Ulf Poschardt verlässt "Vanity Fair": Berlin ist nicht Bevery Hills
"Vanity Fair"-Chef Ulf Poschardt hat das "neue Magazin für Deutschland" nicht ganz freiwillig verlassen. Mit dem neuen Chef droht das Heft noch banaler zu werden.
BERLIN taz Am Donnerstagabend um 19.17 Uhr kam der Anruf. Eine Mitarbeiterin von Vanity Fair war dran. Es tue ihr schrecklich leid, sagte sie, aber sie müsse den Termin bei Herrn Poschardt für den nächsten Tag leider um eine Woche verschieben. Er sei im Moment "intern sehr eingespannt".
Aufgeschoben ist in diesem Fall aufgehoben. Denn am Freitagvormittag kam die wahre Erklärung für die Terminabsage: Ulf Poschardt ist nicht mehr Chefredakteur von Vanity Fair. Der 40-Jährige wurde "auf eigenen Wunsch" - gefeuert. Das teilte Herausgeber Bernd Runge der ahnungslosen Redaktion in der morgendlichen Redaktionskonferenz mit und blickte dem Vernehmen nach in betretene Gesichter. Poschardt selbst war am Freitag gar nicht mehr in der Redaktion erschienen. Ab sofort übernimmt Nikolaus Albrecht kommissarisch die Redaktionsleitung, teilte der Condé Nast Verlag mit, in dem Vanity Fair erscheint. Albrecht ist eigentlich Chefredakteur des Schlichtjungfrauenblatts Glamour - und soll das auch bleiben.
Was bleibt, sind die vielen Fragen, die man Ulf Poschardt im Vorgriff auf das einjährige Jubiläum der deutschen Vanity Fair am 7. Februar gern gestellt hätte: etwa wie sich die Großspurigkeit des Auftritts von Magazin und Chefredakteur, seine Lautsprecherei für die selbst empfundenen Eliten, mit der gemessen daran eher bescheidenen Zahl der verkauften Exemplare - rund 172.000, nicht zuletzt durch ständige 1-Euro-Aktionen - verträgt. Oder warum er sich nicht endlich eingesteht, dass Berlin nicht Beverly Hills ist, der Glamour des US-Mutterblatts in der deutschen Ausgabe also nur hohle Behauptung sein kann. Oder was am Schnitzeltempel Borchardt so wichtig ist, dass das Berliner Restaurant in jeder Ausgabe vorkommen muss. Und überhaupt, wer dieses wirre Mischmasch aus Promiklatsch, Modestrecken und Sigmar-Gabriel-Porträts eigentlich lesen soll. "Der Rausschmiss von Ulf Poschardt zeigt, dass die von ihm angepeilte Zielgruppe der Mover und Shaker entweder nicht existiert oder zu klein ist", meint der Journalist und Branchenkenner Hajo Schumacher.
Nun ist Poschardt weg, und die Fragen werden nicht weniger: Wer wird sein Nachfolger? Ist es schon eine Weichenstellung, das der kommissarische Redaktionsleiter von einem Handtaschenmagazin kommt? Soll Vanity Fair also noch banaler werden? Ist das gemeint, wenn der Herausgeber von "neuen, guten Impulsen" durch Albrecht spricht? Werden die Mitarbeiter diesen Kurs mittragen? Oder denkt der Verlag sowieso längst über weitere redaktionelle Umbauarbeiten nach?
"Die Nervosität des Verlags ist größer als die Verkündung der ersten, gar nicht mal so miesen Auflagezahlen im Oktober vermuten ließ", stellt Hajo Schumacher trocken und leicht zerknirscht fest. Denn zwei Tage zuvor hatte er im Festhalten am immer wieder kritisierten Poschardt noch "ein gutes Zeichen für die Branche" gesehen.
"Das neue Magazin für Deutschland" wollte Vanity Fair sein. Der Anspruch prangte auf dem Cover der ersten Ausgabe und verhüllte als weithin sichtbares Riesenposter die Berliner Charité. Der neue Claim "Die Woche hat viele Gesichter" ist bescheidener. Und stinklangweilig.
Vanity Fair größenwahnsinnig zu finden und gleichzeitig zu bedauern, dass das Magazin nicht noch größenwahnsinniger aufgetreten ist, ist kein Widerspruch. Man hatte immer den Eindruck, dass Poschardt mit angezogener Handbremse agierte, festgehalten vom eigenen Verlag. Der hat Poschardt nicht das Blatt machen lassen, das er hätte machen können. Dass Poschardt zur Kulturgeschichte des DJs promoviert hat und sich neben der Clubkultur mit moderner Kunst wie Death Metal bestens auskennt, hat man Vanity Fair nie angemerkt - seine FDP-Nähe leider umso mehr.
Was macht Poschardt jetzt? Zu Max jedenfalls kann er nicht mehr wechseln. Das ähnlich unausgegorene "Magazin für Popkultur und Style" wird eingestellt. Ist wohl besser so für "Posh". Denn auch Burda ist nicht gerade dafür bekannt, ein Herz für Nerds zu haben.
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