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Über Werbung in ZeitungenReligiöses im Dessous

Die "Frankfurter Rundschau" stellt Prominenten die Gretchenfrage und findet die Antwort bei H&M. Eine Riesen-Reklame für Lingerie ziert die Seite.

Von Faust zu Freud mit Spike Lee und Paul Auster. Bild: reuters/dpa

"Wie hältst Du's mit der Religion?". Diese Gretchenfrage ließ die Frankfurter Rundschau auf ihren Panorama-Seiten am Donnerstag von amerikanischen Autoren und Filmemachern beantworten. Die kurzen Statements von Spike Lee, Paul Auster oder David Lynch stammen aus einem noch nicht ins Deutsche übersetzten Buch des italienischen Journalisten Antonio Monda. Kluge Köpfe allesamt, gewiss, aber nicht in allen Fällen sonderlich an dem Thema interessiert. Die erste Verwunderung beim Lesen galt also weniger ihren Antworten als dem Anliegen, das Thema "Religion" über so eine prominente Besetzung zu pushen und so aufwändig zu verkaufen. Über drei Seiten - fast.

In dem "fast" aber lag eine schöne Überraschung, denn blätterte man die erste Seite um, erschien das Religionsthema als die bedruckte Rückseite einer H & M-Anzeige, die das überformatig nur gefaltet in die Zeitung passt. Genau im Zentrum der frommen Beigabe war ein zartes, spitzenverhülltes Schamdreieck zu sehen. Man musste die Bekenntnisse von Jonathan Franzen "Ein Teil von mir glaubt" und Toni Morrison "Je größer unsere Kenntnisse werden, desto größer wird Gott" wegklappen, um die ganze Frau und die ganze Anzeige zu sehen. 9,90 kostet das strassbesetzte Set.

Eine schöne freudsche Verfaltung. Das Unbewusste spricht. Man möchte das Spiel mit Faust-Zitaten fortsetzen und behaupten, dass hier einfach sichtbar wurde, "was die Welt im Innersten zusammenhält" - Sex und Geld. Die Anzeige ist ja auch Teil der Finanzierung der Zeitung. Solche Überformate kamen erst auf, nachdem der Rückgang des Anzeigenmarktes vor einigen Jahren die Printmedien viele Seiten gekostet hat. Man musste sich was einfallen lassen - und weiß nun oft nicht mehr, ob die redaktionellen Seiten nicht nur als Verpackung der Werbung dienen.

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1 Kommentar

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  • SH
    Stephan Hebel

    Liebe Kolleginnen und Kollegen,

     

    sehr vergnügt habe ich Ihren Bericht über unser Panorama zur Religion und die teilweise hinter dem Text liegende Dessous-Anzeige gelesen. Und zwar online, und das hat das Vergnügen noch gesteigert: Eingeblockt in Ihren Text sah ich eine Werbeanzeige der Firma bruno banani: ein nackter Männer-Oberkörper, vor den sich lasziv die Silhouette einer wenig bekleideten Frau legte.

    Willkommen im Club! Nur die Werbung für Neckermann-Pullover über Ihrem Text fiel dagegen ein wenig ab.

     

    Mit herzlichen Grüßen

     

    Stephan Hebel

    Frankfurter Rundschau

    Chefredaktion