-Streifens und der Westbank um eine weitere Woche verlängert. Allein im Gaza- Streifen, wo die Blockade jetzt bereits drei Wochen in Kraft ist, belaufen sich die damit verbundenen wirtschaftlichen Schäden auf schätzungsweise umgerechnet 20 Millionen Mark. Amos Wollin
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen