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Ulla Schmidt über Gesundheitspolitik"Die Kopfpauschale ist ungerecht"

Exgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) fordert von der Regierung die Abkehr von der Kopfpauschale. Diese löse kein einziges Problem – sie schaffe nur neue.

Ulla Schmidt: "Die Kopfpauschale ist ungerecht. Jemand wie ich soll denselben Betrag bezahlen wie eine Sekretärin." Bild: ap
Interview von Gordon Repinski

taz: Frau Schmidt, die FDP will die Gesundheitskosten von Arbeit abkoppeln. Was ist daran falsch?

Ulla Schmidt: Die Kopfpauschale löst kein einziges Problem. Sie schafft neue. Damit wollen CDU und FDP die Arbeitgeber aus der Finanzierung des Gesundheitswesens entlassen. Wenn die Arbeitgeber nicht mehr für die Finanzierung des Systems verantwortlich sind, ist Gesundheit für sie nur noch ein Markt. Wer Geld hat, kann sich alles erlauben. Bei den anderen reicht Grundversorgung. Das halte ich für falsch.

Die Kopfpauschale ist also ein Geschenk an die Arbeitgeber?

Ja. Die Klientel der Regierung soll befriedigt werden. Zudem ist die Kopfpauschale ungerecht. Jemand wie ich soll denselben Betrag bezahlen wie eine Sekretärin. Das bestehende Beitragssystem, gestaffelt nach Einkommen, bietet den einzigen funktionierenden Sozialausgleich.

Wie können dann die Einnahmen verbessert werden?

Die Trennung von privater und gesetzlicher Krankenkasse muss endlich aufgehoben werden. Zudem müssen neben unselbständiger Arbeit Vermögen herangezogen werden. Das wäre gerecht.

Niemand war länger Gesundheitsministerin als Sie mit fast neun Jahren. Warum haben Sie es nicht selbst umgesetzt?

Wir haben mit dem Gesundheitsfonds die Beiträge vereinheitlicht und die Versicherungspflicht für alle eingeführt. Dies hätte man ausbauen können. Aber Gesundheitspolitik ist Kompromisspolitik. Mit CDU und CSU ist aber kein Kompromiss möglich, bei dem die Privatversicherung angetastet wird.

Und mit der FDP?

Mit der FDP hätte ich als Ministerin am wenigsten einen gemeinsamen Nenner gefunden. Die FDP orientiert ihre Politik an den Interessen der privaten Versicherung. Das Sozialstaatsprinzip steht für sie nicht im Vordergrund. Es soll schrittweise zur Risikoversicherung umgebaut werden.

Auf der Ausgabenseite will die Koalition nun unter anderem bei Arzneimitteln vier Milliarden sparen. Funktioniert das?

Viele Dinge stehen bereits im Gesetz. Preisverhandlungen können heute schon geführt werden. Auch Zweitmeinungen müssen bei der Verordnung von teuren Medikamenten eingeholt werden. Das muss umgesetzt werden. Aber die Regierung hat ein Jahr verloren, weil sie über den Vorsitzenden des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, Peter Sawicki, debattiert hat, bis er gehen musste. Die Industrie war immer gegen ihn, weil er unabhängig entschieden hat. Ich hoffe, dass sein Nachfolger da genauso hart ist.

Wie können die steigenden Kosten außer mit Einsparungen in den Griff bekommen werden?

Wenn Steuermittel begrenzt sind, müssen Beiträge steigen.

Das macht Arbeit teurer und kostet Arbeitsplätze.

Arbeitskosten hängen nicht nur an Gesundheit. Und die Gesundheitsbranche ist ein Wachstumsbereich mit über 5 Millionen Arbeitsplätzen. Das muss auch gesehen werden.

Hätte sich Gesundheitsminister Rösler mehr um die Opposition bemühen müssen?

Ich hätte es gemacht. Aber dazu muss die Regierung wenigstens wissen, was sie will. Dass dies nach fast einem Jahr noch nicht der Fall ist, ist bemerkenswert.

Muss Rösler Führungsstärke zeigen?

Er muss es selber entscheiden. Aber es läuft viel zu viel Zeit weg. Jeder Tag kostet Geld in der Gesundheitspolitik. Sie dürfen nichts verschieben. So viel Geld kann gar nicht gedruckt werden, wie jedes Jahr dort ausgegeben wird.

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8 Kommentare

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  • L
    Leidkultur

    Die Kopfpauschale wäre die einig gerechte KV.

    "Der Chefarzt" zahlt über seine hohen Steuern doch schon den Sozialausgleich für " die Krankenschwester". "Der Chefarzt" hat Abitur, mindestens 8 Jahre Studium, meist noch Studiumkredit zurückzuzaheln, zumindest aber war er länger und intensiver in Ausbildung als " die Krankenschwester". Da darf er doch auf eine bessere Bezahlung hoffen? Oder soll er die Differenz seines Verdienstes gleich umverteilen lassen? Nix da mit Ungerechtigkeit. Niemand wird daran gehindert zu studieren und mal "der Chefarzt" zu werden. Ich kenne nur Leute, die unter größtem persönlichen als auch fianziellen Aufwand ihr Studium durchgezogen haben, oft belächelt von den schon Verdienenden...mit fast 30 immer noch keine Kohle...wenn sie dann da ist, ist es plötzlich sooo ungerecht, dass der Akademiker einen höheren Lebenstandard hat..

  • KH
    Karin Haertel

    Hat man in einer Regerung nichts zu melden, dann kann man sich locker aufplustern. Unter Ulla´s "Herrschaft" wuden uns sinkende Beitraege versprochen, auf die wir noch immer warten. Die Ungerechtigkeit einer Pauschale weiss mittlerweile jedes Kind und fuert auch zu keiner Qualitaetsverbesserung. Man erhaelt lediglich fuer den Grossteil der Bevoelkerrung mit allen Mitteln eine miserable medizinisce Versorgung aufrecht, die auch die Zweiklassenmedizin bestaetigt. Das System ist bereits verstorben, man will es nur ncht zugeben, weil man damit die eigene Unfaehigkeit deutlich sichtbar demonstriert.

  • R
    Redbranch

    Liebe taz-Redaktion.

     

    War es wirklich notwendig, der Grundschullehrerin Schmidt eine Plattform zu bieten, in der sie jetzt, wo sie selbst (zum Glück!!!) keinerlei Verantwortung mehr für Wohl und Wehe des Gesundheitssystems hat, ihre Heilslehre verkünden kann?

     

    Außer einer beachtlichen Anzahl an massiven Verschlimmbesserungen hat die Grundschullehrerin rein gar nichts auf die Reihe gekriegt.

    Und jetzt weiß sie plötzlich, wie es geht?

    Wie erstaunlich.

  • U
    Unternehmer

    Also diesen Terminus "Arbeitgeber" kann ich nicht mehr hören.

    Dieser passt schon längst nicht mehr in die veränderte Gesellschaft und war zudem ein Gegenkampfbegriff.

     

    Ich würde vorschlagen, alle Unternehmer mit Beschäftigten "Leistungsverwerter" zu nennen, denn dieser beschreibt das eigentliche Verhältnis und den Tätigkeitsschwerpunkt von Unternehmern und ist zudem wertneutral.

  • JK
    Juergen K

    Welche Grundversorgung soll denn da reichen ?

     

    Die der Hartz4 Empfänger, die sich den ersten Besuch beim Arzt und Zahnarzt verkneifen ?

     

    Danke SPD, Danke CDU, Danke Gruene und Danke FDP.

  • A
    audio001

    In der Sache hat sie ja recht!- Andrerseits hatte sie als zuständige Ministerin lange genug die Chance das Gesundheitssystem auf eine zukunftsfähige Basis zu stellen.

     

    Diese Chance hat sie - trotz redlichen Bemühens - erkennbar nicht ausreichend ergebnisorientiert nutzten können, sodaß das Gesundheitssystem trotz der von ihr eingeleiteten "Reformen" weiter latent vor sich hindämmert und die Gefahr besteht, dass es langsam aber sicher ins wirtschaftliche Koma fällt!?

     

     

    Klar, das „Rumwurschteln“ der schwarz/gelben Koalitionäre hilft da jetz auch nicht weiter! Deshalb;- machen wir doch endlich einen konsequenten Schnitt und führen die GKV'en in einer gesetzlichen Krankenkasse zusammen!

     

    Dieses aufgeblähte kostenintensive Gebilde von derzeit rund 169 einzelnen gesetzlichen Krankenkassen hat sich überholt und in der jetzigen Form als nicht zukunftsfähig erwiesen.

     

    Die Trennung zur Pflegeversicherung sollte sinnvollerweise aufgelöst werden, weil damit dann sichergestellt werden kann, dass nach vorne gerichtet ''Vorsorge fürs Alter'' wieder zu einem Element der Leistungen der Krankenkasse wird und frühzeitig möglichen Belastungen aus Pflege vorgebeugt werden kann!

     

    Und beginnen wir gleichzeitig mit einer konsequenten Preisregulierung seitens der Leistungserbringer, die deren Gewinnmargen wieder auf ein angemessenes Mass zurückführen!- Krankheit darf nicht weiter zur unbegrenzten Gewinnoptimierung mißbraucht werden!

     

     

    Dieses dürfte zu einer nachhaltigen Entlastung der Kosten- wie auch der Beitragsseite führen und das Gesundheitssystem angemessen stabilsieren!- Nur, politisches Stückwerk bringt uns jetzt nicht mehr weiter!

  • T
    tschüßi

    ich hatte gehofft, diese frau nie wiedersehen zu müssen. na wenigstens bleibt mir ihre stimme erspart.

  • B
    Bürger

    unglaublich dumme Antworten, welche man hier zu lesen bekommt. Die Frau war solange in dem Amt tätig und hat dabei nicht einmal versucht die bestehenden Strukturen zu reformieren. Gesundheitsfond zählt dabei nicht, denn er ist tatsächlich nur eine Kapitalbünderlung und nicht mehr...

     

    ..bemerkenswert auch, wie unglaublich schwammig auf die konkreten Nachfragen geantwortet wird. Gut, dass diese Frau nicht mehr an der Macht ist.