Übergriffe im Gazastreifen: Islamisten überfallen UN-Ferienlager
Islamisten werfen der UNO zu viel Freizügigkeit und angebliche Sittenlosigkeit in den Kinder- und Jugendlagern vor.
JERUSALEM taz | Der Wettbewerb um den Nachwuchs überschattet im Gazastreifen die beginnenden Sommerferien. Um zwei Uhr morgens überfiel am Montag eine Gruppe von etwa 25 bewaffneten Männern eins der von der UNO unterhaltenen Ferienlager. Sie fesselten die beiden Wachleute, setzten mehrere Zelte in Brand und "hinterließen ein Bild der Verwüstung", so Adnan Abu Hassan, Sprecher der UN-Flüchtlingshilfe im Gazastreifen. Der Vorfall habe nicht länger als 20 Minuten gedauert. "Wir wissen nicht, warum sie gekommen sind." Schon vor einigen Wochen war ein von der UNO betriebenes Ferienlager von Hamas-Angehörigen überfallen worden.
Rund eine Viertel Million Kinder verbringen ihre Ferien in den UN-Sommerlagern. Auch die Hamas unterhält mehrere hundert Lager. Der Wettbewerb ist eher ideologischer Art als finanzieller, denn die Ferienaufenthalte sind kostenfrei. Die Kritik der Islamisten richtet sich gegen die Freizügigkeit und die angebliche Sittenlosigkeit bei der UNO.
"Wir achten streng auf die Geschlechtertrennung", berichtet indes Ranim Asama, eine der Lehrerinnen am Strand von Gaza. Aus den neun Flüchtlingslagern der Region kommen täglich zwischen 200 und 300 Kinder. "Wir schwimmen mit den Kindern, lassen sie malen und spielen einfache, traditionelle Spiele mit ihnen", sagt Asama. Die 11- bis 15-Jährigen bleiben von 8.30 bis 12 Uhr dort.
Der Überfall auf das Sommerlager der UNO sei ein "Zeichen für den zunehmenden Extremismus", fürchtet Adnan Abu Hassan. Die Lager für die palästinensischen Flüchtlingskinder seien vollkommen unpolitisch. "Bei uns geht es um Sport, kreative Beschäftigung und viel Spaß." Auf den Mützen der UNO ist von "Spielen" die Rede. "Summer-Games 2010" steht darauf.
Bei der Hamas findet zwischen Sackhüpfen und Huckepacknehmen Koranunterricht statt. Jede Gruppe macht außerdem einen Ausflug zu den Gräbern der "Märtyrer" Scheich Achmad Jassin und Abdel Asis Rantisi. Die beiden Männer gehörten zu den Gründern der Hamas. Sie fielen im Verlauf der zweiten Intifada israelischen Exekutionskommandos zum Opfer.
In einigen der Hamas-Lager trainieren die Jugendlichen den Nahkampf und exerzieren. Dabei tragen sie schwarze Hemden und die grüne Mütze der Islamisten. Raanan Gissin, ehemals israelischer Regierungssprecher, sprach einst von "Indoktrinationslagern, die vergleichbar sind mit der Hitlerjugend". Anstatt zu lernen, wie man einen Drachen baut, "werden die Kinder dort zu Bomben auf Beinen gemacht".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht macht BND für Irrtum verantwortlich
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Elon Musk torpediert Haushaltseinigung
Schützt die Demokratien vor den Superreichen!
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?
Pro und Contra Letzte Generation
Ist die Letzte Generation gescheitert?