■ Über 100 Journalisten sind 1994 getötet worden: Opfer für die Pressefreiheit
Ohne mutige ReporterInnen vor Ort hätte die Weltöffentlichkeit weder von den Bomben der USA auf ein Armenviertel von Panama-Stadt vor fünf Jahren, noch von den jüngsten russischen Bomben auf Grosny erfahren. Nie hätten wir herausgefunden, wie sich der Völkermord an den Tutsi abgespielt hat, und auch Solidarität mit dem eingeschlossenen Sarajevo hätte es wohl kaum gegeben. Denn die Reaktion einer von Propagandameldungen aller Seiten mißtrauisch gemachten Öffentlichkeit ist zurückhaltend bis apathisch, wenn nicht – gedruckt oder flimmernd – die Bilder von Not, Elend und Krieg ins Haus kommen.
Den Preis dafür zahlt eine Jahr für Jahr steigende Zahl von Journalisten, die vor Ort getötet werden. Im letzten Jahr starben erstmals mehr als Hundert. Darunter das italienische Fernsehteam, das in Bosnien von einer Mörsergranate zerfetzt wurde, und die US- Fotografin Cynthia Elbaum, die in Grosny umkam. Die allermeisten Opfer aber gehörten zu den einheimischen Journalisten, die sich nicht vorübergehend, sondern ständig der Lebensgefahr aussetzen. 48 von ihnen wurden bei dem Völkermord in Ruanda umgebracht, 18 fielen in Algerien den Mordkommandos der islamischen Untergrundkämpfer zum Opfer.
Für Auslandsreporter gibt es keinen absoluten Schutz, aber immerhin kugelsichere Westen, Invaliditätsversicherungen – und vor allem die Möglichkeit, wieder abzureisen. Das können ihre kurdischen Kollegen nicht, die in der Türkei verfolgt werden, sobald sie versuchen, über die Hintergründe des Krieges zwischen Armee und PKK zu schreiben. Das Gebäude der kurdischen Zeitung Özgür Ülke wurde kürzlich in Schutt und Asche gelegt, ihre Mitarbeiter werden immer wieder verhaftet.
Daß Journalisten nicht mehr allein zufällige Opfer in Bürgerkriegs- oder Kriegssituationen sind, sondern gezielt verfolgt werden, ist nicht neu. Vor zwanzig Jahren hießen die Täter Pinochet und sein Geheimdienst, vor zehn Jahren waren es die Todesschwadronen Guatemalas, heute sind es die Militärs in der Türkei und die islamistischen Terroristen Algeriens.
Ob für Journalisten in diesen Ländern das Risiko noch vertretbar ist, in ihrem Beruf zu arbeiten, kann von uns niemand beurteilen. Wir können nur Hochachtung haben vor ihrem Mut und, in manchen Ländern, vielleicht etwas dazu beitragen, es ihren Gegnern schwerer zu machen. Vor allem, indem wir mit den Menschenrechten überall auf der Welt immer wieder auch ihre Meinungsfreiheit einklagen. Denn die Unterdrückung von oppositioneller Presse geht meist den Bürgerkriegen voraus – in die wir dann unsere Reporter schicken müssen. Michael Rediske
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