piwik no script img

Fremde Religionen und Satire – geht das?Überzogene Reaktionen

betr.: „Der Kampf für Allah“, „Wenn die Fatwa droht“, taz vom 17./18. 2. 01

Die Einfügung des „kindlichen“ Zitates in den Artikel „Mullahs immer klüger“ sowie die „Tschuldigung“ des Redakteurs M. Ringel kommen ihrerseits über einen kindlichen Horizont nicht hinaus (oder muss man sagen: bleiben meilenweit hinter ihm zurück?), weil sie die verzweifelte Reaktion (Aggressionsobjekt Fernseher) von Menschen in einer Notsituation, wie wir sie uns auf unseren fetten Ärschen wohl kaum vorstellen können, aus den komplexen Bedingungen, die ihr zugrunde liegen, heraus löst und sie monokausal allein auf eine Ursache zurückführt. Wer die Verkürzung von Wirklichkeit als Wahrheit verkauft, benutzt die Wahrheit wohl eher als eine Variante der Lüge. So muss taz nicht sein. REINHARD STOLZ, Niedernjesa

Liebe tazler, ich finde es wunderbar, dass ihr euch von religiösen und politischen Eiferern jedweder Art nicht unterkriegen lasst. Da ihr jetzt anscheinend auf einige Abos verzichten müsst, erhöhe ich (mit Freuden) meinen Abo-Preis mit der nächsten Rechnung auf den politischen Preis. Der Witz eures Wahrheitredakteurs war als Witz (wie so manches in der „Wahrheit“) zwar grottenschlecht, hatte aber, wie sich zeigt, das Potenzial, vieles über die Gesellschaft, in der wir leben, zu offenbaren.

Es hat Jahrtausende gedauert, bis sich zumindest einige wenige Gesellschaften von den Auswüchsen religiöser Inquisition emanzipieren konnten. Dieses Gut muss verteidigt werden. Gegen fantische Moslems, gegen Stimmen aus der CDU, die die Beleidigung von Religionen strafrechtlich verfolgen wollen, gegen alle Spinner, die euch und mir vorschreiben wollen, was wir zu denken und zu äußern haben. Und die Dummheit kann man immer noch am besten bekämpfen, indem man sie der Lächerlichkeit preisgibt. TAREK AHMED, Köln

Ich bin froh darüber, dass ihr euch traut zu schreiben, wie ihr es tut, trotz der Drohungen die gegen euch gerichtet werden. Aber ich möchte euch auf etwas aufmerksam machen, was ihr möglicherweise nicht bedacht habt und die massiven Reaktionen erklärt.

Ihr vergleicht den Reim: „Allah ist groß . . .“ mit dem Reim: „der Pfarrer von Kempten . . .“. In ersterem richtet sich der Spott gegen Allah selbst, in zweiterem gegen einen Pfarrer, also einen Menschen. Lasst euch mal auf der Zunge zergehen: Gott ist groß, Gott ist mächtig, er hat einen Arsch von drei Meter sechzig. Menschen die christlich religiös sind, werden hier auch schlucken, selbst wenn sie über den Witz mit dem Pfarrer lachen können. [. . .]

Zum Zweiten. Den meisten Christen und Muslimen wird nach wie vor, für Erziehungszwecke ein Gottesbild von einem strafenden Gott bzw. Allah vermittelt. Das erzeugt konsequenterweise Angst. Die Angst stellt sich jedoch nicht nur dann ein, wenn man selbst gegen Gott oder Allah lästert, sondern auch wenn man erfährt, dass überhaupt gegen Gott oder Allah gelästert wird. Ich verstehe die gewaltvollen Reaktionen auf euren Artikel als Versuch, sich vor Gottes Strafe zu schützen. Je massiver die Reaktionen, desto größer die Angst. [. . .] ISOLDE ZEHME

[...] Mit der Erklärung ist klar, was Herr Ringel sagen wollte. Was er gesagt hat und wie es verstanden werden konnte, ist aber eine ganze andere Sache. 1. Der verwendete Spotvers auf „Allah“ steht keinesfalls in der Tradition der abendländischen Religionskritik, wie Herr Ringel annimmt. Er ist überhaupt nicht gleichzusetzen mit den angeführten „Pfarrer“-Versen. Letztere stammen nämlich aus der betroffenen Kultur (dem „christlich“ geprägten Kulturraum) selber und richten sich damit nur gegen die eigene Kirche und ihre Auswüchse. Die Allah-Verse dagegen stammen keineswegs aus dem islamischen Kulturkreis. Sie wurden ebenfalls in Deutschland erfunden, um die Religion von Zuwanderern, und damit diese selber, zu diffamieren. [. . .]

2. In einer idealen, multikulturellen Gesellschaft, in der alle Religionen den gleichen Stellenwert haben, dürfte man in der Tat mit ihnen auch in der gleichen, gegebenenfalls respektlosen, Weise verfahren. Nur: In solch einer Gesellschaft leben wir noch nicht! Das beweist u. a. die leidige „Leitkultur“-Debatte des vergangenen Jahres. Immer noch werden als „fremd“ bezeichnete Religionen, darunter der Islam, in diesem Land diskriminiert. Immer noch wird auch die Ablehnung der „fremden“ Religion zur Diskriminierung „fremder“ Ethnien herangezogen. Auf einen Punkt gebracht also: Wer in einem (leider) immer noch rassistischen Land von Rassisten geprägte Worte verwendet, muss damit rechnen, als Rassist verstanden zu werden. [. . .] ULRICH KNECHT

Die Diskussionen und Reaktionen auf den Text „Allah ist groß . . .“ finde ich von den in Deutschland lebenden Muslimen sehr überzogen. Die Menschen, die sich über so einen Text aufregen, haben nach meiner Ansicht überhaupt keinen Sinn für Humor. Wenn ich Gläubiger bin, kann es mir doch egal sein, wie in der Welt über meinen Gott geredet wird. Mein Gott ist in mir und wird es für mich immer sein. [. . .]

Klar gibt es Tendenzen in vielen Ländern dieser Erde, Minderheiten einer Gesellschaft mit Worten und Taten bloß zu stellen und sogar auszulöschen. Hier in Deutschland leben wir noch in einer offenen demokratischen Gesellschaft, wo Zeitungen wie die taz uns immer daran erinnern, wie wichtig es ist, im Dialog zu bleiben. Sie decken uns viele Missstände im In- und Ausland auf, damit unser Horizont für eine Völkerverständigung erweitert wird. Ich denke daran, wie öde würde diese Medienlandschaft aussehen, gäbe es nur die Boulevardpresse, die zur Massenverdummung führt. Wir müssen lernen, unsere eigene Nase anzufassen und religiöse Gefühle nicht als Außenschau zu zeigen, sondern in Taten umzusetzen. [. . .]

NAJMUL HASSAN SHEIKH, Witzenhausen

Die Redaktion behält sich den Abdruck sowie das Kürzen von Briefen vor. Die erscheinenden LeserInnenbriefe geben nicht notwendigerweise die Meinung der taz wieder.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen