piwik no script img

Ulrike Winkelmann Ernsthaft?Die Whatever-it-takes-Fregatte wird mit 2,5 Milliarden das Stück veranschlagt

Foto: Jörn Neumann

Die Wonne schwappte morgens geradezu aus dem Radio. Armin Papperger, Vorstandschef des Rüstungskonzerns Rheinmetall, schilderte im Deutschlandfunk seine Sicht darauf, dass die Sicherheit nun einen „viel, viel größeren Stellenwert bekommen muss“. Papperger hatte zwar kurz aus dem Blick verloren, wie stark der Rheinmetall-Aktienwert über Nacht schon wieder gestiegen war. Doch viel wichtiger, ja entscheidend sei doch, „dass wir für die Sicherheit unseres Landes kämpfen wollen und müssen“.

Bei einem Anstieg der europäischen Rüstungsausgaben auf 2,5 bis 3 Prozent vom BIP rechne Rheinmetall bis 2030 mit einem Potenzial von 300 bis 400 Milliarden Euro an Auftragseingängen. Um diesem Potenzial „gerecht zu werden“, sagte Papperger, müsse Rheinmetall seine Kapazitäten noch einmal verdoppeln. „Und das tun wir.“ Es klang, als solle man ihm schon auch dankbar sein.

Meine, deine, unser aller Sicherheit als Produkt aus Auftragseingängen in mehrstelliger Milliardenhöhe, die zu schultern ein tapferes Unternehmen sich zutraut: Ist das schon der Sound eines neuen militärisch-industriellen Komplexes in Europa? Der US-amerikanische Präsident Dwight D. Eisenhower prägte 1961 für die geflissentliche Verschmelzung von Sicherheits- und Rüstungs(industrie)interessen den Begriff „military-industrial complex“. Darunter wurde in den USA dann auch eine besondere Nähe unter politischem, wirtschaftlichem und militärischem Spitzenpersonal verstanden. Insgesamt leistete der Begriff womöglich einer ganzen Tradition verschwörungstheoretischen Denkens Vorschub.

Doch werden wir vielleicht noch nach Worten dafür suchen müssen, was eigentlich passiert, wenn Geld in unbegrenzter Höhe in Aufrüstung fließen darf – in den Worten des Kanzlerkandidaten Friedrich Merz: „­whatever it takes“. Die Militärkosten ab 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts von der Schuldenbremse auszunehmen, wie jetzt Schwarz-Rot mit den Stimmen der Grünen vereinbart hat, ist ja wahrscheinlich einerseits richtig. Soll heißen: Die Bedrohung durch Wladimir Putins Russland braucht niemand kleinzureden. Andererseits sehe ich bisher nicht ausreichend Anlass, darauf zu vertrauen, dass unsere demokratischen Instanzen angemessen kontrollieren werden, was da nun mit whatever it takes wofür abfließt und inwiefern das genau unserer Sicherheit dient.

Gern hätte ich zum Beispiel mehr darüber erfahren, was in der letzten Sitzung des Jahrs 2024 im Haushaltsausschuss des Bundestags besprochen wurde, als dort 38 Rüstungsprojekte im Wert von rund 17 Milliarden Euro trotz Wahlkampf einträchtig durchgewunken wurden. Nur zur Einordnung: 17 Milliarden Euro, das waren zum Beispiel die Ausgaben der Pflegeversicherung für die Heimpflege im Jahr 2023. Immerhin hat der Militärexperte Thomas Wiegold dankenswerterweise in seinem Blog über die teure Sitzung geschrieben.

Ulrike Winkelmann ist Chef­redakteurin der taz.

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) bezeichnete im Anschluss zwei Großgerätschaften für die Marine als „größten Brocken“: vier U-Boote U212 CD und die „enorm wichtige Fregatte F127“ beziehungsweise der „Startschuss“ für dieselbe. Die U-Boote sind zunächst mit knapp fünf Milliarden Euro veranschlagt, bauen soll sie Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) in Kiel und Wismar. Sechs Fregatten werden derzeit auf 15 Milliarden Euro geschätzt. Demnach kostet jede einzelne etwas mehr als zum Beispiel das komplette Wohngeld des Jahrs 2024.

Meine, deine, unser aller Sicherheit

Sind vier U-Boote und sechs Fregatten so viel wert wie die Heimpflege und das Wohngeld? Wer auch immer bei Schwarz-Rot demnächst für Verteidigung zuständig ist – ich bekäme das dann doch gern aufgedröselt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen