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Ultimatum für Schreyer

■ Potsdamer sollen in einem nichtförmlichen Anhörungsverfahren zum Forschungsreaktor des HMI gehört werden / Entscheidung bis Ende Juli

West-Berlin. Nach einer bis in die Abendstunden andauernden Sitzung des rot-grünen Senats - bei der auch wieder eine der mittlerweile legendären Auszeiten genommen wurde - wurde gestern über die Inbetriebnahme des umstrittenen Forschungsreaktors BER II am Hahn-Meitner-Institut eine Entscheidung herbeigeführt. Die für die Genehmigung zuständige Umweltsenatorin Schreyer hatte zwei Gründe gegen die von Wissenschaftssenatorin Riedmüller gewünschte sofortige Inbetriebnahme geltend gemacht: zum einen sei die Entsorgungslage nach wie vor ungeklärt - als Beleg hatte Schreyer am Montag ein neues Gutachten vorgelegt (die taz berichtete) -, zum anderen müßten die Potsdamer Bürger, die im unmittelbaren Einzugsbereich des HMI wohnen, auch die Chance erhalten, an einem Anhörungsverfahren beteiligt zu werden.

Der Senat beschloß gestern einvernehmlich, für die Potsdamer vom 18. Mai bis zum 18. Juli ein Anhörungsverfahren durchzuführen. Ein neues förmliches Anhörungsverfahren soll nach Verstreichen dieses Termins erst in Gang gebracht werden, wenn „neue entscheidungsrelevante Tatsachen“ vorgetragen werden. In dem Beschluß heißt es: „Die politische Fairneß gebietet es, den betroffenen Mitbürgern die Möglichkeit zu geben, in die Unterlagen und Akten Einsicht zu nehmen und Einwendungen zu erheben.“ Eine sofortige Einleitung eines förmlichen Anhörungsverfahrens sei nach der bestehenden Gesetzeslage nicht erforderlich. Diesem Verfahren konnten sich dem Vernehmen nach auch die AL-Senatorinnen anschließen.

Zum Konflikt kam es dagegen bei der Entsorgungsfrage: Hier wurde schließlich auf Druck des Regierenden Bürgermeisters per Abstimmung eine Entscheidung herbeigeführt, die die drei AL-Senatorinnen nicht mittrugen. Bei der Abstimmung soll die Senatorin für Jugend, Frauen und Familie, Anne Klein, mit Nein gestimmt haben, Schul- und Sportsenatorin Sibylle Volkholz enthielt sich, und Umweltsenatorin Michaele Schreyer erklärte nach der Abstimmung, sie werde den Beschluß nicht mittragen. Als Begründung für den Senatsbeschluß wurde angegeben, das von Umweltsenatorin Michaele Schreyer vorgelegte Gutachten sei unzureichend. Es sei nicht hinreichend geeignet, um über den Verbleib und die angebliche militärische Verwendung der atomaren Brennstäbe Auskunft zu geben. Die jeweiligen Alliierten sollen über die Senatskanzlei aufgefordert werden, über die Verwendung von Brennstäben Auskunft zu geben (gemeint sind die Briten und die Amerikaner). Bis Ende Juli soll laut dem Beschluß eine endgültige Entscheidung über die Inbetriebnahme des Forschungsreaktors getroffen werden, und zwar aufgrund des bereits vorliegenden Entsorgungskonzeptes des HMI. Der Umweltsenatorin ist damit praktisch ein Ultimatum gesetzt worden.

Wissenschaftssenatorin Riedmüller soll heute den Bonner Bundestagssausschuß für Wissenschaft und Forschung über den Senatsbeschluß informieren und deutlich machen, daß eine Anhörung der Potsdamer aus demokratischen Gründen erforderlich sei. Der Bonner Forschungsminister Riesenhuber (CSU), dessen Ministerium ein maßgeblicher Geldgeber für das HMI ist, hatte gestern verärgert über die angebliche weitere Verzögerung in Berlin durch eine solche Anhörung reagiert. Er verwies darauf, daß Bedenken von DDR-Bürgern im Klagewege vor Berliner Gerichten gegen eine Betriebsgenehmigung geltend gemacht werden könnten. Jetzt werde offensichtlich der Versuch gemacht, das Verfahren „unübersehbar in die Länge zu ziehen“. Der Regierende Bürgermeister Momper und Wissenschaftssenatorin Riedmüller hatten eine Betriebsgenehmigung für den in sechsjähriger Bauzeit erweiterten Forschungsreaktor für Mai in Aussicht gestellt.

kd

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