Überraschung bei der FDP: Lindner tritt zurück
FDP-Generalsekretär Christian Lindner ist überraschend von seinem Amt zurückgetreten. Er wolle eine neue "Dynamik" ermöglichen, sagte er in Berlin in einer knappen Erklärung.
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BERLIN dpa/dapd/afp | FDP-Chef Philipp Rösler hat den Rücktritt seines Generalsekretär Christian Lindner bedauert. Seine Arbeit in dem Amt sei hervorragend gewesen, sagte Rösler am Mittwoch in in Berlin. Das Verhältnis der beiden gilt seit längerem als angespannt.
"Jetzt werden wir (...) nach vorn schauen." Die FDP werde geschlossen in das Jahr 2012 gehen, sagte Rösler. Er werde "ziemlich schnell" eine Personalentscheidung treffen. Er deutete an, dass dies am Freitag der Fall sein könnte. Das Parteipräsidium kommt dann zu Beratungen über das Ergebnis des Mitgliederentscheids zum geplanten dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM zusammen.
Lindner hatte das Amt des Generalsekretärs der Liberalen vor genau zwei Jahren, am 14. Dezember 2009, übernommen. Eine Nachfolge ist noch nicht in Sicht, hieß es in Parteikreisen, die Nachrichtenagentur dpa meldete unter Berufung auf verschiedene Medienspekulationen, dass der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Patrick Döring sein Nachfolger werden könnte.
Wie aus verschiedenen Quellen bekannt wurde, erklärte er seinen Rücktritt in einem Gespräch mit Parteichef Philipp Rösler. In einer persönlichen Erklärung Lindners heißt es: "Es gibt den Moment, in dem man seinen Platz frei machen muss, um eine neue Dynamik zu ermöglichen." Sein Bundestagsmandat will Lindner weiter behalten.
Erfahrung mit Scheitern
Die Ereignisse der letzten Tage und Wochen hätten ihn in dieser Einschätzung bestärkt. In einem persönlichen Auftritt am Vormittag wiederholte Lindner dies wortgleich, nannte aber keine weiteren Details zu den Gründen seines Rückzugs.
Lindner war im Zusammenhang mit der Organisation des Mitgliederentscheids seiner Partei zum Euro-Rettungsschirm ESM stark in die Kritik geraten. Wie Rösler hatte er den Entscheid bereits am Wochenende - vor Ablauf der Frist - für gescheitert erklärt.
Der Lindner wollte seine Partei, die derzeit in bundesweiten Umfragen unter fünf Prozent dümpelt, auch für Intellektuelle wieder attraktiv machen. Als den "besseren Guido" oder "die schöne Seite des Liberalismus" beschrieben ihn sonst eher FDP-kritische Medien. Dabei ist er alles andere als ein Sozialliberaler, seine Haltung war auch für Wirtschafts- und Neoliberale attraktiv.
Verlust für die FDP-Boy-Group
Lindner gehört zur sogenannten Boy-Group der Liberalen, zu der FDP-Chef Philipp Rösler (38) und Gesundheitsminister Daniel Bahr (35) gehören. Sie hatten nach dem Abgang von Guido Westerwelle die Führung der Liberalen übernommen. Rösler war erst Mitte Mai zum neuen Parteichef gewählt worden. Seit kurzem wird jedoch auch über seine Ablösung spekuliert.
Der gebürtige Wuppertaler war im Jahr 2000 in den Düsseldorfer Landtag eingezogen. Als Jungspund der Liberalen in Nordrhein-Westfalen wurde Lindner vom damaligen FDP-Landeschef Jürgen Möllemann scherzhaft "Bambi" getauft. 2004 wurde er Generalsekretär der nordrhein-westfälischen FDP, seit 2009 gehört er dem Bundestag an. Sein Spitzname blieb.
Lindner ist Hauptmann der Reserve. Neben seinen Reservisten-Einsätzen fährt er in seiner Freizeit gern schnelle Sportwagen oder schaut alte Filme mit dem Schauspieler Steve McQueen. Mit Niederlagen musste er schon lernen, umzugehen. Als ganz junger Mann war er mit einer Startup-Firma gescheitert.
Die SPD sieht nach dem angekündigten Rücktritt von FDP-Generalsekretär Christian Lindner auch Parteichef Philipp Rösler schwer angeschlagen. "Herr Lindner ist ein Bauernopfer, um Herrn Rösler noch ein paar Tage im Amt zu halten", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Thomas Oppermann, am Mittwoch in Berlin.
Auch Rösler trage eine Mitverantwortung für die Mitgliederentscheidung über die weitere Unterstützung des Euro-Rettungsschirms ESM.
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