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Über 300 Flüchtlinge ertrunkenDie Tragödie vor Tripolis

Starke Winde, hoher Seegang: 300 Afrikaner ertrinken auf dem Weg nach Italien. Ist die Flüchtlingspolitik der EU gescheitert?

Zu spät: Die Küstenwache birgt die Überreste des Unglücksboots. Bild: dpa

ROM taz Mindestens 300 Flüchtlinge sind am Montag nach dem Kentern ihrer Boote vor der libyschen Küste ertrunken. Womöglich aber sind bis zu 600 Todesopfer zu beklagen. Unklar war am Dienstag noch der genaue Hergang der Tragödie, da libysche Behörden widersprüchliche Informationen herausgaben.

Die Zahl der Toten

Die Toten: Seit 1988 sind an den EU-Außengrenzen nach Angaben des Europäischen Flüchtlingsrats 13.444 Menschen ums Leben gekommen. Dabei ist die Zahl der bei der Flucht gestorbenen Flüchtlinge, die von Afrika nach Europa wollen, in den vergangenen drei Jahren zurückgegangen. 2006 waren es noch 2.088, 2007 waren es 1.942 und 2008 noch 1.502. Der Europäische Flüchtlingsrat listet dabei nur die registrierten Toten auf. Wie viele Flüchtlinge im Mittelmeer tatsächlich ertrunken sind, dazu gibt es keine Zahlen.

Die Tatorte: Kanarische Inseln, Andalusien, Sardinien, die Straße von Sizilien sowie das Ägäische Meer. Die meisten Flüchtlinge starben vor den Kanarischen Inseln. In den vergangenen drei Jahren waren es 1.916. Vor Sizilien kamen in diesem Zeitraum 1.500 Flüchtlinge ums Leben. Allerdings starben im im letzten Jahr 642 Flüchtlinge vor Sizilien, vor den Kanaren waren es vergangenes Jahr 136.

Gesichert ist, dass von dem Ort Said Bilal Janzur unweit von Tripolis mehrere völlig überladene Boote Richtung Italien in See stachen. In ersten Meldungen hieß es, drei Boote mit insgesamt 257 Personen an Bord seien dann unweit der Küste gekentert. Später dagegen war nur noch die Rede von einem Boot, das über 250 Personen an Bord gehabt habe. Der Untergang sei durch starken Wind und hohen Seegang verursacht worden. Libysche Schiffe bargen 21 Leichen und retteten etwa 20 Menschen. Zudem hieß es aus Tripolis, ein weiteres Boot mit etwa 350 Personen werde auch vermisst. Der Großteil der gekenterten Bootsflüchtlinge soll aus Ägypten stammen.

Ein weiteres Schiff wurde dagegen, ebenfalls vor der libyschen Küste, von dem italienischen Schlepper "Asso 22" gerettet. In der Nacht von Samstag auf Sonntag war das Holzboot, auf dem sich etwa 350 Menschen befanden, in Seenot geraten. Der "Asso 22" gelang es am Sonntag schließlich, den Kahn in den Hafen von Tripolis zu schleppen.

Drei weiteren Schiffen gelang zudem am Montag die Überfahrt nach Italien. 222 Bootsflüchtlinge trafen auf der Insel Lampedusa ein, während zwei weitere Boote mit insgesamt 400 Personen die sizilianische Küste erreichten. Nachdem schon das Jahr 2008 mit insgesamt über 30.000 Flüchtlingen, die auf dem Weg übers Mittelmeer nach Italien kamen, alle Vorjahre übertroffen hatte, zeigt sich damit auch in den ersten Monaten des Jahres 2009, dass der Flüchtlingsstrom ungebrochen ist.

Kurz vor Bekanntwerden der Tragödie im Mittelmeer erklärte Italiens Innenminister Roberto Maroni, mit den Überfahrten von Libyen aus werde "ab Mitte Mai endgültig Schluss sein". Im vergangenen Jahr hatten Italien und Libyen ein umfassendes Freundschafts- und Kooperationsabkommen geschlossen. Dieses Abkommen werde nun, so Maroni, in die operative Phase treten. So ist die gemeinsame Überwachung der libyschen Küste mit sechs von Italien gestellten Patrouillenschiffen vorgesehen.

Ob Maronis Prognose stimmt, darf jedoch in Zweifel gezogen werden. Schon im Jahr 2003 spendierte Italien Libyen 20 Millionen Euro, die in Jeeps, Boote, Lager, aber auch in Leichensäcke investiert wurden, um die Abwehr der Flüchtlinge aufs afrikanische Festland zu verlagern. Seitdem ist Libyen aktiv: Mehr als 20 Lager, in denen tausende Personen teils über Jahre bis zu ihrer Abschiebung in ihre Heimatländer festgehalten werden, existieren in Libyen.

Erfolglos war Innenminister Maroni auch im Dezember 2008, als er verkündet hatte, von Lampedusa würden Flüchtlinge nicht mehr aufs italienische Festland gebracht, sondern direkt in ihre Heimat zurückgeschafft. Das Gros der über die Jahreswende dort eingetroffenen Flüchtlinge waren Tunesier. Tunesien aber erklärte sich bloß bereit, nach genauer Einzelfallprüfung pro Tag maximal sieben Flüchtlinge zurückzunehmen. Deshalb ist das Lager in Lampedusa völlig überfüllt, erst recht, nachdem bei einer Häftlingsrevolte die Hälfte der Kapazitäten durch einen Brand vernichtet wurde. Italiens Regierung reagierte jetzt mit der Weisung, ankommende Flüchtlingsboote nach Sizilien umzudirigieren - und von dort aus die Flüchtlinge in ein Abschiebelager im süditalienischen Kalabrien zu bringen.

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14 Kommentare

 / 
  • A
    aso

    @ Karl:

    Ihr Blickwinkel focussiert sich zu sehr an der Unschuld der Schwächeren, so eine Art Robin-Hood-Syndrom, und ist damit zu blauäugig.

    Bildung: die Vietnamesen haben vorgemacht, daß gute Abschlüsse trotz schlechter Integrationsausgangslage möglich sind. Die Ausrede, es wäre wegen sprachlicher und sozialer Defizite nicht möglich gute Bildung zu erreichen zieht seitdem nicht mehr.

    Integration: der größte Fehler ist, daß nicht wie z.B. in Australien, USA, Kanada, mittlerweile auch England nach einem Punktesystem ein selektives Modell gefördert wurde.

    Dies führte dazu, daß in der Tendenz überwiegend Geringqualifizierte Bildungsferne nach Deutschland einwanderten.

    Und die wollen sich teilweise auch nicht integrieren, oder bilden, wozu auch, es gibt doch Stütze vom Staat (und hier fehlen bereits stark Fachkräfte).

    Dazu schreibt mehrdat als Iraner einen gelungenen Kommentar (zu dem taz-Kommentar „Ohne Chance“):

     

    „31.03.2009 20:08 Uhr:

    Von mehrdad:

    europa sollte nach den eigenen bedürfnissen migration reinlassen.

     

    motivierte christen, hindus, atheisten, buddisten..., die sich problemlos überall in europa integriert haben, sind hochwillkommen.

     

    muslime hingegen nicht. das hat nichts mit rassismus zutun, sondern mit der realität. niergendwo haben sich muslime in eine westliche gesellschaft integriert...überall schotten sie sich ab und bilden gefährliche parallelgesellschaften. afrikanische muslime und jene aus anatolien, die nichtmal lesen und schreiben können und direkt in die sozialsysteme einwandern, sind keine bereicherung für europa.

     

    und das sage ich als ex-muslim aus dem iran.“

     

    Und auch dieser sehr aufschlußreiche Kommentar (auch zu obigem taz-Kommentar) zeigt Perspektiven, die in der Diskussion bisher völlig vernachlässigt wurden...:

     

    „01.04.2009 18:16 Uhr:

    Von Karl Heiden:

    In der ORF-Sendung "kreuz und quer" (Religionsredaktion) gestern Abend wurde berichtet, dass es sich bei den Mittelmeer-Übersetzern hauptsächlich um "kostbare Frauenfracht" als Nachschub für den Prostituiertenmarkt in Italien handelt ...“

     

    Bürgerkrieg: wird nicht mitgebracht, sondern Europäer, die meinen es wären jetzt schon zu viele Ausländer hier, könnten irgendwann meinen, man müßte aktiv gegen zu viel Einwanderung vorgehen.

  • A
    archimedes

    Ich stimme z.B. Laluna zu, die geschrieben hat: "z.b. wurden von großen - v.a. auch europäischen -fischfangflotten die küsten westafrikas leergefischt, so dass kleine fischerboote nichts mehr fangen. millionen hat das in die armut gestürzt." Und das ist nur eines von vielen Beispielen.

     

    @ aso u.a.: Die Flüchtlinge haben sich ihrer Regierungen nicht ausgesucht, ebensowenig wie die Regeln des Weltmarktes und die militaristischen Gewalttraditionen, die Afrika durch den Kolonialismus überschwemmt haben und die der Kontinent dann auch durch formale pol. Unabhängikeiten nicht mehr losgeworden ist. Auch die schon älteren Repressionssysteme (auf die z.B. die Regime in Nordafrika fast bruchlos aufbauen) haben sich die Menschen nicht "freiwillig" ausgesucht.

     

    Schafft es mal ein Lumumba oder Thomas Sankara oder eine Lumumba an die Macht, der nachhaltig etwas ändert, wird er gestürzt - und zwar unter Mitbeteiligung von Militärs und Wirtschaftsbonzen auch jenseits! von Afrika...

  • K
    Karl

    @ aso

    Ich hatte ja gesagt: Entweder Fluchtgründe beseitigen oder die Menschenrecht einhalten!

     

    Sie haben Recht: Im heutigen Finanz- und Wirtschaftssystem gehts nicht. Dass ist ja auch der Grund dafür, dass die Leute nicht rein dürfen.

     

    ob die Europäer das wollen?

    Nun...ich glaube, wir müssen uns schleunigst Strategien überlegen. Sonst kommt es nicht mehr darauf an ob wir wollen oder nicht.

     

    Was die Integration angeht: Da haben viele Beteiligte versagt. Angefangen von den Politikern, die in den 50ern und 60ern Menschen(!) in mehr oder weniger Internierungslager gesteckt haben und eben genau das vergessen haben: dass das Menschen sind und erst dann Arbeiter. Damals wurde auch nicht verlangt, dass sie deutsch sprechen mussten.Gezählt hat die Arbeitskraft.

    Vielen Leuten von damals war es wahrscheinlich eher Recht, dass Migranten keine großen Möglichkeiten hatten mit den Deutschen zu reden.

     

    Auch die Migranten selbst haben ihren Anteil,klar.

    Die wollen oftmals unter sich bleiben und es gibt auch Familien in denen z.B. die Unterdrückung der Frauen ein massives Problem darstellt. Aber warum wollen sie unter sich bleiben? Ein Grund ist(und den kann ich hundert pro nachvollziehen), dass oftmals kulturelle und MentalitätsUnerschiede herrschen; viele Türken, z.B. treffen sich um andere Aktivitäten zu betreiben als der Normalo-Deutsche. Ist meiner Meinung aber auch kein problem.

    Ich persönlich finds super, dass es dem türkischen Einzelhändler vorne an der Ecke

    egal ist, wenn ich mal 20 cent zu wenig hab.

    Oder, dass ich sogar am nächsten Tag bezahlen kann, wenns mal ganz mau ausschaut. Ist mir in nem deutschen Laden noch nicht passiert.

    Oder dass ich hier nicht den normalen einheitsbrei sehe.

     

    Und einer der wichtigsten Punkte ist: Eine miserable Integrationspolitik, die dazu führt, dass sich bestimmte Migrantengruppen in bestimmten Vierteln in Städten ansiedeln(wie z.b. vor meiner Haustür)

    Das hat was mit finanziellen Dingen zu tun(Mieten,Verdrängung durch steigende Mieten) aber auch damit dass, sich viele Migranten unerwünscht fühlen(steigende Neonazigewalt, strukturelle Nachteile, Vorurteile etc.)

    Bei aller Probleme: Die Hysterie in den meisten Medien, was Viertel wie z.B. Berlin-Neukölln(wo ich herkomme) betrifft ist völlig fehl am Platz. Ich kann hier ohne Probleme nachts rumlaufen(meine Freundin auch),hatte noch nie brenzlige Situationen. Das einzige wovor ich Angst habe ist die steigende neonazigewalt im Kiez und die Gentrifizierung, die hier sattfindet.

     

    Und eins ist meiner Meinung nach das schwerwiegendste: Die völlig miserable Bildungspolitik in diesem Land. Jeder Bildungs-Experte sagt das Gleiche: Migranten werden in Deutschland massiv diskriminiert, weil sie viel im Allgemeinen viel weniger Chancen haben, z.B. ans Gymnasium zu kommen. Die Sprachförderung ist unter aller Sau.

    Da ist meiner Meinung nach der Hebel anzusetzen!

     

     

    "Vielleicht ist Afrika auch nicht ganz so unbeteiligt an der Misere, und es liegt auch ein gewisses Selbstverschulden vor.

    Auch Entwicklungshilfe müßte auf den Prüfstand, denn Geld versickert in dunklen Kanälen, die Länder werden davon abhängig, kommen selbst nicht aus dem Quark.

    Insofern wäre den Menschen und Ländern besser geholfen, wenn man denen effektiver vor Ort Unterstützung leistet."-

    Da haben sie hundertprozentig Recht. Klar! aber die Entwicklungshilfe wird ja nicht von der "normalen" Bevölkerung in ihre Tasche gesteckt, sondern von korrupten Regierungen, die meistens aus elitären, Oberschichts-Machtcliquen stammen. In manchen ländern sinds natürlich auch religiöse Führer die ihr Süppchen an der Bevölkerung vorbei kochen. Auch haben sich einige vormals fortschrittliche und demokratische Bewegungen an der Macht, von derselbigen korumpieren lassen. Deswegen müssen auch die Strukturen hinterfragt werden. Dies alles passiert auf dem Rücken der Zivilbevölkerung. Genau die sind auf dem Weg hierher. Nicht die Parteibonzen oder verkappten oder offenen Diktatoren(die oft mit westlicher Unsterstützung regiern) Die haben die das Recht dazu nach Mailand zum shoppen oder nach London zum Finanzberater zu fliegen..

     

    Bürgerkrieg? Na dann würden ja viele der Flüchtlinge die Gründe, warum sie geflohen sind mit hierher bringen. Ich denke, das wollen die vermeiden.

  • A
    aso

    Eigenes Verschulden afrikanischer Staaten liegt konkret vor:

    niemand zwingt diese Staaten Gelder sinnfrei für Waffeneinkäufe zu verpulvern, die Land und Leuten anders besser zu gute kämen.

    So gesehen wäre doch das Verarmungs-, und Hungerproblem aus eigener Kraft eher zu lösen.

    Weil die Gelder dann woanders fehlen, brauchts natürlich Entwicklungshilfe. Ist doch idiotisch.

    Insofern unterjochen diese Staaten sich selbst.

    Daß man anderen Staaten nicht unbedingt dabei helfen kann, demokratische Bedingungen aufzubauen, hat man in Irak, Afghanistan gesehen. Solche Länder sind einfach zu stark in ihrer Stammeskultur verwurzelt. Und: vielleicht wollen die das auch nicht.

    Interessant ist auch die Tatsache, daß Links-orientierte Menschen, die doch, wie auch hier in Zuschriften erkennbar, glauben vermeintlich auf der "richtigen Seite" zu stehen, nach der iranischen Revolution zuerst umgebracht wurden.

    @ Laluna:

    gäbs in Grönland Sozialhilfe für Jeden: wohin würden die Menschenströme sich gezielt wenden?

  • K
    Karl

    "Da habt Ihr aber ganz fein und brav aus dem "Internationalismus für Anfänger" abgeschrieben (SCNR)."- Aha. Was ist das?

     

    "Eure Phrasen sind genau so abgedroschen wie die der Isolationsbefürworter."- abgedroschen? also ich hör in der Öffentlichkeit und in den Medien eher selten vom Ansatz, das man Fluchtgründe beseitigen sollte und sich die Problematik ganzheitlich anschaut.. Auch finde ich, dass kaum jemand ausspricht, was das, was europäische Sicherheitskräfte an den Grenzen Europas ausüben, wenn mans ganz konsequent und ohne rhetorisches Rumtricksen ist:

    Schlichtweg Rassismus und eine ethische Bankrotterklärung. Menschenrechte und v.a. das Recht auf Asyl gelten anscheinend nur in bestimmten Grenzen.

     

    "Lasst Euch doch mal differenziertere Lösungskonzepte einfallen als das ewige "Bleiberecht für alle", "Ihr seid daran schuld" und "Ihr seid alles Schweine/Faschisten/Schuldige/Tätet/Mörder usw. usw.".

    Dieses Geplärre interessiert doch niemanden mehr."

     

    Hmmm.Jetzt vielleicht noch nicht, aber wenn die Flüchtlinge mehr werden und das wird zweifelsohne passieren vielleicht schon. Dann kann man nämlich nicht mehr wegsehen und die Augen davor verschliessen, welch inhumanen Zustände im Mittelmeer und anderswo herrschen.

    Ich finde das nicht undifferenziert, wenn man sagt: Lasst uns das Problem ganzheitlich betrachten!Warum wollen die Leute hierher? Was haben wir damit zu tun? etc.

     

    Ich sage nicht "ihr seid alle Schuld", sondern "wir sind alle Schuld"-mich eingeschlossen. Die o.g. Beleidigungen haben sie nicht von mir gehört;ist auch nicht mein Diskussionsstil.Ihrer anscheinend schon(->Geplärre)

     

    "Die Mehrheit der Europäer ist für eine Abschottung. Da wir nun einmal in Demokratien leben muss dieser Mehrheitswille zumindest zur Kenntnis genommen werden, ob es Euch passt oder nicht."- Dass die Mehrheit für die Abschottung plädiert, ist ein Gerücht. Möchte gern mal wissen, was die Menschen in Europa denken würden, wenn sie ganz unmittelbar und möglichst unverfälscht Berichte und Bilder sähen. Wenn sie nicht mehr verblendet und manipuliert würden, durch den Großteil der Medien.

    Ganz davon abgesehen ist ihre Logik, wenn man sie zuspitzt, offenbar die Folgende:

    wenn z.B. bald die Mehrheit der Europäer dafür ist, wieder konstitutionelle Diktaturen einzuführen, dann muss man das akzeptieren, weil die Mehrheit ja nun einmal dafür ist!?!Interessante Ansicht...vor allem wenn man bedenkt, dass die ein oder andere Diktatur des 20.Jahrhunderts legal und demokratisch an die Macht gekommen ist.

     

    "Und mit den üblichen Provokationen und Beleidigungen wird wohl kaum ein Sinneswandel herbeigeführt werden."- Da bin ich einfach schlichtweg komplett anderer Meinung. Wir brauchen die gewaltfreie Provokation. Diese Gesellschaft ist so abgestumpft, dass man leider nur noch Gehör bekommt, wenn man unangepasstes und unbequemes Verhalten zeigt um auf Dinge aufmerksam zu machen. Vielleicht sind die meisten erstmal empört, aber damit wird ein Denkprozess in Gang gesetzt. Davon bin ich überzeugt.

     

    In diesem Punkt ist z.B. Herr Schäuble ein Vorbild(wenn auch im negativen Sinne): Der haut alle zwei Monate eine Forderung raus, die alle empört und nach der alle aufschreien; aber mit der zeit gewöhnen sich die Leute unbewusst an diese Vorstösse, sie verlieren die Distanz dazu. und so kann Herr Schäuble Stück für Stück den Rechtsstaat und die Demokratie demontieren ohne dass jemand was merkt, weils ja Normalität ist, weil sich die Leute langsam an derartige Vorschläge gewöhnen.

     

    Nur, dass ich niemanden überwachen will oder die Meinungsfreiheit einschränken möchte. Mit diesen Provokationen will ich, dass die Menschen über kurz oder lang zuhören, eine andere Sicht bekommen. Die Sicht der Betroffenen verstehen und die Beweggründe. Vielleicht ist das anmaßend, aber ich glaube, daß ich meine eigene Schuld an diesen Missständen, dadurch reduzieren kann,indem ich hier für die Rechte der Leute kämpfe, die nicht so privilegiert sind wie ich.und das einfach weil sie zufällig in einem anderen Teil der Welt geboren sind.

     

    Nennen sie mich einen Utopisten, nennen sie mich selbstgerecht, werfen sie mir Propaganda vor.Es ist mir egal und vielleicht haben sie an bestimmten Punkten Recht.

    Ich tue das was ich für richtig erkannt habe und ich halte mich an eine Regel, die mir als Kind eingebläut wurde:

    Was du nicht willst, was man dir tu, das füg auch keinem andern zu.

    Simple as that!

  • D
    denninger

    @ "Karl","Hanswurst" u. A.:

    Da habt Ihr aber ganz fein und brav aus dem "Internationalismus für Anfänger" abgeschrieben (SCNR).

    Eure Phrasen sind genau so abgedroschen wie die der Isolationsbefürworter.

    Lasst Euch doch mal differenziertere Lösungskonzepte einfallen als das ewige "Bleiberecht für alle", "Ihr seid daran schuld" und "Ihr seid alles Schweine/Faschisten/Schuldige/Tätet/Mörder usw. usw.".

    Dieses Geplärre interessiert doch niemanden mehr.

    Die Mehrheit der Europäer ist für eine Abschottung. Da wir nun einmal in Demokratien leben muss dieser Mehrheitswille zumindest zur Kenntnis genommen werden, ob es Euch passt oder nicht. Und mit den üblichen Provokationen und Beleidigungen wird wohl kaum ein Sinneswandel herbeigeführt werden.

  • L
    Laluna

    ich stimme revolucie unten zu.

     

    z.b. wurden von großen - v.a. auch europäischen -fischfangflotten die küsten westafrikas leergefischt, so dass kleine fischerboote nichts mehr fangen. millionen hat das in die armut gestürzt.

     

    gleichzeitig steckt auch im letzten satz von revolucie der wichtige hinweis, dass auch sogenannten eliten in afrika daran mitschuld sind.

    je größer aber die armut sowieso ist, umso größer ist dann die versuchung, selbst wenn man die chance hat, daraus zu entkommen, auch korrupt zu werden und sich an diesen eliten zu beteiligen - ich habe z.b. mal eine familie aus nigeria getroffen, die wirklich nett waren und eigentlich niemanden ausbeuten wollten, aber eben doch am erdöl verdient haben, also zur elite dort gehört haben, aber die alternative wäre gewesen, in extreme armut abzurutschen. einen zwischenweg zu finden, ist nämlich nicht so leicht, v.a. weil die schlechten verhältnisse (weltweit) so sehr etabliert sind. da zeigt es sich leicht mit den finger auf die dortigen eliten ... oder sagt es sich leicht die sollten eben nachhaltige landwirtschaft betreiben etc. - wo die preise für baumwolle oder kakao oder tee unverschämt niedrig gehalten werden (und händler u. spekulanten an der kaffeebörse etc. daran am meisten verdienen).

     

    die kolonial-verwüstungen, die dann den post-kolonialen regimes den boden bereitet haben, wirken sich bis heute aus. europa ist nicht alleinschuldig, aber mitschuldig - und hier wiederum bestimmte leute mehr als andere!

     

    wer vernünftige leute wie die gegenwärtige ministerin für "wirtschaftliche zusammenarbeit und entwicklung" seit jahren bremst, wegen zu weniger mittel, falscher schwerpunkte u.s.w, wer nichts dagegen tut, z.b. als wähler oder politiker oder wirtschaftslobbiist, dass produkte straflos importiert und gewinne mit ihnen gemacht werden können, die unter menschenunwürdigen bedingungen, inklusive viel zu wenig lohn, hergestellt sind, ist daran besonders mitschuldig.

     

    @ aso: keine sorge: in diesem grauwolken-land mit einer derart unterdurchschnittlichen gastfreundschaft (sogar gegenüber eigenen verwandten u. bekannten) u. sonstigen unfreundlichkeit wollen gar nicht so viele menschen leben.

  • R
    revolucie

    Wieso werden Flüchtlinge eigentlich immer als Problem beschrieben?Irgendwie finde ich das schade und nicht richtig.Die Frage ist doch:Wer oder was ist das Problem?Das sind doch nicht die Menschen,welche aus Hoffnungslosigkeit und eigenem Überlebenswillen die Entscheidung treffen ihr zuHaúse samt Familie zu verlassen,um ein anderes,neues Leben zu finden!

    Diese Menschen sind ein "Problem" weil wir sie nicht haben wollen,aber auch keine Anstrengungen unternehmen ihre Lebensverhältnisse zu verändern,im Gegenteil!

    Wir fischen die Meere leer,pumpen die Rohstoffe raus,unterstützen fragwürdige Regimes mit Waffen...usw.jemensch weiss das...also wo liegt das Problem?

  • A
    aso

    @ Karl:

    „...oder man nimmt die Flüchtlinge auf, egal wie viel kommen.... „

     

    lassen sich solche Wünsche denn realisieren? Das käme ja einer Einladung gleich.

    Und es würden alle die Koffer packen, weltweit...

    Und wie soll das finanziert werden? Die Kassen sind doch jetzt schon leer.

    Und: wollen die Europäer das denn? Sind ja immerhin noch Demokratien.

    Probleme mit Ausländerintegration gibt’s ja jetzt schon mehr als erwünscht.

     

    Vielleicht ist Afrika auch nicht ganz so unbeteiligt an der Misere, und es liegt auch ein gewisses Selbstverschulden vor.

    Auch Entwicklungshilfe müßte auf den Prüfstand, denn Geld versickert in dunklen Kanälen, die Länder werden davon abhängig, kommen selbst nicht aus dem Quark.

    Insofern wäre den Menschen und Ländern besser geholfen, wenn man denen effektiver vor Ort Unterstützung leistet.

    Denn es bringt doch nichts jetzt alle reinzulassen, so daß es den Europäern reicht, was soll das werden? Bürgerkrieg?

  • NS
    Niko Schreiter

    Ich lese erst seit ein paar Tagen taz, vorher fast nur SZ, und schon die Tatsache, dass hier immerhin 4 Kommentare, und auch noch im wesentlichem gute, unter diesem Artikel stehen, macht sie mir sympathisch. Bei der SZ standen keine...

     

    Ihr habt wohl alle mehr oder minder Recht mit dem was ihr sagt. Ich lebe gerade in Marokko, da bekommt man auch einiges mit. Unter anderem auch Flüchtlingsalltag, zumindest wenn man sich dafür interessiert. Und dass die EU Marokko bezahlt, damit die sich um die Flüchtige "kümmern", Misshandlung und Deportationen ohne Nahrung und Papiere in Richtung algerischer Grenze einbegriffen. Das heißt für viele der Flüchtlinge Tod. Ich habe 64 Mio. € im Kopf für Sicherheitsapparte, private Sicherheitsfirma (Frontex) an den Grenzen und auf dem Mittelmeer usw, kann die Zahl aber gerade nicht belegen. Und im marokkanischen Haushalt ist das mehr als in dem der EU. Das sind also quasi durch die EU geförderte Menschenrechtsverletzungen.

     

    Doch leider ist immer nur die Rede davon, die Flüchtlinge aus Europa rauszuhalten, egal um welchen Preis, nicht davon, wie man langfristig das Problem lösen kann. Und von allen moralischen Bedenken einmal abgesehen, meiner Meinung nach wird das irgendwann einfach nicht mehr möglich sein, leider fürchte ich aber, dass erst das der Moment ist, wo den Wahlkampfhelden klar wird, dass sie mit der momentanen temporären Abschiebelösung das Problem für alle Beteiligten nur verschlimmert haben werden.

     

    Nun hilft es wenig, wenn wir uns hier unter einem Artikel in der TAZ gegenseitig Recht geben, diese Botschaft muss irgendwie auch nach außen. Also würd ich sagen: Auf gehts, auf die Straßen, in die Blogs, Aktionen, jeder auf seine Weise, so gut er kann!

  • K
    Karl

    Lieber Hans,

     

    denk ich auch. Solange solche Politiker die europäische Politik bestimmen wird es Militarismus und Abschirmung geben. Für mich ist das was seit Jahren im Mittelmeer passiert schlichtweg Krieg. Jedes Jahr sterben da Tausende, weil sie bewusst von den europäischen Behörden "übersehen" werden.

    Das ist für mich strukturelle Gewalt.

    Wie sagte eine ehemals gute Journalistin,die leider den falschen Weg, den Weg des Terrorismus, eingeschlagen hat, einmal:

    "Es gibt viele Arten zu töten.....Die wenigsten davon sind in unserem Staate verboten."

     

    Was die europäische Flüchtlingspolitik angeht-

    Es gibt wenn man ehrliche,konsequente, humanistische Politik betreibt, nur zwei Möglichkeiten.

    Entweder man beendet die Ausbeutung und Unterjochung Afrikas und anderer armer Regionen der Welt und hilft(!) demokratische und menschenwürdige Bedingungen herzustellen um die Fluchtgründe zu beseitigen(Kein Mensch verlässt ohne Not sein Land und begibt sich freiwillig in solche Gefahren) oder man nimmt die Flüchtlinge auf, egal wie viel kommen.

    Andere Möglichkeiten gibt es nicht, wenn man an einer konstruktiven Lösung dieser katastrophalen Zustände arbeiten will!

     

    Wenn sie schon immer von Zukunft und Sicherheit schwadronieren, dann sollten sie mal daran denken, dass immer mehr Flüchtlinge nach Europa und Nordamerika wollen.

    Diese Welle wird nicht aufzuhalten sein mit Panzern,Raketen und turmhohen Zäunen.

    Auch nicht mit Internierungslagern und gutem Zureden.

    Ich weiß auf welcher Seite ich dann stehen werde und stehe; auf der Seite der Brüder und Schwestern aus Niger,Mexiko und Bangladesch...!

  • B
    Benjamin

    http://www.youtube.com/watch?v=O6Wa8DeqdOg

     

    ...denn wir sind Reich haben die Kraft und die Herrlichkeit und die bleiben immer die in Ewigkeit. Amen.

  • H
    Hanswurst

    Ach Karl. Wie Recht du hast.

    Aber leider, leider ich glaube das wird nix.

     

    Selbst wenn es immer mehr werden (und das werden es ja, ua. dank Klimawandel... da steht uns eine echte neue Völkerwanderung bevor) die gerne den Wohlstand der Festung Europa teilen würden. Selbst wenn es nichtmehr ein paar zehntausend im Jahr sind, sondern Millionen von Flüchtlingen, selbst wenn die Alternative zu offenen Grenzen irgendwann bedeutet: Vorwärtsverteidigung;

    selbst dann -befürchte ich- wird die europäische Antwort ganz klar, und wie aus einem Munde heißen: na dann müssen wir die Grenzen der Festung Europa eben stärker mit militärischen Mitteln verteidigen.

    Das ist höchst fragwürdig und bedauerlich. Richtig ekeleregend finde ich aber den Gedanken, dass selbst dann noch mit dieser Politik mehr Wählerstimmen zu fangen sein werden, als mit offenen Grenzen.

    Der Wohlstandsmensch teilt eben nicht gerne.

    Und insofern sind es natürlich nach wie vor die Politiker, die solche Entscheidungen treffen.

    Schuld daran sind und bleiben aber die Millionen tumben Wähler, die einer Frau Merkel oder einem Herrn Sarcozy ihre Stimme gegeben haben.

    Und die wollen eben KEINE freie Welt für alle, sondern erstmal und vor Allem möglichst viel Wohlstand für sich selbst. Und erst wenn dann noch ein paar Krümel übrig bleiben, überlegen sie sich vielleicht, dass man ja, statt diese wegzuwerfen, auch ein bisschen das eigene kleine Gewissen damit beruhigen könnte.

     

    Homo homini lupus est.

  • K
    Karl

    .....und täglich grüßt das Murmeltier!

    Wann wacht ihr endlich auf??

    Was muss noch passieren, bevor ihr euch endlich massiv gegen diese rassistische und todbringende EU-Aussenpolitik, die Europa komplett abschirmt, stemmt?

    Diese Leute kommen hierher, weil wir ihre Volkswirtschaften zerstören!Weil wir afrikanische Despoten hofieren, wenn diese den Handlanger für den EU-USA-Imperialismus spielen!Weil wir einen kompletten Kontinent, der ein paar Kilometer von uns entfernt liegt, jämmerlich verrecken lassen, während in Europa ein Drittel aller Lebensmittel weggeschmissen wird !

     

    Jeder, der europäischen Politikern auch nur ein Wort glaubt, wenn sie von Menschenrechten schwadronieren oder sie wählt, macht sich mitschuldig!

     

    SMASH FORTRESS EUROPE!

    SMASH NATO!