Umgang mit Sportverletzungen: Volle Härte
Schmerz und Verletzungen gehören zum Sport dazu – nicht nur bei den Profis. Alle wissen das und machen trotzdem weiter. Warum tun sie sich das an?
![T-förmige Spielfeldmarkierung auf einem Grandplatz aus Maulwurfsperspektive T-förmige Spielfeldmarkierung auf einem Grandplatz aus Maulwurfsperspektive](https://taz.de/picture/4597045/14/imago0048899820h-1.jpeg)
Doch nach einer halben Stunde ist das Spiel für mich gelaufen, wahrscheinlich sogar die gesamte Saison. Oder war’s das sogar komplett mit dem Fußballspielen? Ich habe Freunde, die sich mehrfach schwer am Knie verletzt haben und teilweise noch nach Jahren mit den Folgen kämpfen. Viele ehemalige Mannschaftskollegen mussten deshalb aufhören, vor allem aus Angst vor einer erneuten Verletzung.
Ich spiele seit meiner Kindheit mit großer Begeisterung, war zwar nie besonders gut, aber sehr ehrgeizig. Mit dem Talent bin ich in der Kreisklasse gut aufgehoben, aber die Einstellung ist ambitionierter. Im März, während des ersten Lockdowns, als Mannschaftssportarten verboten und Fitnessstudios geschlossen waren, habe ich getan, was ich mir seit Jahren vorgenommen hatte: Ich bin konsequent laufen gegangen, um mich konditionell zu steigern.
Es hatte ein paar Jahre gedauert, bis ich verinnerlicht hatte, dass Fußball ein Laufsport ist. Früher, als Kind, bin ich meist verträumt über den Platz gejoggt und habe auf den Ball gewartet, statt ihm hinterherzujagen. Die Disziplin entwickelte sich erst mit dem Alter. Aber nun ist von einem Moment auf den anderen alles futsch, was ich mir in den letzten sechs Monaten erarbeitet habe. Das schmerzt, nicht nur im Knie.
Aufgeben kommt nicht infrage
Eine Kernspintomografie bringt Gewissheit: Das vordere Kreuzband ist gerissen, die übrigen Bänder und der Meniskus sind intakt. Die Diagnose klingt nach Glück im Unglück. Aber was bedeutet das konkret? Von den Profis weiß man, dass es mindestens ein halbes Jahr dauert, bis sie nach einem Kreuzbandriss wieder spielen dürfen. Bei uns Amateuren kann es deutlich länger dauern.
Doch Aufgeben kommt nicht infrage, ich entscheide mich für eine Operation. Bis dahin gehe ich drei Mal pro Woche zur Physiotherapie. Nach einem Kreuzbandriss schwillt das Kniegelenk stark an und lässt sich weder richtig strecken noch beugen. Das versuchen die Therapeuten mit ein bisschen Druck wieder geradezubiegen. Angenehm ist das nicht, aber auch nicht ganz so schmerzhaft, wie ich befürchtet habe.
Überhaupt bewahrheitet sich kaum eine der Horrorgeschichten, die andere erzählt haben: sechs Wochen Krücken, starke Schmerzen, kaum Bewegung und sehr viel Muskelmasse, die verloren geht. Schon am Tag nach der OP darf ich mit beiden Beinen auftreten und das operierte Knie leicht belasten. Wegen der hoch dosierten Schmerzmittel spüre ich kaum etwas.
Auch danach, ein paar Wochen später, ist es gefühlt halb so wild. Warum stellen sich alle so an? Klar, es gibt Schöneres, als auf Krücken zu laufen oder eine Orthese zu tragen. Aber das alles ist doch kein Grund, die Fußballschuhe frühzeitig an den Nagel zu hängen.
Ich fühle mich von Tag zu Tag besser, das Beugen und Strecken klappt auch schon ganz gut. Bis ich, geblendet durch den bisher sehr positiven Verlauf, etwas unvorsichtig eine falsche Bewegung mache und ich wieder diesen stechenden Schmerz im Knie spüre. Mein Arzt erklärt mir, dass sich im Knie Verklebungen gebildet haben, die sich lösen müssen. Das Schlimmste kommt also erst noch. Und es wird viele Monate dauern, bis die Mobilität im Knie wiederhergestellt ist.
Lohnt sich der ganze Stress für ein bisschen Gekicke in der Kreisklasse? Oder sollte ich es doch lieber ganz sein lassen? Ich muss meine Entscheidung überdenken, ein zweites Mal würde ich mir diese Prozedur nicht antun wollen.
Zum Glück habe ich die freie Wahl zu entscheiden, ob ich das Risiko in Zukunft noch mal eingehen will. Und ich kann mir Zeit lassen. Für Profis gilt das Gegenteil. Sie müssen an die Grenze ihrer Belastbarkeit gehen. Manchmal sogar weit darüber hinaus.
Mehr zum Thema lesen Sie in unserem Wochenendschwerpunkt in der gedruckten taz am wochenende oder hier
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!