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Über und über mit Drachen bestickt

Noch dünner der Seidenstoff, noch länger die Schleppe: Eine Modenschau zeigt alte und neue Mode aus China

Was kommt nach dem Superlativ für „farbenprächtig“? Diese Frage stellt sich bereits nach dem dritten Kostüm der Modenschau „Quer durch die Zeiten: China auf dem Laufsteg“, die im Rahmen des China Festes in der Arena gezeigt wird und 2.000 Jahre chinesische Mode zeigt: im ersten Teil eine historische Reise durch die Dynastien, im zweiten eine kulturelle durch die Provinzen und im dritten einen westlichen Blick auf das klassische chinesische Etuikleid „Qipao“.

Jedes historische Kostüm für sich scheint ein Höhepunkt an Farbe, Form und Muster, bis das nächste zu sehen ist: noch dünner der Seidenstoff, noch verschlungener der Schnitt, länger die Schleppe. Dabei ist das Herrscherpaar noch gar nicht da gewesen. Als es endlich den Catwalk entlangschreitet, sind Schärpe, Schleppe, Gewand und Kopfschmuck je eine Landschaft für sich, Phönixlandschaft, Drachenlandschaft. Dann bleiben die beiden am Bühnenrand stehen und öffnen die Arme, wobei die Fülle des Stoffes sie um ein Dreifaches verbreitert und die über und über bestickte Seide fast zu einem Wahrnehmungs-Aus führt: In diesen Gewändern lässt man sich huldigen.

Helena Waldmann hat als Regisseurin die bereits in Paris und New York aufgeführte Show für Berlin neu bearbeitet, war darin aber an viele Vorgaben gebunden. „Die Kostüme geben die Bewegungen vor“, sagt sie. Gerade bei der Präsentation der historischen Gewänder kann der Körper nicht nur oder in gewohnter Weise Kleiderpuppe sein. Die sexy Posen des Catwalks funktionieren hier nicht. Dabei erweist sich die Suche nach Haltungen und Gebärden im gleichen Maße als archäologisch wie die Rekonstruktion der Kostüme selbst. Denn welche Bewegungen sind das? Wie geht man etwa auf chinesischen Stelzenschuhen? Diese Fragen hat Helena Waldmann zum Ausgangspunkt ihrer Choreografie gemacht. So hat sie das Beschränkende der Schuhe nicht überspielt, sondern inszeniert: Die Musik setzt aus und von fern ist das hölzerne Trippeln von 30 Models zu hören.

Was in der Arbeit von Helena Waldmann und Nina Lepilina, Kostümbildnerin und künstlerischer Leiterin des Projekts, entstanden ist, nennt Waldmann „theatralisierte Modenschau“. Zunächst waren beide versucht, viel stärker zu inszenieren, zu verändern, mehr in Farben und Dynamiken zu denken. In der Zusammenarbeit mit dem chinesischen Choreografen Wang Hongmin wurde bald deutlich, dass vieles sich nicht ändern ließ: Bestimmte Dynastien und Kaiser sind besonders wichtig für die chinesische Geschichte, spezielle Farben und Instrumente haben Symbolkraft. Schließlich sollten die über 300 Kostüme, die die chinesische Model-Agentur New Silk Road nach historischen Vorlagen anfertigen ließ, China repräsentieren. Eine Modenschau im Auftrag der chinesischen Regierung. Der historische Teil endet im Jahr 1911. Wie also die zeitgenössische Mode Chinas repräsentieren?

Eigentlich hatten Waldmann und Lepilina vorgehabt, einen chinesischen Designer zu präsentieren. Als sie in Peking feststellten, dass die meisten jungen Designer europäische Mode kopieren, kam ihnen die Idee, einen Entwurf zu schaffen, der von dem „Qipao“, dem traditionellen Kleid der Chinesinnen, ausgeht. Und so hat die in Berlin lebende Russin Nina Lepilina mit fremdem Blick moderne chinesische Mode in ihrer Möglichkeitsform entworfen: Chinesische Models tragen „Qipaos“ aus Hightech-Stoffen, die sie am Ende der Show über den Laufsteg rauschen lassen – dazu läuft russischer Tango. KATRIN KRUSE

Heute, 15.30 Uhr und 20.30 Uhr in der Arena, Eichenstr. 4, Treptow

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