Udo Proksch in Wien verhaftet

Hauptakteur der „Lucona-Affäre“ im Wiener Flughafen geschnappt / Österreichs prominentester Justizflüchtling, über den zwei sozialistische Minister stürzten, war auf dem Weg in die BRD  ■  Aus Wien Thomas Scheuer

Udo Proksch, ehemals schillernder Tausendsassa der Wiener Schickeria, Inhaber der traditionsreichen „k.u.k. Hofzuckerbäckerei Demel“, Duzfreund und Stolperstein mehrerer sozialistischer Minister und Hauptfigur der „Lucona -Affäre“, wurde am Montagabend auf dem Flughafen Wien verhaftet. 17 Monate lang war er vor der österreichischen Justiz auf der Flucht gewesen. Diese beschuldigt Proksch und seinen bundesdeutschen Spezi Hans Peter Daimler, im Januar 1977 die Versenkung des Frachtschiffes „Lucona“ im Indischen Ozean mittels Sprengstoff arrangiert zu haben. Der Untergang des Schiffes kostete seinerzeit sechs Seeleuten das Leben.

Da die Ladung der „Lucona“ eine wertvolle Uranerzmühle gewesen sei, machte Proksch eine Versicherungsleistung von über 30 Millionen Schilling geltend. Diese wurden jedoch nie ausbezahlt, nachdem ein von der Versicherung angeheuerter Privatdetektiv ermittelt hatte, daß der Frachter nur wertlosen Schrott aus Beständen der österreichischen Armee geladen hatte und absichtlich versenkt worden war.

Der mißlungene Coup geriet im intrigengewohnten Wien bald zum hochkarätigen Politskandal. Dieses Frühjahr brachte ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß die Hintergründe zu Protokoll: Ermittlungen der Kriminalpolizei wurden seinerzeit abgewürgt, Staatsanwälte zurückgepfiffen, Akten und Beweisstücke aus dem Verkehr gezogen.

Die Weisung für diesen „Abortus criminalis“, wie der brave Gendarmerie-Inspektor Werner Meyer es vor den Parlamentariern formulierte, sei von Innenminister Karl Blecha, SPÖ, persönlich gekommen. Prompt mußte dieser wegen seiner Verantwortung für die Verschleierung der Affäre seinen Hut nehmen.

Auch Parlamentspräsident Leopold Gratz stolperte über die „Lucona“: Er war, damals noch Außenminister, Proksch mit fingierten Dokumenten über die angebliche Uran-Mühle behilflich gewesen. Schon früher war Verteidigungsminister Lütgendorf über die Affäre gestürzt - und bald darauf mit einer Kugel im Kopf gefunden worden. Im Sommer 1988 wurde mit elfjähriger Verspätung die Anklageschrift gegen Udo Proksch wegen Versicherungsbetrug, Sprengstoffverbrechen und Mord rechtskräftig. Allein, es fehlte der Angeklagte. Unter dubiosen Umständen war Proksch vor eineinhalb Jahren aus der U-Haft entlassen worden und hatte sich prompt ins Ausland abgesetzt.

Nun kann der auf Anfang 1990 vor einem Geschworenensenat des Wiener Landgerichts terminierte Prozeß doch noch mit dem Skandal-Star auf der Anklagebank beginnen: Ausgestattet mit einem österreichischen Paß mit ausgewechseltem Foto war Proksch zunächst von Hong Kong nach London geflogen. Dort wurde er an der Paßkontrolle zurückgewiesen und versuchte, mangels anderer Verbindungen, mit British Airways über Wien weiterzukommen. Von den Londoner Kollegen gewarnt, nahmen österreichische Fahnder den Passagier, dessen Äußeres „sehr stark verändert“ und „fast nicht wiederzuerkennen“ war, so ein Justizsprecher zur taz, im Transitraum des Flughafens Wien-Schwechat in Empfang. Den Weiterflug hatte Proksch schon gebucht - in die Bundesrepublik!

Warum Proksch in die BRD wollte, war den Wiener Ermittlern am Dienstag noch unklar. In deutschen Landen wartet allerdings sein langjähriger Freund und Kumpan beim Lucona -Coup, der deutsche Staatsbürger Hans Peter Daimler, auf seinen Prozeß. Der erhofft sich offenbar unter deutschem Recht ein günstigeres Klima und meldete sich über seinen Anwalt, den prominenten Kieler Wirtschaftsjuristen Prof. Erich Samson, der auch schon dem in Genf verschiedenen Uwe Barschel als Rechtsbeistand diente, bei der Kieler Staatsanwaltschaft, in dessen Bezirk er einen Wohnsitz installiert hatte.

Erst nachdem der Bundesgerichtshof im Mai dieses Jahres die Kieler ausdrücklich für zuständig erklärt hatte, wurde dort ein förmliches Ermittlungsverfahren eingeleitet. Während Daimler auf freiem Fuß das Ergebnis der Ermittlungen abwarten kann, da man ihm in Kiel weder Flucht- noch Verdunklungsgefahr zumutet, muß Spezi Udo sich nun als U -Häftling in einer Einzelzelle des Wiener „Gefangenenhauses“ die Zeit vertreiben - zum Beispiel mit „Schiffchen versenken“.