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Überleben in Berlin (2): Der HeldbockDer Langfühler, der alte Eichen liebt

Die Großstadt verdrängt viele Tier- und Pflanzenarten. Andere gewöhnen sich an den Trubel - und lassen sich hier nieder. Parallel zur Biodiversitätskonferenz der Vereinten Nationen in Bonn stellt die taz einige bemerkenswerte Berliner vor. Heute: Der Heldbock.

Die Großstadt verdrängt viele Tier- und Pflanzenarten. Andere gewöhnen sich an den Trubel - und lassen sich hier nieder. Parallel zur Biodiversitätskonferenz der Vereinten Nationen in Bonn stellt die taz einige bemerkenswerte Berliner vor.

Daumengroße Löcher klaffen in der Rinde einer alten Eiche im Schlosspark Pankow-Niederschönhausen. Hier hinterlässt einer der größten Käfer Europas seine Spuren. Der braunschwarz glänzende Körper des Heldbockkäfers erreicht zusammen mit den Fühlern eine Körperlänge von durchschnittlich zehn Zentimetern. Nur in warmen Sommernächten lässt er sich blicken. Gemächlich krabbelt er dann über die dicke, borkige Rinde und sucht mit seinen langen Fühlern nach Weibchen.

Was sein Zuhause angeht, ist der Heldbock wählerisch. "Das Problem ist, dass er an bestimmte Bäume gebunden ist", sagt Katrin Koch vom Naturschutzbund in Berlin (NABU). Die Eichen müssen ein bestimmtes Alter haben und bereits geschädigt sein. Der biochemische Schutz von gesunden Bäume hält den Heldbock ab. Außerdem verlässt er während seines Lebens seinen Geburtsbaum kaum. Da er als Erster bereits geschädigte Eichen besiedelt, schafft er damit einen neuen Lebensraum für andere Insekten. Die Bäume, die er besiedelt, stehen am Rand eines Waldes, denn dort hat der Stamm dank der Sonneneinstrahlung eine bestimmte Wärme, die der Heldbock bevorzugt.

In Berlin findet man ihn auf der Pfaueninsel, im Grunewald, im Schlosspark Buch und im Schlosspark Pankow-Niederschönhausen. Der Heldbockkäfer, auch großer Eichenbock genannt, braucht bis zu fünf Jahre für seine Entwicklung. Während dieser Zeit lebt er in seiner Puppe und ernährt sich von den eigenen Reserven. Nach der Entpuppung lebt er dann noch etwa drei Monate. Der Käfer ernährt sich dann nur von den Säften des Baumstamms. Trotz seines anspruchslosen Appetits gehört er zu den bedrohten Tierarten.

Der NABU sitzt ganz in der Nähe des Schlossparks Pankow-Niederschönhausen. "Wir kämpfen hier schon seit Jahren für den Erhalt des Lebensraums", sagt Mitarbeiterin Katrin Koch. Der NABU hat den Schlosspark bereits vor Jahren beim Senat als Schutzgebiet vorgeschlagen. Dieser lehnt jedoch ab. Da der Heldbock nur alte Eichen besiedelt und es davon kaum noch welche im Schlosspark gibt, bestehe kein Handlungsbedarf. Die alten Eichen, die es dort noch gibt, sind bereits vom Heldbock besiedelt. Irgendwann sind die Bäume dort so zerfressen, dass sie umzustürzen drohen. Dann muss die Sicherheit der Spaziergänger gewährleistet werden, und dann "haben wir wenig Chancen, die Bäume dort noch zu erhalten", so Martina Wagner von der obersten Naturschutzbehörde.

Der Entomolge Jens Esser fordert daher: "Wir müssen in Zukunft dringend neue Eichen nachpflanzen und den Bestand ergänzen." Außerdem sollten die Eichen, die vom Heldbock besiedelt werden, nicht frei für Spaziergänger zugänglich sein. Andernfalls sehe er weitreichende Konsequenzen für das Tier: "Wenn wir so weiterhandeln wie bisher, wird der Heldbock bald aus Berlin verschwinden."

Zurzeit ist nur an den Löcher in der Eichenrinde zu erkennen, dass der Heldbock einen Baum bewohnt. Deswegen ist es auch schwer, festzustellen, wie viele Exemplare es noch gibt. In ein paar Wochen, wenn es warm genug ist, wird er sich wieder blicken lassen. Dann bietet der NABU auf Wunsch nächtliche Führungen an. Mit einer Taschenlampe bewaffnet, können Besucher durch den Stadtpark schleichen und probieren, ob sie einen Blick auf den seltenen Käfer werfen können.

Teil 3 am Mittwoch: die Mistel

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