■ Übernahme der Polikliniken: Letzte Reste gerettet
Die Rettung kommt buchstäblich in letzter Minute: Die 31 verbliebenen Polikliniken im Ostteil der Stadt sollen ab dem 1. Januar 1996 an den Paritätischen Wohlfahrtsverband übergeben werden, beschloß gestern der Senat. Auf den Wohlfahrtsverband kommt keine leichte Aufgabe zu. Im laufenden Jahr haben die Polikliniken – die jetzt Gesundheitlich-Soziale Zentren Berlin heißen – fünf Millionen Mark Defizit angehäuft. Das liegt vor allem an zuviel Verwaltungspersonal, einigen unwirtschaftlichen Standorten und daran, daß ein Fünftel des Personals aus Alters- und Krankheitsgründen als Sozialfall einzustufen ist. Doch insgesamt wird in den Kliniken gute Arbeit geleistet.
Experten schätzen, daß eine Sanierung innerhalb von zwei Jahren möglich ist. Unter den 321 Mitarbeitern herrscht allerdings Unruhe. Zwar ist im Zusammenhang mit dem Trägerwechsel ein dreijähriger Kündigungsschutz vereinbart worden, doch viele befürchten eine Entlassung aus betriebswirtschaftlichen Gründen. Ein Teil wehrt sich deshalb gegen den Trägerwechsel.
Der Niedergang der Polikliniken nach der Wende ist wohl die größte Pleite von Gesundheitssenator Peter Luther (CDU). Trotz vielfacher Beteuerungen, diese sinnvolle, ambulante Versorgung erhalten zu wollen, hat der Senator tatenlos zugesehen, wie die Kassenärztliche Vereinigung die Polikliniken aus Konkurrenzgründen in den Ruin getrieben hat. In den dreieinhalb Jahren, in denen die Polikliniken vom Senat verwaltet worden sind, sind sie weiter heruntergewirtschaftet worden. Die Übernahme in eine gemeinnützige Trägerschaft ist deshalb nur die letzte Chance, die letzten Überbleibsel der Polikliniken zu retten. Dorothee Winden
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