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Übernahmekarussel nach Börsencrash

■ Hoffmann-La-Roche muß sich mit anderen Chemie-Multis um US-Pharma-Konzern streiten

New York (dpa/taz) – Nach dem Börsenzusammenbruch vom 19. Oktober, der die Aktienpreise amerikanischer Unternehmen deutlich verbilligt hat, rechnet man jetzt in den Vereinigten Staaten mit einer beschleunigten Übernahmewelle. Hinzu kommt die erhöhte Kaufkraft ausländischer Unternehmen als Folge des Dollarverfalls.

Den Auftakt im neuen Jahr machte am Montag der Schweizer Chemiekonzern Hoffmann-La Roche AG (Basel) mit seinem öffentlichen Angebot an die Aktionäre der Pharmafirma Sterling Drug Inc (New York) für 4,2 Milliarden Dollar. Doch die erwarteten Übernahmen werden wieder unter einigermaßen normalen Zuständen erfolgen, nachdem gewitzte Finanzjongleure, die in den letzten Jahren mit gepumpten Geldern Firmen erworben hatten, durch den Börsenschock praktisch von der Bildfläche verschwunden sind und einige sogar vor den Kadi zitiert werden.

Darum dürften die größten Teilnehmer am Übernahmekarussel künftig jene Unternehmen sein, die über ausreichende Eigenmittel verfügen. Hoffmann-La Roche zum Beispiel will die für Sterling gebotenen 4,2 Milliarden Dollar größtenteils aus eigener Tasche finanzieren.

Ein weiterer Grund für die beschleunigte Übernahmetätigkeit, mit der 1988 gerechnet wird, ist, daß das derzeit günstige politische Klima für Firmenaufkäufe je nach dem Ausgang der Novemberwahlen bald zuende gehen könnte. Unmittelbar nach dem „Schwarzen Montag“, an dem das Börsenbaro meter Dow-Jones-Index mehr als 508 Punkte verloren hatte, kam die Übernahmetätigkeit praktisch zum Stillstand, da sich Käufer und Verkäufer nicht auf gemeinsame akzeptable Preise einigen konnten.

Diese Unsicherheit könnte auch das La-Roche-Angebot für Sterling zum Entgleisen bringen. Nach Börsenschluß legte La-Roche ein Angebot über 72 Dollar je Anteil vor. Der Vorstand der US- Chemieriesen stufte das Angebot inzwischen als „unfreundlich“ ein. Das bedeutet, daß er darüber nicht mit Hoffmann-La-Roche verhandeln will. So könnte die Übernahme für das Schweizer Unternehmen nur über ein „feindliches“ Angebot an die Aktionäre laufen. Inzwischen hat jedoch auch der bundesdeutsche Bayer- Konzern sowie möglicherweise auch Hoechst Interesse an Sterling angemeldet. Der Wettlauf kann beginnen. Am Dienstag schloß die Sterling 17-1/4 Punkte höher bei 74-1/8, also 2-1/8 Punkte über der La-Roche-Offerte. Experten erwarten, daß der Käufer etwa 80 Dollar auf den Tisch legen muß. Aufgrund der Unsicherheit liefen seither Übernahmen im Wert von insgesamt nur 16,5 Milliarden Dollar über die Bühne – im Vergleich zu 133,5 Milliarden Dollar seit Jahresbeginn bis zum „Schwarzen Montag“.

Experten erwarten, daß eine Reihe von Großunternehmen im angebrochenen Jahr strategisch wichtige Übernahmeentscheidungen treffen werden. Dieser Trend begann sich schon 1987 vor dem Crash in vielen Branchen abzuzeichnen: In der Autoindustrie übernahm Chrysler American Motors, und im Frachtsektor erwarb Emory den Konkurrenten Purolator.

Ausländische Unternehmen, insbesondere japanische und europäische, die die Gelegenheit des schwachen Dollar nutzen wollen, dürften im laufenden Jahr auf dem US-Markt nicht weniger aggressiv vorgehen als im vergangenen Jahr, als Übernahmen im Wert von knapp 40 Milliarden Dollar abgewickelt wurden. So sicherte sich Sony (Japan) die CBS Records für zwei Milliarden Dollar, und British Petroleum erwarb für 7,8 Milliarden Dollar 45 Prozent der Standard Oil Co.

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