Umkämpftes Hamburg-Eimsbüttel: Sager fordert SPD-Rebellen heraus
In Hamburg-Eimsbüttel will Krista Sager das zweite grüne Bundestags-Direktmandat holen. Ihr Konkurrent ist der in der SPD ungeliebte Danial Ilkhanipour.
Wenn zwei sich streiten, freut sich der dritte - der Spruch ist uralt, doch in Hamburg-Eimsbüttel derzeit brandaktuell. In dem Wahlkreis, der traditionell fest in sozialdemokratischer Hand ist, fordert die Bundestagsabgeordnete Krista Sager - Hamburgs prominenteste Grüne - den SPD-Kandidaten zum Duell. Der heißt Danial Ilkhanipour und ist in seiner Partei einer der unbeliebtesten Genossen. Rüdiger Kruse, den Mann von der CDU, kennt außerhalb Hamburgs eigendlich niemand. Und doch schickt er sich an, aus dem Duell zwischen der grünen Krista und dem roten Danial als Sieger hervorzugehen.
Krista Sager hätte ihre Wahlkreis-Kandidatur eigendlich gar nicht nötig gehabt - schließlich hat als Spitzenkandidatin der Hamburger Landesliste der Grünen das Ticket nach Berlin bereits gelöst. Doch als Danial Ilkhanipour Anfang des Jahres in einer von ihm präzise vorbereiteten Kampfabstimmung den bis dahin kaum umstrittenen SPD-Kandidaten Nils Annen mit einer einzigen Stimme ausstach und viele Genossen hinterher von einem "Putsch" sprachen, witterte Krista Sager Morgenluft. Ließ sich von ihrer Partei zur "personellen Alternative" für das rot-grün geneigte Eimsbüttler Wahlvolk erklären und freut sich nun über jeden Genossen der gegen seinen Kandidaten agiert.
Denn viele Eimsbüttler Sozialdemokraten verweigern dem 27-jährigen Sohn iranischer Einwanderer jede Wahlkampfunterstützung, fordern stattdessen die Wähler auf, nur die Zweitstimme der SPD zukommen zu lassen. Als im Juni ein entsprechendes Transparent auf dem Juso-Bundeskongreß präsentiert wurde, spendeten viele Deligierte donnernden Applaus. Und über 200 Hamburger Sozis, darunter viele Ex-Senatoren, haben einen Anruf gezeichnet, in dem sie Ilkhanipour vorwerfen, er habe "die Grundsätze innerparteilicher Demokratie grob missachtet".
Doch dieser Gegenwind - so hofft Ilkhanipour - kommt auf der Straße nicht an. Wer beschäftigt sich schon so genau mit parteiinternen Querelen? "Kaum ein Passant spricht mich auf Annen an", freut sich der frühere Hamburger Juso-Chef. Seine Anhänger pflastern derweil fleißig die Straßen mit Stellschildern zu, auf denen der Kandidat mit braunen Kulleraugen rehgleich suggeriert, er könne niemandem etwas zuleide tun. 800 solcher Plakate hat die Ilkhanipour-Truppe schon in Stellung gebracht.
Krista Sager hingegen lächelt erst von schlappen 300 Stellschildern. Dafür wird sie anscheinend öfter auf die Machenschaften des Herrn Ilkhanipour angesprochen als dieser selbst. "Die Leute wissen zwar oft nicht was da genau lief, aber sie nennen ihn den Trickser, den man als gestandener Sozialdemokrat nicht wählen könne.", plaudert die Grüne aus dem Nähkästchen. Und die Frage, ob sie sich zutraue, das zweite grüne Direktmandat zu holen, beantwortet sie mit einem Anflug von Lokalpatriotismus. Die Hamburger seien "sportiv genug, zu beweisen, dass das nicht nur die Berliner hinkriegen."
Dabei verweist sie auf die Europawahl, in der sich hier in Eimsbüttel CDU, SPD und GAL ein Kopf-an-Kopf-Rennen lieferten, bei dem die CDU (27,3 %) die GAL (24,8%) und die SPD (23,7%) nur knapp ausstach. Die Umfragen für den Wahlkreis aber sprechen eine andere Sprache. Sie verheißen dem CDU-Kandidaten Rüdiger Kruse einen 36 Prozent-Erfolg, gefolgt von Ilkhanipour (34 %) und der doch ziemlich abgeschlagenen Krista Sager (15%).
Kruse, ein mässig talentierter Abgeordneter der Hamburgischen Bürgerschaft, wäre am liebsten ganz still im Schatten der rot-grünen Duellanten ans Ziel geschlichen. Doch gerade der Leisetreter des Kandidaten-Trios mauserte sich zur Hauptfigur eines Lokal-Skandälchen.
Weil er in einem Forsthaus mitten im Niendorfer Gehege - einem Eimsbüttler Parkgelände - wohnt, mußte sich Kruse bissige Kommentare gefallen lassen. Denn den Förster hat er so in ein Domizil außerhalb des Geheges verdrängt. Nun hat der 48-jährige, dessen Friseur ihm regelmässig einen Schnitt verpasst, der an ein schlecht sitzendes Toupet erinnert, im Dreikampf die Nase nicht mehr weit vorn.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen