Umschlagplatz: Tausende Tonnen Atom-Fracht
Die bremischen Häfen sind Drehscheibe für die Atomindustrie: Seit 2004 wurde dort etwa 300 Mal radioaktives Material umgeschlagen, so eine Senatsantwort.
In den letzten fünf Jahren sind über 2.700 Tonnen spaltbares Material in Bremen umgeschlagen worden. Der Großteil der strahlenden Uran-Fracht ging dabei über die Häfen des Landes, kleinere Teile davon ausschließlich über Straßen oder Schienen. Außerdem wurden mehrere tausend Tonnen weiteren radioaktiven Materials sowie nicht spaltbaren Atommülls durch Bremen verschoben. Das geht aus dem Entwurf der Antwort auf eine Parlamentarische Anfrage der Linkspartei hervor. Der Senat soll die Antwort am kommenden Dienstag beschließen.
Demnach gab es von 2004 bis 2008 insgesamt 309 Transporte strahlender Stoffe - also etwa 1,2 pro Woche. Diese kamen aus allen Teilen der Welt: Transporte aus und nach Deutschland, Australien, Brasilien, den USA, Kanada, Russland, Skandinavien, Südafrika, Frankreich oder den Niederlanden nutzen Bremen als Drehscheibe.
Meist wurde so genanntes Uranhexafluorid durch Bremen befördert. Dies stammt häufig aus den Anreicherungsanlagen des Urenco-Konzerns im nordrhein-westfälischen Gronau und Almelo in den Niederlanden - oder es war auf dem Weg dorthin. Das von Urenco angereicherte Uran wird in Brennelementfabriken zu Brennstäben weiterverarbeitet. Diese können dann in Atomkraftwerken eingesetzt werden. Bei jedem dieser Fertigungsschritte entsteht neuer Atommüll. Die bundesweit einzige Brennelementefabrik ist in unmittelbarer Nähe des Atomkraftwerks Lingen im Emsland - die französische Advanced Nuclear Fuels. Auch Advanced Nuclear Fuels ist häufig Absender oder Empfänger von Atomtransporten durch Bremen. Neben weiterem, nicht näher spezifizierten Atommüll und Castor-Transporten mit abgebrannten Brennelementen liefen auch Sendungen der US-Armee über Bremen. Die verschiffte beispielsweise radioaktive Stoffe aus Kuwait nach Schweinfurt oder aus South Carolina ins norwegische Trondheim. In dem vom Senat veröffentlichten Datenbankauszug ist die Fracht lediglich als "radioaktive Stoffe" deklariert. Fachleute glauben, dass es sich um Bestandteile für Uranmunition oder Atomreaktoren auf Flugzeugträgern oder U-Booten handeln könnte
"Es ist schockierend, in welchem Maß Bremen zur Drehscheibe der gesamten Atomindustrie geworden ist", sagt Bernhard Stoevesandt von Bremer Anti-Atom-Forum. Die Möglichkeit, strahlende Stoffe zwischen den weltweit verstreut liegenden Produktionsstandorten hin- und herschieben zu können, sei "essentiell" für das Funktionieren der Atomindustrie. "Und die Bremer Häfen spielen dabei offensichtlich eine tragende Rolle."
Für den Physiker ist das eine "hochgefährliche Sache". Das besonders oft transportierte Uranhexafluorid etwa sei nicht nur radioaktiv, sondern auch "chemisch sehr aggressiv", sagt Stoevesandt. Gerät es an die Luft, so entsteht Flusssäure - "das ist so ziemlich das ätzendste Zeug was man finden kann". Die Freisetzung wäre "ein richtiger Chemieunfall", es werde schnell gasförmig, das Einatmen des Stoffes ist gesundheitsschädlich.
"Die Industrie setzt die ganze Zeit darauf, dass das alles gut geht." Doch bei der großen Menge an Transporten sei dies "eine sehr optimistische Annahme", sagt Stoevesandt.
Die Bürgerschaftsfraktion der Linkspartei hatte in ihrer Anfrage darauf hingewiesen, dass es bereits 1997 und 1998 Beschlüsse von zwölf Ortsbeiräten zu Atomtransporten durch Bremen gegeben habe. Diese hätten den Senat dazu aufgefordert, angesichts der "unverantwortlichen Risiken" mit der Deutschen Bahn und den zuständigen Bundesbehörden darüber zu verhandeln, solche Transporte nicht mehr über bremisches Gebiet zu führen. Der Senat habe diese Beschlüsse aber "bislang ignoriert", so die Linksfraktion.
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