piwik no script img

US–Kontrollplan– harter Brocken

■ USA fordert nach Gorbatschows Abrüstungsofferte scharfe Überprüfung des SS–20–Abbaus

Berlin (taz) - Kenneth Adelman grinste schadenfroh. Der Leiter der US–Rüstungskontrollbehörde hatte soeben die Antwort der US– Regierung auf Gorbatschows Null–Lösungsvorschlag für die in Europa stationierten Mittelstreckenraketen formuliert. Wenn es der Kremlchef ernst meine mit seinem Vorschlag, so Adelman, dann könne er doch westlichen Rüstungsexperten zu Kontrollzwecken den Zugang zu sowjetischen Raketenfabriken gestatten. Selbstkritisch fügte er hinzu, daß die Sowjets an dem neuen sehr weitgehenden Kontrollplan der USA „hart zu schlucken“ habe werden. Der Plan sieht vor, daß beide Seiten eine begrenzte Zahl von Vor–Ort–Inspektionen an Stationierungs– und Produktionstätten zur Überwachung des Raketenabbaus durchführen können. Schon seit längerem schwelt in der US– Regierung ein Streit darüber, wie sehr man den Aspekt der Kontrollmechanismen bei einem Abkommen in den Vordergrund stellen soll. Während Außenminister Shultz befürchtet, daß zu strenge Forderungen die Verhandlungen mit der Sowjetunion behindern könnten, verlangt Pentagon–Chef Weinberger genaueste Inspektionsabmachungen, die jedoch - das fürchten nun ihrerseits die Hardliner - den Sowjets ebenfalls Zugang zu geheimen NATO– Anlagen geben würden. Auf Drängen NATO–General Rogers protestierte Weinberger außerdem letzte Woche dagegen, daß den Sowjets in der von Reagan in Reykjavik vorgeschlagenen Null– Lösung zugestanden wird, 100 SS–20 Sprengköpfe in Asien zu behalten. Der Ende Juni aus seinem Amt als NAtO–General und Oberkommandierender der US–Truppen in Europa scheidende Rogers warnte am Montag auch davor, eine „isolierte“ Null– Lösung zu akzeptieren.mf Fortsetzung auf Seite 2 In Brüssel erklärte er, „es wäre überaus nützlich, ein solches Abkommen zu verwirklichen und damit eine Kategorie von Atomwaffen zu beseitigen - vorausgesetzt, daß es auch eine Verringerung bei den Kurzstreckenraketen, den chemischen und konventionellen Waffen auf ein ausgewogenes und nachprüfbares Niveau gibt“. Da gegen führen die moderaten Kräfte in der US–Regierung an, daß das Angebot Gorbatschows eine Kürzung des sowjetischen Mittelstreckenarsenals um 93 Prozent bedeutet. Zunächst erklärte sich die US– Regierung jedoch bereit, die Genfer Gespräche, die ursprünglich am Mittwoch enden sollten, fortzusetzen. In den beiden anderen Bereichen der Gespräche, die die strategischen Atomraketen und die Weltraumwaffen betreffen, soll jedoch bis April eine Pause eingelegt werden. In Bonn, der Hauptadresse des Gorbatschow–Vorschlags, melden sich inzwischen auch die kritischen Stimmen zu Wort. Nachdem Bundesaußenminister Genscher Gorbatschows Angebot am Montag begrüßt hatte, erklärte der Vorsitzende der CDU/CSU–Bundestagsfraktion, Dregger, daß der Westen das Angebot zum Anlaß nehmen sollte, die Kurzstreckenraketen sofort in die Genfer Verhandlungen miteinzubeziehen. Eine isolierte Null–Lösung trage dazu bei, das Übergewicht der Sowjetunion im Kurzstreckenbereich festzuschreiben. Für die FDP meinte hingegen der Abrüstungsexperte Feldmann, „es sei nichts wichtiger, als die Sowjetunion beim Wort zu nehmen und die historische Chance für den Abschluß des ersten Europa betreffenden Abrüstungsabkommen zu nutzen. Die SPD warnte davor, die Chance für einen Abbau sämtlicher Mittelstreckenraketen zu verspielen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen