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Umkämpfte libysche Stadt MisrataRebellen fordern Bodentruppen

Die Rebellen in Misrata fordern Hilfe von der internationalen Gemeinschaft. Frankreich und die USA lehnen den Einsatz von Bodentruppen ab. Der Außenminster spricht von Neuwahlen.

Die Rebellen kommen allein nicht gegen die Gaddafi-Truppen in Misrata an - doch vorerst können sie nicht auf Bodentruppen der Nato hoffen. Bild: reuters

MISRATA afp/dpa/taz | Die Rebellen in der seit Wochen von Gaddafi-Truppen belagerten libyschen Küstenstadt Misrata haben den Einsatz von ausländischen Bodentruppen verlangt. Ein Rebellensprecher forderte am Dienstag die Entsendung britischer und französischer Soldaten nach Misrata. Seit dem Beginn der Kämpfe in Libyen starben nach Angaben der Aufständischen bereits 10.000 Menschen, bis zu 55.000 seien verletzt worden.

Der Rebellensprecher Nuri Abdullah Abdullati sagte am Dienstag vor Journalisten in Misrata, die Aufständischen hätten formell um die Entsendung von Bodentruppen für den Schutz von Zivilisten gebeten. Britische und französische Soldaten sollten auf der Basis der "humanitären" Prinzipien nach Misrata entsandt werden. "Wenn sie nicht kommen, werden wir sterben", sagte Abdullati.

Die Bitte sei vergangene Woche in Form eines Briefes an den Nationalrat der Aufständischen in Bengasi übermittelt worden, da die Rebellen keinen direkten Kontakt zu den Koalitionstruppen haben. Bisher sei jedoch noch keine Antwort eingetroffen, sagte Abdullati.

Frankreichs Außenminister Alain Juppé betonte am Dienstag in Paris, er sei strikt gegen den Einsatz von Bodentruppen in Libyen. Frankreich will nun aber die libyschen Rebellen mit der Entsendung von Militärexperten unterstützen. Eine kleine Anzahl französischer Verbindungsoffiziere werde dem Nationalen Übergangsrat zur Seite gestellt, sagte Regierungssprecher François Baroin am Mittwoch in Paris. Die französischen Militärs sollten mithelfen, den Schutz der Zivilbevölkerung zu organisieren.

Detaillierte Angaben zum Einsatz und zur Zahl der Offiziere machte Baroin nicht. Es sollen jedoch weniger als zehn sein. Die Entsendung kämpfender Bodentruppen sei weiter nicht geplant, betonte der Sprecher.

Großbritannien hatte bereits am Dienstag bekanntgegeben, dass es die libyschen Aufständischen mit der Entsendung von Militärexperten unterstützen will. "Erfahrene Militärberater" sollen nach Bengasi geschickt werden, teilte der britische Außenminister William Hague mit. Nach BBC-Informationen handelt es sich um zehn Offiziere. Hague betonte, der Einsatz sei von der UN-Resolution gedeckt, an Kämpfen mit den Gaddafi-Truppen beteiligten sich die britischen Experten nicht.

Der libysche Außenminister gibt sich versöhnlich

Laut dem britischen Guardian hat der libysche Außenminister, Abdul Ati al-Obeidi, angekündigt, das Regime sei bereit, nach einem Waffenstillstand eine Interimsregierung zu akzeptieren, bis neu gewählt werde. Freie Wahlen wären sechs Monate nach einem Waffenstillstand möglich, sagte er laut Guardian. Bei einem Interviewtermin in Tripolis habe er gegenüber den Rebellen einen versöhnlichen Ton angeschlagen.

Gleichzeitig betonte al-Obeidi, der Konflikt in Libyen müsse dort gelöst werden, die internationale Gemeinschaft habe darin nichts verloren: "Die USA, Großbritannien und Frankreich widersprechen sich selbst. Sie reden über Demokratie, aber wenn es um Libyen geht, fordern sie, dass Gaddafi gehen soll. Das sollte nicht von außen diktiert werden, das kann kein fremder Staatschef entscheiden. Das wäre gegen die Prinzipien der Demokratie", sagte er demnach.

Frauen und Kinder als Schutzschilde

Die USA erwägen weiterhin Waffenlieferungen an die Rebellen. Man arbeite weiter an dieser Möglichkeit, sagte Außenamtssprecher Mark Toner in Washington. "Alle Optionen bleiben auf dem Tisch", fügte er am Dienstag vor Journalisten hinzu. Einzelheiten nannte er allerdings nicht. Die USA sagen seit Wochen, Waffenlieferungen an die Aufständischen seien nicht ausgeschlossen.

Mit Blick auf die angekündigte Entsendung britischer Militärberater nach Libyen verwies Toner erneut auf die Linie von Präsident Barack Obama. Demnach werden keine US-Bodentruppen nach Libyen geschickt.

Die Nato erhob schwere Vorwürfe gegen die Truppen Gaddafis. Die Soldaten des Regimes versteckten sich als Zivilisten verkleidet in der Nähe von Krankenhäusern, feuerten von Moscheedächern und missbrauchten Frauen und Kinder als Schutzschilde, sagte der Kommandeur des Libyen-Einsatzes, General Charles Bouchard, dem kanadischen Fernsehsender CBC.

Misrata wird seit sechs Wochen von den Truppen von Machthaber Muammar el Gaddafi belagert und unter beschuss genommen. In der 400.000-Einwohner-Stadt sind Essen, Wasser, Treibstoff, Medikamente und Strom knapp. Die Regierungstruppen setzen Grad-Raketen und Streubomben ein. Hilfsorganisationen befürchten eine Massenflucht aus der Stadt. Ein von Katar gechartertes griechisches Schiff stand bereit, um mehr als tausend verletzte Libyer sowie ausländische Arbeiter, vor allem aus dem Niger und dem Tschad, abzuholen. Außerdem sollte das dritte Schiff der Internationalen Organisation für Migration in den kommenden Tagen in Misrata eintreffen, um tausend weitere Gastarbeiter aus der Stadt zu holen.

Gaddafi-Sohn gibt sich siegessicher

Seit Beginn des Konflikts in Libyen Mitte Februar sind in dem nordafrikanischen Land nach Angaben der Aufständischen etwa 10.000 Menschen ums Leben gekommen. Bis zu 55.000 weitere seien verletzt worden, sagte Italiens Außenminister Franco Frattini am Dienstag unter Berufung auf den Vorsitzenden des Nationalen Übergangsrates der Rebellen, Mustafa Abdel Dschalil, den er in Rom empfing.

Die Nato bombardierte nahe der libyschen Hauptstadt Tripolis nach eigenen Angaben "Kommando- und Kontrollanlagen" von Gaddafis Armee. Zugleich räumte die Militärallianz in Brüssel ein, dass Lufteinsätze den Schutz von Zivilisten nicht sicherstellen könnten, weil die Gaddafi-Truppen ihre Panzer mit Zivilisten als menschlichen Schutzschilden sicherten.

Einer der Söhne Gaddafis, Seif el Islam, zeigte sich in einem Interview überzeugt vom Sieg der Regierungstruppen. "Ich bin sehr optimistisch, dass wir siegen werden", sagte er im Fernsehsender Allibya. "Die Lage entwickelt sich täglich mehr zu unseren Gunsten."

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8 Kommentare

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  • B
    Bernd

    Ich hoffe Deutschland bleibt auch weiterhin bei seinem Nein zur Invasion. Ich bin momentan richtig froh das wir eine Schwarz-Gelbe Regierung haben, unter Rot-Grün wären wir wohl beim nächsten Krieg dabei.

  • F
    freddi

    Ach, Bernd Goldammer, jetzt wissen Sie immer noch nicht, wer die Rebellen sind? Da wär jetzt aber genug Zeit gewesen in den letzten Wochen, sich mal zu informieren. Aber ich bin ja nicht so - hier ein Artikel der imperialistischen Strolch-Zeitung NZZ aus Zürich:

     

    http://www.nzz.ch/nachrichten/politik/international/planspiele_fuer_ein_demokratisches_libyen_1.10148491.html

     

    Sie schreiben auch "Wie es jetzt aussieht, hat ihn das libysche Volk nicht abgesetzt. "

     

    Erzählen Sie uns doch mal, wie ihrer Meinung nach die Libyer ihren mordenden Diktator absetzen sollten. Mit friedlichen Demonstrationen?

     

    Das endete ja leider so:

     

    http://www.youtube.com/watch?v=BQBaeEZunTo&feature=related

  • HB
    Hui Buh

    Ach was,

    Zivilisten schützen ist mit Luft-Boden Raketen nicht möglich?

    Wer hätts gedacht?

     

    Aber wie ist denn Zivilisten schützen möglich?

     

    Etwa nur mit umfangreichem Einsatz von Bodentruppen?

     

    (Und selbst dann nur unter Vorbehalt!)

     

    Huiuiui, wenn das mal nicht eine Neuauflage von Afghanistan wird.

  • BG
    Bernd Goldammer

    Der Artikel verkennt Ursache und Wirkung auf brutalste Weise! Die 400.000 Einwohnerstadt Misratah ist libysches Staatsgebiet. Wer aber sind die Rebellen? Was meinen die mit Freiheit? Manchmal sickert nämlich durch, dass eine nicht geringe Zahl dieser Kämpfer über Afghanistan Erfahrung verfügen. Wenn einige Regierungsmitglieder Gaddafis sich an die Spitze dieser Bewegung gesetzt haben, wie zum Beispiel der Justitzminister und langjährige Todesurteilunterschreiber Mustafa Abdel-Jalil, dann kann ich das nicht ernst nehmen. Sinneswandlungen von Politikern kann man kaufen. Fakt ist: Die Rebellen haben die 400.000 Einwohnerstadt auf libyschen Staatsgebiet eingenommen. Wie soll Libyen seine Staatsbürger in Misratah mit Wasser und Lebensmitteln versorgen? Lieber Autor, ein Waffenstillstandsangebot ist an den Bedingungen der Rebellen gescheitert! Zumindestens das sollten Sie wissen! Wer UNO, Nato,USA im Rücken hat, geht offenbar nicht mal auf einen Waffenstillstand ein. Dieser aber ist notwenig um die Bürger Misratahs zu versorgen. Wer nimmt nun die unbewaffnete Bevölkerung als Geiseln? Alle libyschen Frauen, Kinder und Männer müssen vor Geiselnahme geschützt werden. Soweit ich aus Ihrem Artikel erfahre, hat die libysche Armee die Stadt Misratah umstellt. Die Presse-Nummer mit der gefundenen Streumunition kann keiner Seite zuordnet werden, ohne dabei Propaganda für die andere Seite zu machen. Wenn Sie schon gültiges UNO-Völkerrecht nicht anwenden wollen, sollten sie wenigstens gesunden Menschenverstand gebrauchen. Wer missbraucht Misratahs Einwohner als lebendige Schutzschilde? Nach westlichen Wertegefüge dürfte kein einziger West-Flieger mehr aufsteigen. Jahrzehntelang wurde Staatsoberhaupt Gaddaffi als legitimer Vertreter Libyens in allen Medien vorgeführt. Wie es jetzt aussieht, hat ihn das libysche Volk nicht abgesetzt. Es wird Zeit, dass uns die Rebellen vorgestellt werden. Hoffentlich können sie die offizielle Sprache Lybiens sprechen. Das sollten wir prüfen bevor die in Misratah ihre Scharia einführen können.

  • B
    berner

    Ich mag die Herrn Westerwelle nicht - ich halte ihn für einen Hansdampf. Dennoch respektiere ich seine Entscheidung sich aus dem Lybien-Konflikt herauszuhalten. In Lybien findet ein Bürgerkrieg statt, Interessensverbände, Familienverbände, Stammesverbände, Kriegsgewinnler bekämpfen sich wechselseitig. Es gibt kein Schwarz und Weiss, ich bezweifle das irgendein Europäer - außer diesem unsäglichen französischen Berufsphilosophen - die dortige Situation auch nur hinreichend einschätzen kann. Warum sollen wieder einmal Europäer und Amerikaner ihre Haut zum Markte tragen um dort das eine korrupte,atavistische System durch ein anderes abzulösen. Das Beispiel Afghanistan zeigt doch jeden Tag, dass Demokratie nicht übertragbar ist.

  • W
    weidhaas

    Mit primitiver Gewalt werden die Rebellen NICHTS erreichen,

    Die Rebellen müssen sich fragen,ob sie nicht mitschuldig machen,

    was momneatn in Misrata passiert.

  • T
    THOR

    Da haben sich die Politpappnasen wieder einmal von den weltweit operierenden Kriegstreibern, Waffenproduzenten-und Händlern ins Bockshorn jagen lassen. Je länger je besser für die Profiteure. Jahrzehntelang wurde Gaddafi vom Westen aufgerüstet und jetzt soll ein undurchsichtiger, schlecht bewaffneter Haufen etwas ausrichten. Die Islamisten werden das auszunützen wissen, gegen den Westen, gegen Gaddafi.

  • F
    franziska.qu

    Wer hat diese sogenannten Rebellen eigentlich gegründet, trainiert und mit modernsten Waffen ausgerüstet? Wieso eigentlich räumen die Rebellen nicht Misrata..und schon könnte die Bevölkerung bestens versorgt werden. So halten die Rebellen die dortige Bevölkerung als Geisel. Wieso werden die Rebellen als Stimme aller Libyer anerkannt, wo sie nur einen Bruchteil der Menschen darstellen? Wieso akzeptiert die internationale Angriffskrieggemeinschaft, dass die Rebellen bereits Verträge über die Verscherbelung der Libyschen Ölvorkommen mit ausländischen Firmen unterzeichnen?

    Wo und wann fanden die angeblichen Massenmorde durch die Regierungstruppen, die im 'Westen' nur noch unter dem Kürzel 'Gaddafi' firmiren, statt. Gerade dazu von den Kriegspropagandafreunden etwas zu erfahren, wäre interessant, schließlich sind diese angeblichen Massenmorde der 'Grund' für die Kriegshetze der Deutschen Medien und der Bombardierung Libyens. Also...wo, wie, wann...Wieso eigentlich schreibt niemand Obama und seine Kumpels vor den Internationalen Strafgerichtshof, obwohl sie spätestens mit ihren Krieg um Regime-Change sämtliches existierende Recht mißachten?