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Überschüssiger AtomstromSieben Meiler könnten weg

Deutschland hat im ersten Halbjahr dieses Jahres mehr Strom exportiert als eingeführt. Auf sieben Atomkraftwerke könnte das Land verzichten.

Sieben Atomkraftwerke - unter anderem Biblis A - könnten vom Netz gehen, ohne dass Deutschland Strom importieren müsste. Bild: dpa

FREIBURG taz | Deutschland könnte sofort sieben Atomkraftwerke stilllegen, ohne dabei ein Stromimportland zu werden. Das belegen neue Zahlen der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen. Danach erreichte Deutschland im ersten Halbjahr 2010 einen Stromexport-Überschuss von rund elf Milliarden Kilowattstunden - das ist exakt jene Menge, die von den sieben Atommeilern Krümmel, Brunsbüttel, Neckarwestheim 1, Biblis A, Grafenrheinfeld, Isar 1 und Philippsburg 1 zusammen im betreffenden Zeitraum erzeugt wurde. Einem Stromimport von 19,9 Milliarden Kilowattstunden stand in der Zeit von Januar bis Juni ein Stromexport von 30,9 Milliarden Kilowattstunden gegenüber.

Hintergrund des großen Exportüberschusses ist der Ausbau der erneuerbaren Energien, die im ersten Halbjahr 2010 zusammen 49,4 Milliarden Kilowattstunden erzeugten.

Damit nähern sich die Erneuerbaren immer weiter der Atomkraft an, die im selben Zeitraum 65,2 Milliarden Kilowattstunden ins Netz einspeiste. Schreibt man den Trend der vergangenen Jahre fort, werden die erneuerbaren Energien spätestens Mitte des Jahrzehnts die Stromerzeugung aus Atomkraft überflügeln.

Besonders beeindruckend ist die Bilanz der Photovoltaik, die in den ersten sechs Monaten des Jahres 5,4 Milliarden Kilowattstunden zum deutschen Strommix beitrug und damit gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 64,4 Prozent zulegte.

Die letztjährige Prognose der Stromwirtschaft, die für das gesamte Jahr 2010 von einer Solarstrommenge von 8,3 Milliarden Kilowattstunden ausgegangen war, dürfte damit deutlich überschritten werden.

Die Erneuerbaren decken 19 Prozent des Verbrauchs

Die Sonne deckte von Januar bis Juni bereits 2,1 Prozent des Stromverbrauchs, der nach Zahlen der AG Energiebilanzen in diesem Zeitraum bei 256,5 Milliarden Kilowattstunden lag. Die Wasserkraft lieferte gleichzeitig 9,4 Milliarden Kilowattstunden (das entspricht 3,7 Prozent des Stromverbrauchs), die Windkraft 18,3 Milliarden (7,1 Prozent) und die Biomasse 16,2 Milliarden (6,3 Prozent). Die Geothermie unterdessen dümpelt noch bei einer Erzeugung von 0,01 Milliarden Kilowattstunden. Zusammen deckten die Erneuerbaren rund 19 Prozent des Verbrauchs.

Beachtlich ist die jüngste Halbjahresbilanz der AG Energiebilanzen aus zwei Gründen. Erstens stieg der Stromverbrauch durch die anziehende Wirtschaft im Vergleich zum Vorjahr um mehr als vier Prozent. Zweitens war die Windkraft, die führende erneuerbare Stromquelle, witterungsbedingt schwach.

Das lässt erahnen, dass die Überschüsse künftig weiter ansteigen, sofern nicht in den nächsten Jahren vermehrt alte Großkraftwerke vom Netz gehen.

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14 Kommentare

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  • P
    Proatom

    Gut, 7 alte Reaktoren können weg. 50 neue müssen dafür her.

  • A
    AntiAtom
  • F
    _Flin_

    Worauf bezieht sich die Aussage mit den 7 Kernkraftwerken?

     

    Grafenrheinfeld alleine hat 2009 knapp 10.500 GWh produziert, was dem Exportsaldo des ersten Halbjahres 2010 entspricht.

     

    Da Krümmel und Brunsbüttel momentan nicht am Netz sind, haben sie auch keinen Strom erzeugt. Und auch sonst suchen Sie sich die kleinsten Reaktoren aus, um eine möglichst hohe Zahl an Reaktoren zu erlangen, die man stillegen kann.

     

    So ist Ihr Artikel leider mehr Propaganda als sorgfältige Information. Vor allem durch die Einbeziehung von Krümmel und Brunsbüttel machen Sie sich den Anti-Atom-Standpunkt sehr zu eigen. Was eigentlich nicht dem journalistischen Kodex entspricht.

     

    Wäre der Artikel denn so viel schlechter, wenn man nur von 2 Reaktoren sprechen würde, was deutlich näher an der Wahrheit wäre? Zumal wenn man einen üblichen Reaktor mit 1300MW und 8000 Betriebsstunden zugrunde legt?

     

    Ich bin wirklich nicht gerade pro-Atom, aber irreführender Umgang mit der Wahrheit ist nicht schön.

  • T
    Thorben

    @Max und andere:

     

    Grundsätzlich hast Du mit den Kohlekraftwerken bestimmt nicht ganz unrecht. Nur wird bei der Uran-Verarbeitung und -Aufbereitung so viel CO2 in das Luftmeer geblasen, wie man es sich im "sauberen Deutschland" kaum vorstellen kann.

    Ausserdem sollte man mal schauen, dass man überhaupt etwas angeht und nicht immer nur schreit "Ja, dann will ich aber erstmal das andere...!" So bewegt man nichts auf der Welt!

    Und wenn dann noch unüberlegte und irgendwo aufgeschnappte Argumente herausposaunt werden, die dem Schema "...und womit machst Du dann morgens Deinen Kaffee heiss?" entsprechen, kann ich nur sagen:

    Nächstes Ziel könnte ein Kampf gegen die Volksverdummung sein.

  • E
    Ernst

    @Florian: Interessanter Einwurf. Aber letztlich zeigt das doch erst recht, dass man guten Gewissens auf die beiden Kraftwerke verzichten könnte, sollte bzw. eigentlich auch dringend müsste!

  • F
    _Flin_

    Wenn die Laufzeitverlängerung nicht im Bundesrat gekippt wird, wird sie kommen. Strom aus erneuerbaren Energien ist sowohl dem aus AKWs als auch dem aus Kohlekraftwerken vorzuziehen, da er keine Nebenkosten irgendeiner Art hat (von evtl. ästhetischen Nebenkosten mal abgesehen).

     

    @Erich Kunz: Die Absenkung der Einspeisevergütung für Solarstrom war dringend erforderlich. Solarstrom ist nach wie vor teuer (im Vergleich zu anderer Stromerzeugung), die Einspeisevergütung wird für 20 Jahre garantiert, und bei den Massen an neuen Anlagen ist das nicht mehr finanzierbar. Achten Sie mal auf die EEG-Umlage auf ihrer Stromrechnung. Außerdem entsteht so auch ein Druck zur Verbesserung und Modernisierung der Solaranlagen.

  • N
    Namaste

    @Max: Die Idee ist ja ganz toll... Klar, CO2 sparen ist auch wichtig. Aber wichtiger ist in meinen Augen, die Gefahr, die von Atomkraftwerken ausgeht zu verringern und vor allem die ungelöste Endlagerung des Atommülls. Haben Sie dafür auch so eine großartige Idee wie für die einsparung von CO2???

  • H
    Horst

    Da kann ich Max nicht zustimmen. Denn es besteht kein Zusammenhang zwischen der Anzahl der Kohlekraftwerke und der Atommeiler. Selbst jetzt, da alle Kraftwerke (teils noch viele Dekaden)weiterlaufen sollen, sind bereits etliche neue Kohlekraftwerke im Bau und weitere in der Planungsphase.

     

    Da sehen sie, dass es für die Kohleenergie vollkommen unerheblich ist wie sich die Entwicklung von Kernkraft und Alternativenergien gestaltet. Fakt ist, dass sie genaut werden dürfen und Gewinne für die Betreiber abwerfen und deswegen werden sie neu gebaut, entgegen allen Beteuerungen der Umweltzerstörungskanzlerin und ihrer Regierung.

     

    Von daher sollten die Kraftwerke auf JEDEN FALL abgeschaltet werden - erzeugen sie doch durch alte Brennstäbe und andere Nebenprodukte den schlimmsten Giftmüll überhaupt. Und Asse zeigt: das auch noch in rauen Mengen. Je nach Typ des Atommülls 10 bis 100 mal mehr als geschätzt. Würde Atomkraft genau so rückversichert werden müssen und müssten für die Abfälle die selbe Verantwortung getragen werden, wie dies bei anderen Energiequellen der Fall ist, dann wäre sie längst unwirtschaftlich und schlicht unbezahlbar. Aber die Atomkraft genießt eine durch Lobbyarbeit erzeugte Sonderstellung und ist somit effektiv eine der am stärksten subventionierten Branchen, auf Kosten der Menschen.

  • D
    Daniel

    @Max: Der Klimawandel ist ein großes Problem, das stimmt. Ich wende jedoch ein:

     

    - AKWs anwohnende Kinder haben eine bis zu 15fach (Krümmel, Atomforschungszentrum Geesthacht) erhöhte Blutkrebsrate.

    - AKWs sichern den Betreibern gewaltige Gewinne, dem Gemeinwesen jedoch gewaltige Lasten der Entsorgung.

    - Die Betreiber haben sich durch ihre permanente Skrupellosigkeit längst selbst disqualifiziert. Die Liste schwerwiegender Vorwürfe ist in der Tat so lang, dass man mit einigem Recht schon von organisierter Kriminalität reden kann. Keinesfalls dürfen diese Turbo-Kapitalisten weiterhin die Verantwortung für unser aller Sicherheit tragen. Vielmehr sind sie entschädigungsfrei zu enteignen, und die Atomenergieerzeugung auf Staatskosten schnellstmöglich abzuwickeln. Weitere Konsequenzen, etwa strafrechtliche, vorbehalten.

    - Sehr viele Menschen im Land werden erst Ruhe finden, wenn dies geschehen ist.

    - Die Regierung hat sich als korrupt und käuflich erwiesen. Ihr Interesse gilt in keinster Weise dem Gemeinwohl, wie es ihre Amtspflicht ist. Sie plant, allein zugunster der vier Oligopolisten, Sicherheitsauflagen zu demontieren, Klagerechte auszuhebeln, den Bundesrat zu hintergehen und einen Atomausstieg für künftige Regierungen so teuer wie möglich zu machen. Weiterhin will sie Gorleben als Endlager erzwingen, trotz der Enthüllung jahrzehntelanger Manipulation von Gutachten, Studien und Dokumenten. Auch sie hat ihre Glaubwürdigkeit rasant verwirkt und muss umgehend gestürzt werden.

    - Nur eine engagierte Politik zur Förderung alternativer Energien, wie sie die rot-grüne Regierung betrieben hat, kann es ermöglichen, auch die Kohleenergieerzeugung in absehbarer Zeit zu überwinden.

  • E
    emil

    @max

    akws stellen ein größeres problem dar, als alle anderen kraftwerke.

    radioaktiver müll ist gift für die umwelt. heute und morgen. daran lässt sich nämlich überhaupt nichts drehen. nur abschalten.

  • H
    Himmelsritter

    Wieso wird eigentlich immer wieder so getan, als ob ein Stromexport absolut sinnlos ist?!

     

    Wenn der Strom von 7 KKWs exportiert wurde, (wurde er zwar nicht, schließlich standen Krümmel und Brunsbüttel still) wurde er dort auch gebraucht!

     

    Es nennt sich "Europäisches Verbundnetz", und wieso tun alle so, als wäre an den deutschen Grenzen die Welt zu Ende?

     

    Übrigens, auch D importiert Strom in Zeiten, in denen nicht so viel Regenerativ-Energie zur Verfügung steht. Was denn, wenn das ganze Umland auch beschließt "ach, wir brauchen gar nicht so viele Kraftwerke"?!

  • M
    Max

    "...auf sieben Atomkraftwerke könnte das Land verzichten..." Sollte es aber nicht, lieber sollte man gefälligst anfangen die dreckigen Kohlekraftwerke vom Netz zu nehmen, wo immer es geht. Gerade bei den Abschaltungen von Kohlekraftwerken lässt sich viel mehr CO2 einsparen als mit irgendwelchen sparsamen Öko-Autos oder weniger Fleisch futtern möglich wäre. Gerade diese Kraftwerke machen den Bärenanteil beim Klimawandel aus.

  • EK
    Erich Kunz

    Es ist bekannt, dass Deutschland einen Stromüberschuss hat. Der Atomnichtausstieg scheint absolute Priorität zu haben, wie sonst ist es zu erklären, dass die Förderung für Solarstrom gekürzt wurde. In meinem Bekanntenkreis habe ich einen Bauern, der hat einen Kredit aufgenommen um Solarzellen installieren zu lassen und von der Förderung zu profitieren. Fertig montiert war die Anlage vor einem Jahr, aber der Strom kann immer noch nicht komplett ins Netz eingespeist werden, weil der Netzbetreiber diesen nicht abnimmt. Das es jetzt sogar Enteignungen geben soll, ist der Wahnsinn. Ich wusste gar nicht, dass das mit dem Demokratieverständnis der Parlamentarier übereinstimmt. Sozialabbau ja, aber für die großen Konzerne machen wir noch mal eben ne Enteignung klar. Ach ganz vergessen, für den Atommüll ist ja der Staat zuständig.

  • F
    Florian

    In Krümmel und Brunsbüttel wurde kein Strom erzeugt. NULL KOMMA NICHTS! Schon seit Juli 2007 nicht mehr!!

     

    Krümmel hatte 2009 noch einen peinlichen Betriebsversuch, der aber nach 2 Wochen großartig gescheitert ist.