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„Über-Ich und Du“ auf der BerlinaleDresche von den Geldeintreibern

Auf der Flucht vor Gläubigern und im moralischen Konflikt: In Benjamin Heisenbergs „Über-Ich und Du“ geht es um den Doppelsinn von Schuld.

André Wilms und Georg Friedrich in „Über-ich und Du“. Bild: Komplizen Film

Georg Friedrich ist niemand, dem man ohne weiteres die Obhut über das eigene Heim, geschweige denn über den eigenen, der Alterssenilität nahen Vater anvertrauen würde. Der österreichische Schauspieler, der in fast jedem seiner Filme einen ziemlich ähnlichen oder jedenfalls unverwechselbaren, proletarischen Charme versprüht, kommt in Benjamin Heisenbergs „Über-Ich und Du“ an den Job der Vaterbetreuung auch nur durch eine Kombination aus Zufall und Geistesgegenwart.

Er spielt den windigen Buchhändler und Tagedieb Nick Gutlicht, der auf der Flucht vor Gläubigern in die Villa des Philosophen Curt Ledig (André Wilms) einsteigt. Dort bekommt er zufällig mit, dass dessen Angehörige einen Aufpasser benötigen, der den widerspenstigen Alten beschützen und im Zaum halten soll. Gutlicht zögert keine Sekunde und legt sich eine neue Identität zu.

„Über-Ich und Du“ wurde gelegentlich als „erste Komödie der Berliner Schule“ angekündigt, zumindest formal löst der Film das ein. Durchaus elegant führt Heisenberg seine Prämisse ein und entwirft im Folgenden ein Verwirrspiel um die Interaktionen der beiden ungleichen Männer, das als intellektualisierte Buddy Comedy durchgehen kann.

Der Film auf der Berlinale

Mittwoch, 12.02., 10:00 Uhr, CinemaxX 7

Samstag, 15.02., 21:30 Uhr, Zoo Palast 1

Sonntag, 16.02., 14:30 Uhr, Cubix 9

Am lustigsten – und auch sonst am stärksten – ist der Film in kleinen Beobachtungen: Die amerikanische Verwandtschaft, die Ledigs Familie nach Österreich einfliegt, lässt sich von den Marotten des alten Meisterdenkers nicht nennenswert aus der Ruhe bringen, auch Ledigs Enkel riskieren amüsierte Seitenblicke auf den Betrieb, den der Film veranstaltet. Und der auf entspannte Art bizarre, familienartig organisierte Geldeintreiberclan, mit dem sich Gutlicht anlegt, hätte gern etwas mehr Screentime erhalten können.

Eine Traumaaufarbeitungsposse

Leider hat der Film insgesamt anderes im Sinn, er konzentriert sich fast durchgängig auf die Annäherung und Verstrickungen der beiden Hauptfiguren. Das ist schon deshalb problematisch, weil Friedrichs ausgestellter, wurstiger Vitalismus die Tendenz hat, jeden Film über Gebühr zu dominieren.

Ein größeres Problem liegt in der Art der Verstrickung: Die beiden Hauptfiguren bekommen vom Drehbuch eine Art psychoanalytische Übertragung auf die Leiber geschrieben. Ausgangspunkt ist der Doppelsinn des deutschen Wortes „Schuld“: Gutlicht steht bei besagten Geldeintreibern in der Kreide, Ledig hat an einer moralischen Schuld mit Ursprung im Dritten Reich zu kämpfen. Im Film wird das dadurch ausagiert, dass der Altintellektuelle anstatt des jungen Herumtreibers Dresche kassiert; und dieser Herumtreiber dafür das Trauma eines anderen aufarbeiten muss, fast bis zum bitteren Ende.

Das ist eine durchaus originelle Idee, zugegeben. Ob man sie als eine Form des Nachdenkens über Praktiken der Vergangenheitsbewältigung ernst nehmen kann, ist schon eine andere Frage – wobei der Film immerhin um Längen sympathischer und klüger ist als die jüngsten Primetime-Nazimelodramen („Unsere Mütter, unsere Väter“). Vor allem jedoch sorgt die Traumaaufarbeitungsposse gerade in der zweiten Hälfte des Films dafür, dass sich die am Anfang so angenehm offene Welt des Films auf eher schematische Psychopathologien verkürzt.

Was möglich ist, wenn man auf derartige Schließungen verzichtet, kann man in dem wunderbaren Forumfilm „L’enlevement de Michel Houellebecq“ nachvollziehen, der ebenfalls um ungewöhnliche Männerbeziehungen herum gebaut ist, sich aber konsequent weigert, die Dynamiken zwischen dem Skandalschriftsteller und seinen Entführern in Neurosen stillzustellen.

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1 Kommentar

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  • Nach dem Interview heute inne paper-taz

     

    da hat ja der Enkel eine feine

    Variante der menschlichen Unschärferelation

    der Erkenntnis auf die Platte gehauen;

    war doch sein Großvater,

    was seine braune Zeit angeht,

    auch ein mehr als vergesslich-klitteriger

    Apologet in eigener Sache.

     

    Chapeau - da jommer hin.