piwik no script img

Überfüllte HochschulenSPD will Studienabschlussprämie

Der Bund soll den Unis dauerhaft unter die Arme greifen, findet die SPD. Für jeden Absolventen sollen Hochschulen belohnt und neue Studienplätze geschaffen werden.

Hilft eine Absolventenprämie, die überfüllten Unis in den Griff zu bekommen? Bild: dapd

BERLIN taz | Wer sich derzeit an den Hochschulen umschaut, erlebt ungewöhnliche Szenen. Studierende, die sich in Kinosesseln räkeln, auf der Leinwand läuft die BWL-Übertragung aus dem Hauptgebäude. Erstsemester, die zum Seminar erscheinen, ausgerüstet mit dem Reader der Seminarliteratur in der einen und einem Stuhl in der anderen Hand.

515.800 Erstsemster haben zum Wintersemester ein Studium begonnen, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch bekannt gab. Mehr als Politik und Hochschulen erwartet hatten.

Angesichts überfüllter Hochschulen hat das Wissenschaftsforum der SPD am Donnerstag einen dauerhaften Bundeszuschuss für eine bessere Ausstattung der Hochschulen vorgeschlagen. Die im Forum organisierten Politiker und Wissenschaftler sprechen sich für eine Prämie aus, die Hochschulen für erfolgreiche Studienabschlüsse bekommen. Bei fast 300.000 Absolventen pro Jahr und einer vorgeschlagenen Prämie von 5.000 Euro hätten die Hochschulen jährlich 1,5 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung.

Seit Mitte der 90er Jahre hat sich die Zahl der Studienanfänger mehr als verdoppelt. Die Grundfinanzierung der Hochschulen für die Ausbildung der Studierenden und Nachwuchswissenschaftler ist im selben Zeitraum aber nur um 6 Prozent gestiegen.

Die Sprecherin des Forums, die ehemalige Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn, betonte man müsse weg davon kommen, Notlagen zu entschärfen. Die vorgeschlagene Studienabschlussprämie erhöhe die Grundfinanzierung und setze Anreize für eine Verbesserung der Lehre. Mit dem Geld könnten die Hochschulen nämlich langfristig planen und die Betreuung in der Lehre verbessern, indem sie Mitarbeiter auf Dauerstellen statt befristet einstellen.

Einen Haken hat der Vorschlag jedoch: Das Grundgesetz verbietet es dem Bund, Bereiche mitzufinanzieren, für die allein die Länder zuständig sind. So ist es dem Bund verboten, auf Dauer Geld in die Hörsäle und Schulen zu tragen, weil Bildung Ländersache ist. Um das Verbot abzuschaffen, müssten Bundestag und Bundesrat das Grundgesetz mit Zwei-Drittel-Mehrheit ändern. "Diese Debatte wird 2013 wieder angestoßen", ist sich Bulmahn sicher.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • IN
    Ihr Namekrader

    Als ein an der Uni arbeitender Mensch fällt einem da wenig ein. Der ohnehin immer geringer werdende Leistungsanspruch für einen Abschluss sinkt dann endgültig ins Bodenlose. Wer heutzutage schon alles einen Abschluss bekommt ist zum Zähneknirschen. Mir wäre lieber, wenn man endlich auch mal wieder Sieben würde und nicht mehr jeder Trottel durchkommt. Das ist aber nicht gerne gesehen bei der Politik und dementsprechend auch nicht von der Uni. Wenn heute 30% der Studierenden ihr Studium ohne Abschluss beenden, dann liegt das nicht an den dummen oder faulen oder sich anders entscheidenden Studenten, sondern an der schlechten Lehre. Wobei es ein Wunder ist, trotz abgebautem akademischem Mittelbau und immer kürzeren Zeitverträgen überhaupt noch Lehre hinzubekommen.

  • B
    Branko

    Das ist mal wieder typisch zu Ende gedachte SPD-Logik, so wie schon bei Hartz-IV u.a. bewiesen wurde.

     

    Das Abschaffen sämtlicher Geschwindigkeitsbegrenzungen wird zu mehr Sicherheit im Strassenverkehr führen.

     

    Ne, ist klar geworden.

  • WW
    W. Wacker

    Ne nos inducas in tentationem!

     

    Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Die Universitäten werden belohnt, wenn sie Studenten einen Abschluss an die Backe nageln. Dann gibt es erstens Bargeld und zweitens mehr Geld für neue mehr Studienplätze.

     

    Das einzige Problem ist dann wohl die Qualität der Abschlüsse. Wenn jede Uni entscheiden kann, ob sehr schwache Kandidaten ausgesiebt oder geMastert werden und davon das Budget der Uni abhängt: wie soll man das nennen? Zwiespalt? Korruption? Sägen am eigenen Ast?

     

    Da könnte man doch auch Lehrern eine Prämie zahlen, wenn Schüler gute Noten bekommen. Oder Fahrlehrer bekommen Geld, wenn sie Führerscheine ausgeben. Polizisten werden prämiert, wenn sie Klößchen verteilen, Richter wenn sie verurteilen.

     

    Wo will die SPD uns hinführen? Oder hat sie nur nicht gedacht vorm reden?

  • A
    Astrid

    Na, das ist ja mal ne clevere Idee. Wenn das umgesetzt wird, dürfte von oben noch mehr Druck auf uns Hochschullehrende ausgeübt werden, Absolventen zu produzieren, als es ohnehin schon geschieht, sodass wir auch noch den faulsten und untalentiertesten Studierenden die Leistungsnachweise hinterherschmeißen müssen.

  • M
    MattF

    @ Getrud

     

    Nein die SPD will nicht Studierende bezahlen, sie will die Hochschulen bezahlen für die Lieferung dessen für was sie da sind: Absolventen.

     

    Ob das aber sinnvoll ist, bleibt eine Frage. Welcher Hochschullehrer lässt da noch einen Studierenden durchfallen, wenn dem Lehrstuhl dadurch 5000 € entgehen?

     

    Wenn bräuchte man dann eine zusätzliche Qualitätskontrolle oder zentrale Prüfungen o.ae..

     

    Das System wie es jetzt ist, dass nur Ersteinschreiber zählen für die Finanzierung ist allerdings auch Quatsch. Da hat die Hochschule gar kein Interesse daran, dass jemand fertig wird und der beste Stdierende ist der der sich exmatrikuliert und einfach wieder verschwindet. Der Strom ist dabei leider von den Unis zu den Fachhochschulen, die dann die Abbrecher von den Unis aufnehmen und dafür aber kein Geld mehr bekommen.

     

    Man bräuchte halt mal ein wirkliches Konzept wie es an Hochschulen weiter gehen soll, das man auch gesellschaftlich breit diskutiert. Entscheiden müsste dann aber eine Institution und nicht 16 Kultusminister. Mit dem Förderalismus im Bildungssystem wird das eh die nächsten 30 Jahre nichts, da werden weiter nur Säue durch die Gassen getrieben :-(

  • B
    Bertrand

    @ Gertrud

    Lesen allein genügt nicht, es sollte auch verstanden werden...

    Die Rede ist hier davon die Hochschulen zu "belohnen", nicht die Studierenden. Auch das mag erstmal seltsam anmuten, wenn man um die prekären Beschäftigungsverhältnisse von Lehrbeauftragten an den Hochschulen weiß, kann man das auch als ein verstecktes Eingeständnis lesen, dass die Ausstattung der Hochschulen einfach unterdimensioniert ist - und die "Belohnung" ein Versuch, daran herumzudoktern, ohne das Gesicht zu verlieren.

  • BF
    über füllt

    Die Prämien müssen natürlich nach den verhältnismäßigen Steuerzahlungen der Absolventen über 5 Jahre gemessen werden.

    Wer also Diplom-Pusemuckelanisten für überfüllte Berufsgruppen oder Taxifahrer ausbildet, kriegt weniger als für Bauingenieure die in Dubai voll das Geld verdienen.

    Fachschaften und Gewerkschaften und Piraten und digiges sind eventuell wenig interessiert, mal die Gehälter von Absolventen realistisch zu erfassen und übervölkerte Studiengänge auszudünnen.

    Umgekehrt jammern die Firmen um Jobs die sie mangels Qualifikationen nicht einstellen können. Die dadurch entgangenen Aufträge sind dann für immer weg oder gehen an andere Firmen. Trittin hätten die Wadan-Werft-Schweisser zu Windkraft-Schweissern umschulen sollen. Stattdessen sind die vermutlich arbeitslos und hunderte Windrotoren konnten mangels Schweissern nicht gebaut werden.

    Die aktuelle durchgängige Fehl-Allokation führt zu Doppelkosten für Arbeitslose und durch entgangene Aufträge.

  • G
    Gertrud

    Das muss man sich an der Zunge zergehen lassen die SPD will die Studenten dafür bezahlen, dass sie das machen was sie eigentlich machen sollen.

    Was kommt als Nächstes? Eine Prämie für Bürger wenn sie freiwillig atmen?

  • A
    Aufgepasst!

    Vorsicht, dass sich da nicht heimlich das Attribut "in Regelstudienzeit" mit einschleicht!