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Umgekehrter Lebensweg

Stieg Susanne Albrecht aus der RAF aus, weil die Ermordung ihres Patenonkels nicht geplant war?  ■ P O R T R A I T

Berlin (taz) - Im Hochsommer 1977 erschien Susanne Albrechts Portrait auf der Titelseite des 'Spiegels‘: blutrot. Das Blatt versuchte, den Mord am Chef der Dresdner Bank, Jürgen Ponto, mit einem Psychogramm der „Frauen im Untergrund“ zu illustrieren. Jürgen Ponto war Susanne Albrechts Patenonkel gewesen, und deshalb hatten die Pontos der RAF-Frau die Tür geöffnet. Wahrscheinlich, so die Ermittlungsbehörden, habe die RAF geplant, den Bankenchef zu entführen, um gefangene Genossen freizupressen. Er war sofort tot, als ein Revolvermagazin auf ihn leergeschossen wurde. Ein Betriebsunfall?

Für diesen Mord verurteilt wurde später unter anderem Brigitte Mohnhaupt. Die drei Kommandomitglieder seien panisch davongerast, gab die Witwe zu Protokoll. Susanne Albrecht avancierte ob ihrer Kaltblütigkeit in den Boulevard -Blättern zur „gefährlichsten Frau Deutschlands“.

„Wie wurde aus dem behüteten Mädchen, das als politisch eher uninteressiert und schüchtern galt, eine der meist gesuchten Frauen?“, fragten die Zeitungen. Die Hamburger Anwaltstocher hatte die anthroposophische Rudolf-Steiner -Schule besucht, hatte Pädagogik, Psychologie und Soziologie studiert und dann zusammen mit anderen ein Haus in der Hamburger Eckhofstraße besetzt. Sie wurde Mitglied im Hamburger „Anti-Folterkomittee“, das die Haftbedingungen der ersten RAF-Gefangenen in den berüchtigten „toten Trakts“ anprangerte. Im Oktober 1974 war sie bei der Besetzung des „amnesty international„-Büros in Hamburg dabei, ein knappes halbes Jahr später soll sie bereits öffentlich für die Ziele der RAF eingetreten sein. „Politisch wenig interessiert“ war sie bestimmt nicht.

Nach dem Ponto-Attentat wurde Susanne Albrecht im Irak, in Libanon, Südjemen oder Syrien vermutet. In linken Diskussionszirkeln, die sich von Hungerstreik zu Hungerstreik weiterhin mit der RAF auseinanderzusetzen versuchten, hieß es allerdings auch bald, Albrecht sei - aus Entrüstung über den „Betriebsunfall“ bei der Ermordung ihres Onkels und nach den folgenden Auseinandersetzungen bei den Kommandos - aus der RAF ausgestiegen.

Jedenfalls tauchte sie nach 1977 bei keiner Kommandoaktion mehr auf. Nach ihrer Festnahme am Mittwoch stellten die Behörden fest, daß sie bereits seit Anfang der achtziger Jahre ein bürgerliches Leben mit Mann und Kind in der DDR geführt hat. Sie wählte also den umgekehrten Weg: von der „meistgesuchten Terroristin“ zur Mutter in einer Kleinfamilie.

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