Überall Liebe

Das Vergangene hüten und trotzdem über den Dingen stehen: Taj Mahal spielte im Quasimodo den Hula Blues

Der Bart ist ab. Wie ein schwarzer Gauguin kommt Taj Mahal auf die Bühne des Quasimodo: Weißer Strohhut, weiße Leinenhosen und geöffnetes Hawaiihemd, dazu schwarze Sonnenbrille. Eine Staffelei würde eher ins Bild passen als die hawaiianische Slack-Key- Steel-Guitar, die er sich mit einem purpurfarbenen Gurt umgebunden hat.

Seit 1981 lebt er auf Hawaii, der Insel des Hula Blues. 1974 erschien die erste Compilation hawaiianischer Blues-Musik aus den 30er- und 40er-Jahren mit dem hawaiianischen „Steel-Guitar-King“ Sol Hoopii. Taj Mahal ist ein Bewahrer, ein Musikologe. Seit Mitte der 60er-Jahre erforscht er die traditionelle Black Folk Music: den Country Blues der amerikanischen Südstaaten ebenso wie westafrikanische Musik und Zydeco. Er begann, traditionelle Instrumente zu sammeln und zu spielen, wie Banjo, Mandoline, Mundharmonika und verschiedene Flöten.

Dazu engagierte er sich politisch, trat 1969 in Woodstock auf und organisierte 1972 ein Konzert für Äthiopien. Mit seiner „Hula Blues Band“ versucht er, die Musik des Vorkriegs-Hawaii so authentisch wie möglich zu bewahren. Während Gitarristen wie etwa Marc Ribot die Hawaii-Gitarre ganz aus ihrem ursprünglichen Kontext gelöst haben, um neue Ausdrucksformen zu finden, bleibt Taj Mahal der Hüter des Vergangenen.

Dabei lassen fast 40 Jahre professionelle Bühnenerfahrung bei dem 59-Jährigen keine persönlichen Emotionen nach außen dringen. So wird er immer wieder zur Projektionsfläche für die Vorstellung vom schwarzen Bluesmusiker, der mit heiserer Stimme über den ewigen Kreislauf des Lebens singt. Er lässt die Hüften kreisen, um dann innezuhalten, gespielt erstaunt die Augen aufzureißen und leise vor sich hin lächelnd den Refrain wieder aufzunehmen. Er vermittelt das Gefühl, allein mit ihm in seiner Holzhütte zu sitzen, um einen Tisch mit halbleeren Chipstüten, während sich vor den Fenstern Fliegen gegen das durchsichtige Gitter drücken – wie auf dem Foto in dem Album „Taj Mahal and the Hula Blues“.

Musik als Freizeitgestaltung, als Teil des täglichen Lebens. Fischen gehen, in der Sonne liegen, den Wellen zuhören, dem Wind. Seine Kumpels aus Hawaii stehen mit ihm auf der Bühne. Etwa zehn Mann insgesamt, alle in Hawaiihemden. Sie sehen eher aus wie Truck-Driver und halten ihre Ukulelen mit der Lässigkeit einer gerade geploppten Bierdose.

Taj Mahal steht dabei über den Dingen. Er ist bei der Arbeit und spult seine Hits ab: „Queen Bee“, „The Calypsonians“ und „The New Hula Blues“. Heiß ist es, drückend und stickig zwischen schwitzenden Männern, die extra ihre Blues-Festival-T-Shirts aus dem Schrank geholt haben. Nach knapp zwei Stunden Hula hilft dann nur noch frische Luft.

Im letzten Jahr hat Taj Mahal seinen zweiten Grammy bekommen für „Shoutin’ In Key“ und Columbia hat ein „Best of Taj Mahal“ herausgebracht. Als Henry St. Clair Fredericks als eins von neun Kindern in New York geboren, legte er 1961 seinen „Sklavennamen“ ab, um sich nach dem weißen Marmortempel im indischen Agra zu benennen, der als eins der sieben Weltwunder gilt und den Shah Jahan 1631 als Mausoleum für seine Frau Mumtaz Mahal errichten ließ. Als „ewiges Monument der Liebe“.

Auf der Rückfahrt mit dem Fahrrad durch die Kurfürstenstraße taucht hinter den Schattengestalten mit Plateaulackstiefeln über schwarzen Netzstrumphosen die Leuchtreklame eines indischen Restaurants auf. „Mumtaz“. So erhalten Namen plötzlich eine Bedeutung. Die Liebe ist überall. MAXI SICKERT