Ulrike Herrmann über das Vetorecht bei Firmenübernahmen: Imaginäre Feinde
Ein Schreckensszenario geistert durch die Politik. Man stelle sich einmal vor: Eine chinesische Firma kauft ein Softwareunternehmen in Deutschland, das wiederum die Programme für Kraftwerke oder deutsche Verteidigungsanlagen geschrieben hat. Die Chinesen, so die bange Sorge, könnten heimtückisch die deutschen Kraftwerke ins Blackout steuern. Ganz Deutschland wäre lahmgelegt! Aus dem fernen Peking! Nur weil die Chinesen eine deutsche Firma kaufen konnten!
Derartige Cyberangriffe will die Koalition verhindern. Sie billigte am Mittwoch eine Verordnung, die ausländische Übernahmen erschwert. Künftig kann der Wirtschaftsminister ein Veto einlegen, wenn er glaubt, dass sensibles Wissen abwandern würde.
Diese Idee ist nicht neu. Die USA haben schon lange ein Vetorecht; Frankreich denkt auch darüber nach. Trotzdem sind diese Verordnungen vor allem Aktionismus, und gerade für Deutschland gilt, dass diese Abwehrmaßnahme wenig bringt.
Schon jetzt ist nämlich klar, dass Übernahmen nur selten gestoppt werden, wenn überhaupt. Denn das deutsche Eigeninteresse gebietet, möglichst viele Firmenkäufe zuzulassen. Die Bundesrepublik ist bekanntlich eine Exportnation, die enorme Überschüsse anhäuft. Diese Ersparnisse müssen im Ausland angelegt werden – und eine sehr attraktive Variante ist, Betriebe zu übernehmen. Es ist aber kaum vorstellbar, dass die Deutschen auf permanente Einkaufstour im Ausland gehen, selbst aber Schwierigkeiten machen, wenn es um Firmenübernahmen hierzulande geht.
Hinzu kommt ein praktischer Aspekt: Hackerangriffe aus dem Ausland sind immer möglich. Man muss nicht erst eine Firma in Deutschland kaufen, um hier Schaden anzurichten.
Kurzum: Wäre die neue Verordnung wichtig, gäbe es sie längst. Dass sie jetzt doch noch kommt, hat vor allem mit dem Wahlkampf zu tun. Es macht sich immer gut, gegen vermutete Feinde zu Felde zu ziehen.
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