Über Sirvan Cakici: Jüngstes Mitglied ohne Hausmacht
Kaum jemand sorgte im Politikbetrieb für so viele Schlagzeilen wie die kurdisch-stämmige Abgeordnete Sirvan Cakici. Oft ging es nicht um Politik.
Unter den 83 Abgeordneten der Bremischen Bürgerschaft ist die türkisch-kurdisch-stämmige Wirtschaftsassistentin Sirvan Cakici wohl die schillerndste Figur.
Als Seiteneinsteigerin wurde die in Deutschland aufgewachsene Cakici 2006 auf einen der vorderen Listenplätze gesetzt - ohne politische Hausmacht in der frisch fusionierten Linkspartei im Rücken. Im Mai 2007 zog sie als Teil der ersten westdeutschen Linksfraktion in die Bürgerschaft ein. Die mit damals 26 Jahren jüngste Parlamentarierin wurde in den Vorstand der Bürgerschaft gewählt. Selbst die türkische Zeitung Hurriyet berichtete über die Jung-Politikerin.
Doch schon kurz nach der Wahl gab es einen ersten Skandal. Cakici geriet mit dem Fraktionsgeschäftsführer aneinander. Nach langem Hin und Her wechselte der Fraktionsgeschäftsführer schließlich den Job. Doch der Streit um den Umgang mit den Vorwürfen Cakicis und die Arbeitnehmerrechte des Beschuldigten belasteten die Fraktion gleich zu Beginn schwer. Von dem Eklat erholte sich auch das Verhältnis zwischen Cakici, die sich nicht ausreichend unterstützt fühlte, und ihrer Partei, nie wieder.
Ein mindestens ebenso schwer wiegendes Handicap für ihre politische Arbeit war jedoch Cakicis Bruder. Denn der unterhält Kontakte zu einem kriminellen Clan und ist mehrfach vorbestraft. Zuletzt geriet er in die Schlagzeilen, weil er an der Gründung eines zweifelhaften Rockerclubs, der "Mongols" beteiligt war.
Cakici versuchte, einen offensiven Umgang hiermit zu finden. Zuletzt lud sie dazu im Juni einen türkischen Ex-Gangster in die Bürgerschaft ein. Der sollte anhand der eigenen Biografie auf die Risiken einer fehl geleiteten Integrationspolitik hinweisen. Cakici berichtete bei der Gelegenheit von ihren Erfahrungen mit ihrem Bruder.
Schließlich musste sie sich im Frühjahr mit Vorwürfen auseinandersetzen, eine Frau aus Hannover bedroht und genötigt zu haben. Die Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen gegen Cakici auf, Anfang Mai hob deshalb auch die Bürgerschaft ihre Abgeordnetenimmunität auf. In den nächsten Tagen soll das Verfahren beendet sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Frauen in der ukrainischen Armee
„An der Front sind wir alle gleich“
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts